Das Thema Wohnen wird für die Bürger in Baden-Württemberg immer mehr zu einem heißen politischen Thema. Schon lange brennt ihnen der Mangel an bezahlbarem Wohnraum unter den Nägeln. Nun sind sie im Krisenmodus. Der aktuelle BaWü-Check, eine Meinungsumfrage des Instituts Allensbach im Auftrag der Tageszeitungen in Baden-Württemberg, die dieses Thema in den Mittelpunkt gerückt haben, liefert hier unmissverständliche Ergebnisse.
Es gibt dabei durchaus ein Paradox: Während die Mehrheit der Menschen sich um die Lage auf dem Wohnungsmarkt sorgt, sind ebenfalls klare Mehrheiten mit ihrer aktuellen Wohnungssituation zufrieden, teilweise sogar sehr zufrieden. Es überwiegt allerdings der Eindruck, dass die Politik im Land nicht genügend insbesondere für das bezahlbare Bauen und Wohnen tut.
Generelles Gefühl der Krise
Insgesamt hat sich der Blick der Bürger auf die Zukunft nach einem durch den Ukraine-Krieg provozierten Stimmungstal und einem anschließenden Zwischenhoch in der ersten Jahreshälfte 2023 wieder deutlich verdüstert: Zwischen Juli und September ist der Anteil der Menschen, die optimistisch auf die kommenden zwölf Monate blicken, deutlich von 34 auf 29 Prozent zurückgegangen. Umkehrt sehen nun 33 Prozent der Menschen skeptisch in die Zukunft. Im Sommer waren es 28 Prozent.
Das sind Werte, wie es sie zuletzt nach Ausbruch des Ukraine-Krieges gab. Damals verharrte der Anteil der Optimisten über mehrere Monate bei nur knapp einem Viertel, bevor er sich um die Jahreswende erholte.
Die Schlagzeilen der vergangenen Monate, aber auch der schon seit vielen Jahren vor allem in den Städten und den Ballungsräumen bekannte Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum, sind für die Bürger im Land zunehmend eines der drängendsten Probleme überhaupt.
Die Tatsache, dass etwa bei Einfamilienhäusern sich die Zahl der Neubauten fast halbiert hat, hat sich herumgesprochen. 85 Prozent der Befragten halten bezahlbaren Wohnraum für schwer zu finden, ein Drittel sagt sogar, dies sei sehr schwer. Ganze sechs Prozent halten das für eine leichte Aufgabe. Und das ist der Durchschnitt aus Stadt und Land.
Ein auf den ersten Blick widersprüchliches Ergebnis ist, dass gleichzeitig die allermeisten Menschen mit ihren Wohnverhältnissen zufrieden sind. 82 Prozent sagen das von sich selbst. Bei Wohnungseigentümern sind es sogar 91 Prozent. Bei Mietern liegt die Zufriedenheit mit 74 Prozent niedriger. Hier sagen auch nur 14 Prozent, sie seien sehr zufrieden. Bei Eigentümern sind das hingegen immerhin 46 Prozent. Allerdings finden 41 Prozent der 30- bis 44-Jährigen, dass sie mehr Platz zum Wohnen gebrauchen könnten – bei den über 60-Jährigen sagen es nur zwölf Prozent.
Die Schlussfolgerung: Zwischen Menschen, die Wohnungen haben, und denjenigen, die aktuell eine suchen, klafft ein tiefer Graben. Aber auch diejenigen, die insgesamt in sehr passablen Verhältnissen wohnen, fühlen sich stark verunsichert. Entscheidend für die aktuelle Krisenstimmung ist also viele nicht die aktuell für sie persönlich prekäre Lage, sondern eher die Angst davor, diese Sicherheit zu verlieren.
Drückende Wohnnebenkosten
Ein auch Menschen in sicheren Wohnverhältnissen belastender Faktor sind vor allem die gestiegenen Kosten des Wohnens. 57 Prozent der Mieter und 52 Prozent der Eigentümer empfinden die Belastung als groß oder sogar sehr groß. Nur ein bisschen besser sieht es bei den Haus- und Mietkosten aus. Auch hier sehen sich mehr als die Hälfte der Mieter betroffen. Der Unterschied zu den Eigentümern, bei denen eine Mehrheit sich nicht so belastet fühlt, ist hier allerdings größer als beim Thema Nebenkosten.
In einem sind sich die Bürger beim Thema Wohnen einig: Die Politik hat ihrer Meinung nach versagt. Fast zwei Drittel der Befragten sind mit der Landesregierung beim Thema Bauen und Wohnen weniger oder gar nicht zufrieden. Die Zahl der sehr Zufriedenen kommt nur auf ein Prozent. Auch lediglich 17 Prozent zeigen sich immerhin prinzipiell zufrieden. Aber was soll die Politik tun?
Ganz oben auf der Wunschliste der Bürger: Fast zwei Drittel fordern ausdrücklich von der Politik, eine Mietpreisbremse als Krisenmaßnahme zu etablieren. Sie gilt in Baden-Württemberg aktuell in 89 Städten und Gemeinden. Wenn man nicht so konkret, sondern allgemein danach fragt, ob man eine solche Bremse für gut hält, ist die Zustimmung mit 71 Prozent sogar noch größer. Nur zehn Prozent halten sie für keine gute Sache.
Laut einer Mehrheit der Bürger soll der Staat auch mehr Steuergeld in den sozialen Wohnungsbau stecken. 54 Prozent fordern hier mehr Mittel. Ähnlich ist das Ergebnis beim Thema Entbürokratisierung. 55 Prozent der Bürger fordern schnellere Baugenehmigungen. Andererseits ist die Zurückhaltung größer, wenn es um die Frage geht, ob Häuser und Wohnungen nach gelockerten Vorschriften gebaut werden sollen. Hier sind nur 37 Prozent dafür.
Dies passt zum Bild, dass die Bürger bislang wenig bereit sind, zugunsten von mehr Wohnraum bei der Qualität des eigenen Lebens- und Wohnumfelds Abstriche zu machen, etwa beim Ausweisen neuer Baugebiete oder Bebauungspläne.
Entgegen dem Eindruck, den die Debatte über das Heizungsgesetz hinterlassen hat, sind die Bürger offenbar durchaus bereit, Bauvorschriften zugunsten des Umwelt- und Klimaschutzes zu akzeptieren. In der Umfrage wurde konkret nach der vom Land etablierten Solardachpflicht gefragt. Die Hälfte der Bürger befürwortet diese Pflicht, ein Drittel ist dagegen.
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