Baden-Württemberg. Immer wieder neue Aufgaben, Bürokratie und Überstunden, dazu die Wut ungeduldiger Kunden und mangelnde Digitalisierung: Viele Ämter in Baden-Württemberg arbeiten nach einer Recherche des SWR vollkommen am Anschlag, die Burnout-Rate nimmt zu.
Mitarbeiter klagen über einen wachsenden Berg von Arbeit, Anfeindungen und Angriffen. Immer häufiger würden Entscheidungen der Verwaltung von Bürgerinnen und Bürgern infrage gestellt, es werde diskutiert, gedroht, beleidigt, wie die Online-Umfrage des Senders bei Bürgerbüros, Kfz-Stellen, Jugend-, Sozial- und Ausländerämtern sowie Baubehörden ergeben hat.
Laut SWR haben sich 1106 Ämter aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg beteiligt. Die Ergebnisse der Befragung wurden von der Universität Konstanz ausgewertet. Sie sind in der SWR Story "Amt am Limit - Der Staat vor dem Kollaps" (22. Oktober 2024/20.15 Uhr) im SWR zu sehen.
Der Rückstau wird immer größer
Demnach hat in den vergangenen fünf Jahren vor allem die Zahl der zu bearbeitenden Fälle insbesondere in Ausländerbehörden, Jugend- und Sozialämtern zugenommen. Bürgerbüros und Kfz-Ämter könnten Anträge hingegen effizienter bearbeiten, heißt es in der Auswertung der Konstanzer Experten.
"Ein sich aus diesen Entwicklungen ergebender steigender Rückstau von Fällen zeigt sich in mehr als einem Drittel der befragten Behörden", bilanziert die Arbeitsgruppe für Verwaltungswissenschaft der Uni Konstanz. Dabei sei die Zahl der Planstellen eigentlich gestiegen. Den geringsten Rückstau haben Bürgerbüros, den höchsten Ausländerbehörden und Jugendämter.
Die Behörden leiden laut Umfrage zudem durchgehend unter einem enormen Fachkräftemangel, von dem besonders Jugend- und Sozialämter sowie mittlere und größere Städte betroffen sind. Mehr als 90 Prozent der Befragten sehen den Bedarf an Know-how in ihren Ämtern, 70,8 Prozent sind überzeugt, es falle ihrer Behörde zunehmend schwer, qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen.
Druck am Arbeitsplatz macht krank
Die zunehmende Arbeitsbelastung hat laut Umfrage auch Folgen für die Psyche, für das Verhalten und die Arbeit der Beschäftigten in den Behörden. Diese suchen Strategien, um die hohe Arbeitslast zu bewältigen, darunter Weiterbildungen und bessere digitale Prozesse, es wird umstrukturiert und gezielt nach Quereinsteigern gesucht. Konsequenzen hat die Überlastung aber auch für die Dienstleistungen: Laut Studie dauert die Bearbeitung eines Vorgangs länger. Außerdem wird eher bearbeitet, was nach außen gut sichtbar ist oder schnelle Ergebnisse liefert.
Immer stärker lassen Kunden in der Verwaltung ihren Frust über solche Verzögerungen, über lange Warteschlangen oder Entscheidungen auch bei den Mitarbeitenden ab. Laut SWR-Umfrage berichten die meisten Behörden von Konflikten - auch ein Grund für die Überlastung. Gut ein Zwölftel der Behörden beschäftigen auch Sicherheitspersonal, zudem wird in Seminaren der richtige Weg zur Deeskalation gelehrt. dpa
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