Stadtentwicklung

Sperrholz vor Weltkulturerbe: Warum Speyerer über eine Klimaoase am Dom lästern

Wird hier ein Denkmal beschädigt? Speyer ist im Sommer einer der heißesten Orte Deutschlands. Jetzt baut die Stadt ungewöhnliche Möbel vor den Dom, die Kühle bringen sollen. "Geht's noch?", fragen Kritiker

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Stephan Alfter
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Der Platz vor dem Speyerer Dom gehört in Teilen der Stadt. Dort wird gerade eine Klimaoase realisiert – mit Beeten und Bäumen. © Stephan Alfter

Speyer. Mehrere Kästen aus Holz, die seit einigen Tagen unmittelbar neben dem Speyerer Dom auf dem städtischen Teil des Vorplatzes postiert sind, lassen sowohl bei Bewohnern als auch bei Besuchern mitunter die Schlagader am Hals sichtbar werden.

Kritiker sind sich einig: Das vor rund 1000 Jahren über viele Dekaden hinweg entstandene, heutige Weltkulturerbe und eine in wenigen Tagen hingezimmerte Klimaoase - das passt nicht zusammen. Hier der „heilige“ Sandstein, der zu Zeiten Konrads II. mühevoll vom Rand des Pfälzerwaldes an den Rhein geschafft wurde, um eines der größten Gotteshäuser des Planeten zu errichten. Dort das fix zugeschnittene Sperrholz-Mobiliar, das kurzfristig für etwas Kühle sorgen soll, wenn Joe Cocker im Radio wieder die Songzeile „Summer In The City“ ächzt. Zuviel der Widersprüchlichkeiten für viele Speyerer Kommentatoren.

Und das, obwohl die Stadt das Projekt so behutsam und so poetisch wie möglich zu verpacken versucht hat. In einer Pressemitteilung flötete sie vor wenigen Tagen folgendes in die Newsrooms der Redaktionen: „Der Frühling steht vor der Tür und die Menschen zieht es hinaus ins Freie. ...“ Doch damit war die Botschaft nicht zu Ende. Es geht der Verwaltung um die Aufenthaltsqualität in der Speyerer Innenstadt, die nachgewiesenermaßen in den vergangenen Jahren jeweils zu den heißesten Orten Deutschlands gehörte. An vierter Stelle rangiert Speyer republikweit obendrein, wenn es um das Maß der Versiegelung geht. Es gebe kaum einen Baum in der Innenstadt, lästerte der bekannte Irokesen-Schopf tragende Journalist Sascha Lobo in seinem Podcast, als es um Hotspots in Deutschland ging.

Impulse für den Speyerer Einzelhandel

„Klimaoase“ heißt nun das Vorhaben, das Ende März fertiggestellt sein soll. Einige Hochbeete und Sitzmöglichkeiten werden dort gerade realisiert. Sogar kleine Bäume sind ins Mobiliar gepflanzt worden, um schattige Plätze zu schaffen. Es ist die Fortführung dessen, was im vergangenen Jahr mit ähnlichem Aufwand unter dem Namen „Grünes Wohnzimmer“ begann. Es gehe um neue Impulse, schreibt die Verwaltung. Und damit um die Stärkung des lokalen Einzelhandels. Tatsächlich ist die Meile zwischen Dom und Altpörtel nach wie vor so zugepflastert wie zu Zeiten der 2000-Jahr-Feier 1990, als man an die Straße in die Via Triumphalis zurückverwandelt hat - auch, um an römische Gründungszeiten zu erinnern.

Arbeiten zur Klimaoase Speyer. © Stadt Speyer

„Wir wollen die Innenstadt mit ihren unterschiedlichen Nutzungsfeldern weiter stärken und dafür sorgen, dass der Aufenthalt in Speyer für alle Menschen zu einem besonderen Erlebnis wird“, erklärt Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler (SPD). Sie verweist auf eine Umfrage, wonach Bürgerinnen und Bürger den Standort als geeignet gesehen hätten. Nun jedoch fühlen sich einige in ihrem ästhetischen Gefühl verletzt.

Ästhetisch für einige untragbar

Die CDU-Opposition im Stadtrat sieht den Ort als missglückte Wahl an: „Ist das der richtige Platz für eine Stadtmöblierung dieser Art vor dem Weltkulturerbe Kaiserdom“, fragt Fraktionschef Johannes Kabs. Zumal mit den städtischen Gremien nichts abgestimmt gewesen sei. Er fragt, ob es direkt neben der tatsächlichen Klimaoase Domgarten einer nur überschaubar nachhaltigen Klimainsel bedarf. Man unterstütze kluge Entsiegelung und die Schaffung weiterer Verweilmöglichkeiten, aber die Platzierung sei falsch.

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red/sal
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Deutlicher werden Kommentatoren auf der Seite von Speyer.de bei Facebook. „Klobig, hässlich, unangemessen gegenüber der Fassade des Doms. Es sieht zutiefst provinziell aus“, schreibt der Speyerer Carsten Jung. Elisabeth Rossato kommentiert: „Ich finde diese Holzmöbel auf dem Postplatz echt vergammelt. (...) Das wäre keine gute Visitenkarte für Speyer.“ Stephan Holldörfer kritisiert: „Für eine Stadt die mit dem Argument Denkmalschutz gegenüber den Bürgern und Bauherren so kleinlich hantiert, ist es schon angebracht, sich zu wundern, was vor unserem Dom veranstaltet wird.“

Domdekan Christoph Kohl hat vor der Einrichtung der Klimaoase sein grundsätzliches Einverständnis signalisiert. „Es gilt, miteinander im Gespräch zu bleiben und zu beobachten, wie die Klimastraße von den Besuchern des Doms aufgenommen wird“, so Kohl in einer Stellungnahme. Thematisch passe das Projekt in das Umfeld des Doms. Friederike Walter, die als Site-Managerin der Unesco berichtet, sieht das Projekt positiv: Der Umgang mit der Klimaerwärmung sei bei den Kulturerbestätten sehr präsent. Eine Beeinträchtigung für das Welterbe sieht sie nicht. Alles also doch nur ein vorübergehendes Gewitter in den sozialen Netzwerken? „Ob Sonne, ob Regen, die Speyerer sind dagegen“, schreibt Manuael Voltz auf Facebook zu der Diskussion süffisant.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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