Wiesbaden. Lange Autoschlangen vor dem Schultor. Parken in zweiter Reihe und Abschiedsszenen bei laufendem Motor. Dazu Kinder, die unaufmerksam aussteigen oder heikle Wendemanöver: Auch vor hessischen Schulen können Elterntaxis für Chaos und Gefahren sorgen. Auch wenn Elterntaxis gut gemeint seien, „den Kindern wird damit kein Gefallen getan“, sagt Cornelius Blanke, Sprecher des ADAC Hessen-Thüringen.
Zudem würden die regelmäßigen Hol- und Bringdienste noch ein weiteres Problem mit sich bringen: „Den Kindern wird die Möglichkeit genommen, sich eigenständig und sicher im Straßenverkehr zu verhalten.“ Denn: „Sie werden ja im Prinzip von der Rückbank direkt im Klassenzimmer abgesetzt“.
Zuletzt sorgte die Privatschule Phorms in Steinbach für Schlagzeilen, wo sich immer wieder Autoschlangen auf der Zufahrtsstraße bilden. „Natürlich haben wir einen Stau, morgens und am Nachmittag“, sagt Geschäftsführer Alexander Thoms. Aber: „Wir als Schule haben Verantwortung übernommen und bereits 2019 begonnen, einen Mobilitätsplan zu erstellen, um dem diversen Verkehrsaufkommen, Auto, Rad und Nahverkehr besser entgegenzutreten.“
Ein Problem sei aber auch der ÖPNV, da es zu einigen umliegenden Ortschaften keine direkte Verbindung gebe. Die Schule, die von etwa 600 Schülerinnen, Schülern und Kita-Kindern besucht wird, hat ein selbstorganisiertes Bussystem auf die Beine gestellt, dafür seien aber nur etwa zehn Prozent der Schülerschaft angemeldet. „Sollte die Zahl der Kinder steigen, werden auch mehr Busse eingesetzt“, sagt Thoms. Und – so betont er: Elterntaxis seien kein Privatschulenproblem.
Weit verbreitetes Phänomen
„Insbesondere an den Wiesbadener Grundschulen, aber auch an weiterführenden Schulen ist das Phänomen der Elterntaxis weit verbreitet“, heißt es etwa in der Landeshauptstadt. Dabei würden oft verbotswidrig die Zugangswege zu den Schulen blockiert, Kreuzungen, Gehwege und Feuerwehrzufahrten zugeparkt. Die Stadt habe an verschiedenen Schulen Halteverbote wegen Elterntaxis eingerichtet. Aber: Es zeige sich immer wieder, dass Eltern auch diese Verbote ignorierten.
Unterdessen war im vergangenen Jahr eine Studie bekannt geworden, wonach das seit 2017 verfügbare Schülerticket die Elterntaxis verringert. So würden 18 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit dem Ticket seltener mit dem Auto zum Unterricht gebracht oder von dort abgeholt, teilte das hessische Verkehrsministerium damals mit. Die Untersuchung basiert demnach auf Vertriebsdaten und Befragungen, die während der dreijährigen Einführungsphase des Tickets erhoben wurden.
Seit Jahren beklagen Expertinnen und Experten nicht nur in Hessen, dass viele Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren. Laut einer im vergangenen Herbst veröffentlichten Forsa-Befragung von Eltern und Lehrkräften, erlebten 11 Prozent der Grundschullehrkräfte in Deutschland im letzten Schuljahr so gut wie täglich und 19 Prozent wöchentlich vor ihrer Schule eine gefährliche Situation. Diese sei durch Eltern, die ihr Kind mit dem Auto brachten, entstanden. Diese Zahlen seien alarmierend, hieß es.
„Das Elterntaxi muss der Vergangenheit angehören“, forderten in diesem Zusammenhang das Deutsche Kinderhilfswerks, der ökologische Verkehrsclub VCD und der Verband Bildung und Erziehung. Viele Eltern und Lehrkräfte vermuten der Umfrage zufolge, dass Kinder aus Bequemlichkeit und aus Angst, das Kind alleine zur Schule gehen zu lassen, mit dem Auto gebracht werden.
Durch Überbehüten werde die Entwicklung des Nachwuchses zu selbstständigen Verkehrsteilnehmern verzögert, heißt es beim ADAC. Der Verkehrsclub rät, Kinder bereits in der ersten Klasse zur Schule gehen zu lassen, sofern der Schulweg sicher ist und mit den Kleinen vor dem ersten Schultag eingeübt wurde.
Viele Schulen würden entsprechende Wegpläne mit empfohlenen Routen oder Verhaltenstipps bereitstellen. Denn, so betont Sprecher Blanke: „Der kürzeste Weg ist oftmals nicht der beste.“ Stattdessen sollten möglichst Straßen mit wenig Verkehr, breiten Gehwegen und sicheren Überquerungsmöglichkeiten – wie Ampeln oder Zebrastreifen – genutzt werden.
Eine Möglichkeit zur sicheren Bewältigung des Schulweges ist laut ADAC der „Walking-Bus“, bei dem Kinder aus der Nachbarschaft die Strecke gemeinsam meistern – etwa mit älteren Kindern oder Geschwistern. Dies fördere den Spaß, die Kommunikation und Sozialkompetenz. Und nicht zuletzt würde die Bewegung auf dem Schulweg die Aufmerksamkeit im Unterricht fördern.
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