Speyer. Bei vollem Haus hat der Kabarettist und Musiker Andreas Rebers mit seinem aktuellen Programm „rein geschäftlich“ im Alten Stadtsaal den 28. Kulturbeutel eröffnet. Rebers war bereits 2017 Gast im Kulturbeutel gewesen. Festivalleiter Matthias Folz begrüßt ihn mit Bezug auf eine am Sonntag nachfolgende Show über die Brüder Grimm als scharfzüngigen „Meister der deutschen Sprache“ und würdigen Enkel von Jakob Grimm, dessen handgefertigte Puppe als Intro vorm E-Piano saß.
Rebers selbst filetiert genüsslich und mit präziser Beobachtung die bundesdeutsche Nachkriegsrealität und die Abgründe unserer gegenwärtigen Konsumgesellschaft, wobei er alle politischen Parteien einschließlich der Kirchen zerlegte. Besonders scharf geht er mit den Grünen ins Gericht, die sich seit ihrer Teilhabe an der Macht in der Ampelkoalition schlagartig von den Idealen ihrer Anfangszeit verabschiedet hätten. Die Klimakatastrophe, die Aktivisten der letzten Generation, und das spirituelle Koma, in dem wir derzeit leben, nimmt er ebenfalls satirisch ins Visier.
Pointen haarscharf an Grenzen
Rebers Pointen bewegen sich haarscharf an Grenzen. Der Mensch war immer schon sehr Ich-bezogen, sagt er. Und deshalb nimmt er auch wenig Rücksichten auf seine „Brüderinnen und Brüder“. Warum auch – es läuft viel zu viel schief in dieser Welt. Mit großer Präzision, schonungslos und doch voller Zuneigung nimmt er seine Mitmenschen aus Korn. Getragen wird Rebers Programm von der Frage, ob das Leben nun Zufall, ein Witz – oder doch nur ein Geschäft sei.
Das Gegenteil von Zukunft sei schon immer Herkunft gewesen, sagt er und stellt dabei wenig verwundert fest, wie kurz der Weg der Deutschen vom Herrenmenschen zum Moralweltmeister war. Man merkt sofort, dass ihm geschichtliches Denken ein wichtiges Anliegen ist. Deshalb stellt er auch immer wieder Bezüge zum Hitler-Faschismus und der Nachkriegszeit her. Schon als Kind habe er sich gerne mit Veteranen des 2. Weltkrieges auseinandergesetzt. Weil er Hakenkreuze in Schulhefte malte, habe man ihn als „Hakenkreuz-Andy“ beschimpft. Nur 0,6 Prozent der Täter von damals seien bestraft worden. Rebers liebt den makabren Witz und historische Vergleiche.
Schön auch, wenn er einen Spruch von Rosa Luxemburg zitiert: „Das Wichtigste ist Menschsein, vor allem Menschsein“. Das heißt für ihn klar, gerade und heiter, trotz allem Elend vor allem heiter, denn „das Weinen sei das Geschäft der Schwachen“. Auch Rudi Carell habe sich zum Thema geäußert: „Wenn du die Welt zu einem besseren Ort machen willst, dann gehst du raus und bringst die Menschen zum Lachen.“ Daraus bezog er schon als Kind, so Rebers, die Motivation im späteren Leben Kabarett zu machen.
Im zweiten Teil seines Auftritts im Alten Stadtsaal dominieren Geschichten über eine fiktive Nachbarin in seinem derzeitigen Wohnort München, die alleinerziehende Mutter Sabine Hammer und ihren Sohn, das Hammerkind. Mit ihr gründet er gegen die mittlerweile beliebige Parteienlandschaft ganz unten auf der kommunalpolitischen Ebene im eigenen Stadtteil eine neue Partei mit dem knuffigen Namen „Wuwi“ (Was uns wirklich wichtig ist) und kann damit eine ganze Palette aktueller Themen abhandeln, zum Beispiel die Biosauna aus Zirbenholz oder auch die beliebten Tempo-30-Forderungen vor dem eigenen Haus.
Immun gegen „betreutes Denken“
Natürlich darf auch das Thema Weltuntergang nicht fehlen. Wenn er gegen Ende der Show am E-Piano sitzt und mit Wiener Schmäh vom Mond singt, der „nackerten Kugel“, und der Erde, die es „eh nimmer lang macht“, wird es tatsächlich noch richtig melancholisch im Saal. Der Abend endet mit einer furiosen Grönemeyer-Parodie und zwei instrumental vorgetragenen Polka-Stücken am Knopf-Akkordeon als Zugabe. Das sei schließlich Musik, zu der man definitiv nicht marschieren kann . . .
Andreas Rebers ist seit über 30 Jahren auf Tour, er hat viele Themen und Akteure kommen und gehen sehen, das hat ihn gegen „betreutes Denken“ immunisiert. Mit dem E-Piano und dem Akkordeon singt und erzählt er gegen die allgemeine Verblödung an – ein großer Spaß für alle, die ihn am Samstag im Alten Stadtsaal erlebt haben.
Das 28. Kulturbeutel-Festival bietet noch bis 14. Oktober einen bunten Strauß an Musikveranstaltungen, Theater und Kabarett auf der Bühne im Alten Stadtsaal. Details zu allen Terminen finden sich auf der Website www.theater-speyer.de. Karten gibt’s bei der Tourist-Info in Speyer, über das Internet-Portal Reservix und im Kundenforum unserer Zeitung in Schwetzingen.
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