Sibylle M. Derr
Speyer. So facettenreich wie in der neuen Ausstellung der Galerie Kulturraum hat man den Wein in der Bildenden Kunst selten erlebt. Ein Umstand, der Weihbischof Otto Georgens zu der Äußerung ermunterte: "Ein roter Punkt - soll das bedeuten, dass dieses Bild schon einen Käufer gefunden hat?" Ja, es hatte ihn. Die großformatigen Rotweinflaschen von Regina Wiede, in deren oberer Hälfte sich die umgebende Architektur andeutungsweise nach altmeisterlicher Manier spiegelt, hatten bereits am Abend der Ausstellungseröffnung einen Abnehmer.
Dabei hätte sich womöglich Georgens selbst mit den glanzvollen Spiegelreflexen auf der gemalten Hülle der kostbaren Flüssigkeit anfreunden können. In seinen Grußworten zitierte er Hilde Domin: "Wir essen Brot, aber wir leben vom Glanz." Der Weihbischof und Weinbruder, der in einer Zeit großgeworden ist, "als man sein Pausenbrot noch nicht im Schulhof wegwarf", sinnierte über die Bedeutung von Brot und Wein weiter, "woher kommt der Glanz? Für mich ist es der Wein."
Die Bibel habe den Wein über 500 Mal erwähnt. "Nicht nur vom Brot lebt der Mensch, sagt Jesus." Sprichworte wie "Im Wein liegt die Wahrheit", wollte Georgens denn doch nicht weiter vertiefen, dafür zog er noch einen Tucholsky aus der Tasche: "Schade, dass man den Wein nicht streicheln kann."
Mit Joaquín Turinas "Fiesta" und Mozarts beschwingt heiterem "Das Butterbrot" - gespielt von Marianne Umstätter am Flügel - kam auch der richtige Ton bei dieser frühherbstlichen Zusammenkunft auf.
Der Besuch des Weihbischofs in der Galerie von Maria Franz und Anton Bronich - "Sie sind hier ja sozusagen im ehemaligen Haus des Dompropsts der Hausherr", so Anton Bronich - brachte Galeristin Maria Franz auf die Idee, Künstlertum und Pilgertum miteinander in Beziehung zu setzen: "Künstler sind Pilger. Es gibt Werke, zu denen kehren sie immer wieder zurück." Vorm Haus beginne ja auch der Pfälzer Pilgerweg.
Zu diesen "Werktreuen" gehört Wolfgang Blanke, der mit gelassen- flinkem Strich Personengruppen zu geselligen Tisch-Sofa-Runden vereint, die neuerdings von zurückhaltender Farbigkeit, mit einer Vorliebe für Brauntöne auf viel freie weiße Fläche ins Bild gesetzt sind und die die zwanglose Atmosphäre einer solchen Zusammenkunft widerspiegeln. Auch Jochen Frisch hat einen Sinn dafür, immer wieder auf Landschaften zurückzukommen, hier sind Rebflächen der näheren und weiteren Umgebung in sie eingebunden, etwa "Villa Ludwigshöhe bei Edenkoben". Diese Aquarelle sind technisch ausgereift, aber vergleichsweise dunkel und mit tiefem Horizont ins Blatt gesetzt.
Die Kollektivschau vereint zwei herausragende Stillleben von Ute Petry aus der Zeit um 1950, eine "Chianti" betitelte Zeichnung von Horst Janssen auf zerknülltem Papier und eine Farblithografie von Georg Baselitz unter dem sinnigen Titel "Die Mauer", die als Weinetikett die Flaschen des Château Mouton-Rothschild (Jahrgang 1989) dekorierte. Daneben hängt eine sehr aufschlussreiche Zusammenstellung von Weinetiketten dieses Weinguts zwischen 1945 und 1992 in Hochglanzdruck.
Eine originelle Fünferserie mit Tischgesellschaften in den Weinbergen und einem Schild, das das geflügelte Wort von der brotlosen Grund in "Die Liebe ist eine Kunst" ("Artist Die Liebe") ummünzt, trägt Jürgen Wolf zur Schau bei, zwei reizende Zeichnungen Georg Karbach - die Heiligen Drei Könige wandern auf einem Brot -, während seine Gattin Angelika Karbach mit entzückend wohlbeleibten Tondamen wie der "Weinkönigin" aufwartet, der das Diadem schepp in der Stirn hängt.
Auch ein Adonis, der sich in seiner Männlichkeit sonnt und verwegen über das Rotweinglas blickt - gemalt von Robert C. Rore - sucht seinen Käufer.
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