Friedhof

Speyerer Friedhof: Geschichte und Kunst hinter den Grabstätten entdecken

Die Stadt Speyer öffnet die Türen des größten Friedhofs der Stadt für eine Entdeckungsreise. Eine Initiative bringt Interessierte zusammen, um kunstvolle Grabmäler und Geschichten bekannter Persönlichkeiten zu erkunden.

Von 
Susanne Kühner
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Auch an die bekannte Speyerer Fotografin Bettina Deuter und ihren Mann Jimmy, die 50 Jahre lang Speyerer Leben im Bild festhielten, erinnerte Schineller beim Rundgang. © Klaus Venus

Speyer. Den Friedhof als Lebensraum erlebbar machen möchte die Stadt Speyer. Dazu hat sie eine Reihe initiiert, die die größte Parkanlage der Stadt in unterschiedlichen Facetten beleuchtet. Stand bei einem ersten Treffen im August die naturnahe Grabgestaltung im Mittelpunkt, tauchten jetzt rund 50 Interessierte in die Geschichte bekannter Persönlichkeiten ein.

„Grabmäler sind auch Kunstwerke“, sagt Werner Schineller am Treffpunkt Trauerhalle zur Begrüßung. Der frühere Speyerer Oberbürgermeister war als Referent ausgewählt worden, wohl wissend, dass er sowohl Persönlichkeiten als auch Geschichte seiner Heimatstadt bestens kennt. Die These, die Schineller nunmehr in den Raum stellte, wurde am Grab des Geschäftsmannes und CDU-Stadtrates Dr. Eduard Orth belegt.

Interessante Details auf dem Speyerer Friedhof aufgezeigt

Jakob Adlhart, österreichischer Künstler, der das Relief am Chorgestühl des Speyerer Doms hergestellt hatte, sorgte an Orths Grabstätte für eine ebenso auffallende Bildhauerei. „Engel halten einen Siegeskranz. Zu sehen ist der Heilige Bernhard von Clerveaux und Dombaumeister Benno von Osnabrück“, wies Schineller neben weiteren Merkmalen auf dem breiten Kunstwerk auf Details hin. Die Geschichte des pfälzischen Möbelfabrikanten und späteren Kultusministers Orth (1956 bis 1967) beeindruckte die Gäste sehr.

Am Grab der Oberstudiendirektorin Elisabeth Schleicher-Landgraf und ihrer Familie erzählt Werner Schineller von der ersten Speyerer Abiturientin. © Venus

Interessant war die menschliche Mischung, die der Alt-OB speziell für die Führung zusammengestellt hatte. Einer „tollen Frau“ räumte er zwischen vielen standhaften Männern Raum ein. „Wo immer sie eingeladen war, war ihr Aufmerksamkeit beschert“, kennzeichnete Schineller Elisabeth Schleicher-Landgraf. Schulgeschichte habe sie geschrieben.

Erstes Mädchen macht am humanitären Gymnasium Abitur – Erinnerung in Speyer

Weshalb, das erklärte der Referent anhand der Lebensgeschichte: „Sie war das erste Mädchen, das am humanitären Gymnasium Abitur machte. Später leitete sie das städtische Mädchenlyzeum.“ An dessen Stelle, so Schineller, stehe heute das Hans-Purrmann-Gymnasium. Zurecht sei die letzte Ruhestätte der Schleicher-Landgraf ein Ehrengrab, das von der Stadt Speyer gepflegt werde. Der Blickfang: eine Plastik des örtlichen Künstlers Wolf Spitzer.

Persönlichkeiten

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Parallelen zu heute nahmen die Teilnehmer am Grab von Paulus Skopp wahr – OB von 1949 bis 1969 und „Nicht-Pfälzer“, wie Schineller betonte. Ausgefuchst sei Skopp trotzdem gewesen. Aus seinen Aufzeichnungen las Schineller vor: „Bevor ich mich ums Amt bewarb, ging ich nach Speyer zum Friseur. Das ist eine Schatztruhe für alles Wissenswerte in der Stadt.“ Skopps Plan ging offensichtlich auf.

Auf dem Weg passierten die Teilnehmer den – laut Schineller – „hochinteressanten, spannenden Politiker“ Franz Bögler, den Büchsenmacher Melchior Hess sowie das Familiengrab Pfeiffer, in dem unter anderem Maximilian Pfeiffer, „ein Mann mit vielseitigem Talent“, begraben liege. Einen Kommunalpolitiker, der 76 Jahre nach seinem Tod eine historische Aufbereitung hervorgerufen hat, stellte Schineller mit Karl Leiling vor.

Kunstvolle Figuren am Grab des früheren Kultusministers Dr. Eduard Orth. © Klaus Venus

„OB von Speyer in schicksalsschwerer Zeit“ steht auf dessen Grabstein. Die Rolle Leilings in nationalsozialistischer Zeit wird aktuell unter Federführung des Speyerer Stadtarchivs genauer geprüft. „Auf die Ergebnisse bin ich gespannt“, sagt Schineller.

Nicht ohne Anregungen führte der historisch bewanderte Ur-Speyerer über den Friedhof. Infotafeln mit Lebensdaten der bekannten Personen regte er an. Beigeordnete Irmgard Münch-Weinmann (Grüne) sprach von Überlegungen, QR-Codes an Gräbern anbringen zu lassen. „Spätestens, wenn es bei mir soweit ist, würde ich das sehr begrüßen“, lautete die humorige Antwort des früheren Oberbürgermeisters.

Der Speyerer Friedhof erstreckt sich auf 17,3 Hektar Fläche, hat 68 Grabfelder mit zirka 12 000 Grabstätten. Etwa 250 davon sind Vermächtnisgräber, werden also von der Stadt gepflegt. „Manche gut, manche besser, manche verbesserungswürdig“, hieß Schinellers Fazit am Ende.

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