Neues Buch

Ehemaliger Lehrer aus Speyer löst mathematisches Jahrhunderträtsel

Von null auf unendlich in 150 Jahren – wie Dr. Volker Hönig das Problem von David Hilbert gelöst hat...

Von 
Marcus Oehler
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Hier zeigt Dr. Volker Hönig sein Manuskript und einige Unterlagen, die ihn zur Lösung geführt haben. © Venus

Speyer. Der ehemalige Lehrer für Mathematik am Speyerer Friedrich-Magnus-Schwerd-Gymnasium Dr. Volker Hönig beschäftigt sich gern mit mathematischen Problemen. So gibt es seit 1975 den nach ihm benannten „Satz vom Hönigpunkt“. Nun fand er nach einem Geistesblitz eine Lösung für das erste von 23 Problemen des Mathematikers David Hilbert: „Die Abzählung der reellen Zahlen des Einheitsintervalls und das Cantorsche Kontinuumsproblem.“ Denn das wartete bereits seit 150 Jahren auf eine Lösung. Volker Hönig hat uns in diesem Gastbeitrag aufgeschrieben, wie er zur Lösung gekommen ist:

Als sich der Mathematiker David Hilbert am 8. August 1900 in Paris auf den Weg zur Sorbonne zum internationalen Fachkongress seiner Kollegen macht, hat er eine Liste mit 23 Problemen in der Tasche – „Mathematische Probleme“, die es in sich haben und die fortan bis zum heutigen Tag für schlaflose Nächte bei Mathematikern rund um den Erdball sorgen sollten.

In der französischen Metropole herrscht damals Aufbruchsstimmung, die sämtliche Bereiche der Technik, Kultur und Wissenschaft erfasst hat. Die Gesellschaft präsentiert sich auf der Höhe ihrer Zeit und wagt Ausblicke in das neu angebrochene Jahrhundert. Während zur Weltausstellung in Paris gefeiert wird und die Sektkorken knallen, sitzt die deutsche Mathematiker-Vereinigung beisammen und brütet über den aktuellen Fragestellungen, die Hilbert als Chef der „Sektion Algebra und Zahlentheorie“ soeben präsentiert hat.

Sammlung an Fragestellungen

Es ist eine Art Bestandsaufnahme: Wo stehen wir jetzt, was gibt es für uns Mathematiker vordringlich zu lösen? So einiges, denn Hilberts Erledigungsliste ist umfangreich. Sie beinhaltet eine Sammlung an Fragestellungen unterschiedlicher Wissens- und Fachgebiete: der mathematischen Logik, der Algebra, aber auch der Physik.

Sein Problem Nummer eins beschäftigt sich, vereinfacht gesagt, mit abzählen. Dabei geht es darum, ob sich alle Dezimalzahlen (Kommazahlen) zwischen den Zahlen 0,0 und 1,0 in der gleichen Weise abzählen lassen, wie die unendlich vielen natürlichen Zahlen 0, 1, 2, 3 …

Was einfach klingt, hat in den folgenden Jahren für hitzige Debatten im Kreise der Mathematiker gesorgt. Grundlegende Beiträge zu dieser Thematik hatten auch seine bekannten Kollegen Georg Cantor (1845–1918) und Giuseppe Peano (1858–1932) beigesteuert. Es wurden mathematische Gesetze und Beweise formuliert, doch eine finale Lösung blieb aus. Was Hilbert vermutet hatte, aber nicht beweisen konnte, war die Überlegung, dass beide unendlichen Zahlenmengen gleich viele Elemente besäßen.

Ein Geistesblitz bringt die Lösung

Ich habe nun für dieses erste Problem eine Lösung gefunden und in Buchform der mathematischen Fachwelt zugänglich gemacht. Darin beschreibe ich in kompakter Form den Weg, der mich zu meinem Resultat geführt hat und stelle das spannende Ergebnis den bisherigen Erkentnissen gegenüber. So ging die aktuelle Forschung bisher davon aus, das Problem sei unentscheidbar. Dass es doch entscheidbar ist und beide unendlichen Zahlenmengen gleich viele Elemente besitzen, habe ich in dieser Arbeit aufgezeigt – in Form eines mathematischen Beweises auf nicht einmal 20 Seiten.

Was sich hier so schön knapp und klar präsentiert, hat allerdings eine Vorgeschichte. Es handelt sich beim vorliegenden Buch gewissermaßen um das Destillat einer jahrelangen Forschungsarbeit zum Mathematiker Cantor, der bereits vor 150 Jahren, also 27 Jahre vor Hilberts Vortrag in Paris, als erster das Problem formuliert hatte. Dass sich Menschen über einen so langen Zeitraum mit einer solchen Materie beschäftigen, scheint für Außenstehende schwer nachvollziehbar. Ist es doch ohnehin schon nicht immer leicht, den Überblick über den von Zahlen geprägten Alltag zu behalten.

Und doch ist da dieser unwiderstehliche Reiz und nicht zuletzt das Rätselhafte, das grundsätzlich alle Probleme unserer Geschichte umgibt. Da heißt es, am Ball – oder besser – an der Zahl bleiben, auch gegen äußere und persönliche Widerstände. Denn dann gibt es auch immer wieder die erlösenden Momente einer spontanen Eingebung. Dann kommt der Geistesblitz – die unorthodoxe Methode, die alles verändert und neue Wege eröffnet.

Wie ich zu dieser Lösung gefunden habe? Meine Entdeckung beruht, vereinfacht ausgedrückt, auf dem verblüffenden Weg der Spiegelung der natürlichen Zahlen am Nullpunkt in alle Dezimalzahlen zwischen 0,0 und 1,0. Als ich mich in einer ersten Notiz auf einem Zettel dieser Thematik gewidmet hatte, wurde mir schnell klar, dass ich etwas ganz Besonderes entdeckt hatte.

Was märchenhaft klingt, ist allerdings allzuoft mit harter Arbeit und nicht selten auch mit Rückschlägen verbunden – Mathematik als Ergebnis von Beharrlichkeit und kühler Überlegung. Auch das gehört dazu. Auf Hilberts Grabstein in Göttingen steht in Stein gemeißelt: „Wir müssen wissen. Wir werden wissen.“ Das klingt etwas streng, passt aber ausgezeichnet. Ein Credo, wie es sich für einen Mathematiker gehört. Ein Axiom, ein Satz, der keines Beweises bedarf und der die Kraft des menschlichen Denkens widerspiegelt.

Die Lösung des ersten Hilbertschen Problems ist für mich das Ergebnis seiner langen Forschungsarbeit und der Freude an der Mathematik, einer faszinierenden Welt, die immer reich an Überaschungen und stets auch neu auftauchenden Fragestellungen ist. Hilberts 23 Probleme sind bis heute noch immer nicht vollständig gelöst und es gibt weiterhin einiges zu tun, schreibt Hönig in seinem Gastbeitrag.

Woran Dr, Volker Hönig sich als Nächstes wagen wird? Wir dürfen schon gespannt darauf sein! 

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