Stuttgart. Als „schlank und schlagkräftig“ stuft Grünen-Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz den Nachtragshaushalt ein. Eher als vollschlank bewerten Kritiker das Zahlenwerk, das Ausgaben von 2,5 Milliarden Euro vorsieht. „Ungehemmtes Schuldenmachen“ kritisiert FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke und kündigt eine Verfassungsklage gegen die baden-württembergische Regierung an.
In der Nacht zum Mittwoch hatte sich die Haushaltskommission unter Leitung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf die Eckpunkte des Ergänzungshaushalts für das laufende Jahr geeinigt. Grüne und CDU kamen überein, noch einmal 1,2 Milliarden Euro Schulden aufzunehmen. Dafür sollen Ausnahmeregelungen in der Schuldenbremse genutzt werden.
Die zusätzlichen Kredite sind zweckgebunden für Maßnahmen der Pandemiebekämpfung und der Wiederankurbelung der Wirtschaft. Ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag ist zum Beispiel notwendig, um die Nachhilfeprogramme in den Schulen zu finanzieren. Kultusministerin Theresia Schopper (Grüne) konnte dazu die Weiterfinanzierung von 125 Lehrern erreichen.
Offen blieben bei der Vorstellung der Ergebnisse durch Schwarz und seinen CDU-Kollegen Manuel Hagel die Einzelheiten der Corona-Gelder. „Für einen Risiko-Puffer ist knapp die Hälfte vorgesehen“, sagte Schwarz. Die Pandemie sei noch nicht zu Ende. Dagegen legte Hagel Wert auf weitere Wirtschaftshilfen: „Wir wollen den Turbo zünden, damit das Land mit Schwung aus der Krise kommt.“
Nicht geklärt sind die Hilfsmaßnahmen für Städte und Gemeinden. Sehr schnell soll mit den Kommunen über einen neuen Rettungsschirm für den Nahverkehr verhandelt werden. Das derzeitige Programm läuft Ende Juni aus. Die Kommunen fordern zudem einen Ausgleich für ausbleibende Gewerbesteuern. Die Lücke wird auf 600 Millionen Euro beziffert.
95 neue Stellen für Ministerien
Mit dem Nachtragshaushalt finanzieren Grüne und CDU auch weitere Stellen im Regierungsapparat. Dabei geht es um Personal für das neu eingerichtete Bauministerium und die Mitarbeiter der zusätzlichen Staatssekretäre. Insgesamt würden im Bereich der Regierung 95 Mitarbeiter neu eingestellt.
Für SPD-Oppositionschef Andreas Stoch ist „nicht entscheidend, ob der Haushalt schlank oder vollschlank ist“. Jeder Euro, der in die Aufblähung des Regierungsapparats fließt, sei sinnlos. Dass je Schüler für die Aufholung der Lernrückstände rechnerisch nur 30 Euro zur Verfügung stünden, sei „angesichts der Herausforderungen geradezu lächerlich“. Nach Stochs Ansicht hätte die Koalition auf neue Kredite verzichten können.
Auch sein FDP-Kollege Rülke verwies auf die Rücklagen. In seinen Augen ist eine weitere Kreditaufnahme zum jetzigen Zeitpunkt „die blanke Verhöhnung der Bürgerinnen und Bürger“. Die Pandemie werde als Begründung für neue Schulden missbraucht, um selbst verursachte Haushaltslöcher zu stopfen. Die Erfolgsaussichten einer Verfassungsklage schätzt Kretschmann als „höchst unwahrscheinlich ein“.
Noch vor den Sommerferien soll der Landtag den Nachtrag verabschieden. Danach beginnt die Aufstellung des Etats für 2022.
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