Stuttgart. Johannes Schmalzl, der Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart, wird deutlich: „Wir wollen doch nicht, dass der Neckar in ein Museum verwandelt wird.“ Genau das drohe dem Fluss aber, wenn die Bundesregierung ihre Pläne zur dringend notwendigen Verlängerung der 27 Neckarschleusen von 105 auf 135 Meter begrabe – und zunächst nur Geld für die Instandsetzung der Schleusentore zwischen Mannheim-Feudenheim und Plochingen in die Hand nehmen wolle.
Schmalzl: „Das wäre nun wirklich ein ganz großer und fataler Schildbürgerstreich.“ Schließlich koste die Schleusenerweiterung nur rund zehn Prozent mehr als die Sanierung des Status quo. Dieser entspreche aber nicht mehr den Anforderungen der modernen Binnenschifffahrt.
Der Verzicht auf die Schleusenverlängerung auf dem Neckar nehme dem Fluss jede Entwicklungsmöglichkeit. Denn heute würden überhaupt keine 105 Meter langen Schiffe mehr gebaut. Containerschiffe, die für die Zukunft der Wirtschaft von zentraler Bedeutung sind, hätten das Standardmaß 135 Meter.
Um der Forderung nach einem zeitnahen Ausbau der Neckarschleusen Nachdruck zu verleihen, hat nun die Union Europäischer Handelskammern (UECC), in der sich mehr als 60 IHK aus ganz Europa zusammengeschlossen haben, auf einer Tagung in Stuttgart eine Resolution verabschiedet. Darin werden die Europäische Kommission und die Bundesregierung aufgefordert, die bestehenden Pläne zum Ausbau und der Sanierung der deutschen Binnengewässer endlich umzusetzen. Angeschlossen hat sich auch die IHK Rhein-Neckar, deren Präsident Axel Nitschke UECC-Vizepräsident ist.
Der UECC-Präsident Christian Moser von der Wirtschaftskammer Niederösterreich macht deutlich: „Als wirtschaftlich bedeutender und nachhaltiger Verkehrsträger kann das Binnenschiff zur Reduktion der CO2-Emissionen und zum Klimaschutz beitragen.“ Er fügt hinzu: „Im Vergleich zu Straße und Schiene hat die Wasserstraße zudem als einziger Verkehrsträger noch Kapazitäten frei, um die steigenden Gütermengen bewältigen zu können.“
Vier Mal mehr Waren
Experten rechnen vor, dass nach dem Schleusenausbau auf dem Neckar vier Mal so viele Waren transportiert werden könnten wie heute. Der Binnenschifffahrt komme daher eine wichtige Rolle zu, diese habe die Politik aber wohl noch nicht erkannt. Die Herausforderungen könne die Schifffahrt aber nur meistern, wenn die Schiffbarkeit nicht nur auf den Hauptadern, sondern auch auf den Zuflüssen gewährleistet ist.
Aus Sicht der IHK Stuttgart spielt bei der Entscheidung vieler Unternehmen, ob sie ihre Transporte aufs Wasser verlagern wollen, die Zuverlässigkeit politischer Aussagen eine zentrale Rolle.
Johannes Schmalzl: „Der Wille, auf nachhaltige Transporte zu setzen, ist überall bei den von uns vertretenen Unternehmen vorhanden“, betont er: „Sie sind aber auf eine leistungs- und wettbewerbsfähige Logistikinfrastruktur angewiesen. Wenn in jeder Legislaturperiode bereits gesetzte Projekte wieder neu auf den Prüfstand gestellt werden, fehlt den Betrieben die notwendige Planungssicherheit für ihre langfristigen Standort- und Investitionsentscheidungen.“
Landesregierung unzufrieden
Das schade nicht nur der Binnenschifffahrt selber, sondern auch der wirtschaftlichen Entwicklung der von den Wasserstraßen abgehängten Regionen. Gerade für Stuttgart und die Region sei der angedachte Verzicht auf die Verlängerung der Schleusen geradezu fatal.
Unmut über die Überlegungen in Berlin hatte zuletzt auch die Landesregierung geäußert. Verkehrsminister Winfried Hermann beklagte, dass trotz einer Projektlaufzeit von bislang 14 Jahren noch keine Baumaßnahme an den 27 Neckarschleusen begonnen worden sei. Das Projekt sei für das Erreichen der Klimaziele und die Bedürfnisse der überregionalen Wirtschaft aber von größter Bedeutung.
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