Regierungsbildung

Aus Rivalen werden Freunde

Vor den Parteitagen am Samstag stehen alle Zeichen auf Zustimmung für die neue Hessen-Koalition aus CDU und SPD

Von 
Gerhard Kneier
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Ministerpräsident Boris Rhein (CDU, l.) und der SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Günter Rudolph, haben die neue Koalition in Hessen geschmiedet. Rudolph könnte in der neuen Landesregierung Wirtschaftsminister werden. © Arne Dedert/dpa

Wiesbaden. Im Landtagswahlkampf traten Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) noch als erbitterte Rivalen um das Amts des Regierungschefs in Hessen gegeneinander an. Am Montag wollen sie dagegen in Wiesbaden einträchtig ihre Unterschrift unter einen gemeinsamen Koalitionsvertrag beider Parteien setzen und eine gute Zusammenarbeit in der künftigen Landesregierung geloben. Mit einer Zustimmung des SPD-Parteitags in Groß-Umstadt und des CDU-Landesausschusses in Frankfurt am Samstag zum Koalitionsvertrag wird fest gerechnet.

„Verdammt fair“

Zwar trägt der Vertrag auch in seiner jetzt nach einem Monat Verhandlungen vorgelegten Endfassung eine erkennbare Handschrift der CDU. Diese war bei der Landtagswahl am 8. Oktober mit 34,6 Prozent als deutliche Siegerin hervorgegangen. Die SPD kam dagegen mit nur noch 15,1 Prozent auf ihr bisher schlechtestes Ergebnis im einstmals „roten“ Hessen. Spitzenkandidatin Faeser bleibt wie für den Fall einer Niederlage angekündigt als Innenministerin im Bundeskabinett in Berlin. Gerade nach diesem tiefen Sturz freuen sich die Sozialdemokraten aber umso mehr, dass sie nach 25 Jahren Opposition trotzdem endlich wieder in die Landesregierung einsteigen dürfen.

Zu verdanken haben sie das Ministerpräsident Rhein, der nach fünf Wochen Sondierungen mit SPD und Grünen Mitte November seinem bisherigen Koalitionspartner den Laufpass gab und die schwarz-grüne Koalition im neuen Landtag für beendet erklärte. Nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen mit der SPD schwärmt der Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende jetzt, die Gespräche seien „freundschaftlich“ und „verdammt fair“ verlaufen. Nie hätte er sich träumen lassen, dass eine Koalition in Hessen eine Bundesratsinitiative für die Vorratsdatenspeicherung vereinbaren würde, die Faeser zwar unterstützt, aber in dem Vorhaben sowohl von den Grünen als auch der FDP ausgebremst wird.

Auch mit der Einigung auf „Rückführungsoffensive“, also verstärkten Abschiebung von Zuwanderern ohne rechtliche Bleibeperspektive, Maßnahmen der inneren Sicherheit, dem Festhalten am mehrgliedrigen Schulsystem einschließlich Notengebung und Sitzenbleiben sowie einer finanziellen Förderung für Wohneigentum kann Rhein zufrieden sein. Zugleich betonte er, die Verhandlungen mit der SPD seien auf Augenhöhe geführt worden, von einer Unterwerfung des kleineren Koalitionspartners könne keine Rede sein.

Ähnlich äußerte sich auch der SPD-Fraktionsvorsitzende und mutmaßliche neue Stellvertreter des Ministerpräsidenten, Günter Rudolph. Es finde sich viel sozialdemokratische Handschrift auf den 184 Seiten des Koalitionsvertrags. Anders sehen das die Jungsozialisten in der SPD, die ein Nein zu den Koalitionsvereinbarungen ankündigten.

Die Unterhändler der Partei verweisen auf Erfolge im Vertrag wie die Bindung der Vergabe öffentlicher Aufträge an Tariftreue, Geld für Investitionen zur Transformation der Wirtschaft und Maßnahmen gegen spekulativen Wohnungsleerstand. Bei der Verteilung der Ministerien kann die SPD für sich verbuchen, dass das bislang vom Grünen Tarek Al-Wazir geführte und jetzt ihr zustehende Wirtschaftsministerium nicht nur auch die Zuständigkeit für Wohnen, Energie und Verkehr behält, sondern noch die für den ländlichen Raum erhält.

Als Favorit dafür wird der 65-jährige Nordhesse Rudolph gehandelt, den Rhein nach den Koalitionsverhandlungen als „wichtige Brücke“ lobte, bei dem man wisse, dass ein Handschlag auch gelte. Dagegen soll das ebenfalls der SPD zustehende Sozialministerium um den zentralen Bereich Gesundheit gerupft werden, der zusammen mit Pflege, Familie, Senioren und Sport als neues Ressort an die CDU geht.

Kein Ministerium für Klimaschutz

Dass die Zahl der Minister dennoch bei elf bleibt, schafft die Koalition, indem die Staatskanzlei künftig nur noch von einem Staatssekretär geführt wird. Deren bisheriger Chef, Staatsminister Axel Wintermeyer (CDU), wird wohl mit einem anderen Ressort entschädigt. Das Ministerium für Wissenschaft und Kunst geht dagegen ebenfalls von den Grünen zur SPD. Für Landwirtschaft und Umwelt, Weinbau, Forsten Jagd und Heimat wird künftig ebenfalls ein Politiker oder eine Politikerin der CDU zuständig sein.

Dass dagegen der Klimaschutz in keinem Namen eines Ministeriums mehr vertreten sein wird, stieß auf Kritik sowohl der Grünen als auch der Umweltorganisation BUND. Ebenfalls an die CDU gehen die Ressorts Inneres, Justiz, Finanzen, Bildung, Digitales und Innovation sowie Bundesangelegenheiten, Europa und Entbürokratisierung.

Korrespondent

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