Wiesbaden/Wetzlar. An den Nilgänsen scheiden sich die Geister: Die einen sehen in ihnen eine nervende Plage, die Parks mit Kot verdrecken und andere Tiere lautstark vertreiben. Andere freuen sich an den gackernden Vögeln – und füttern sie mit Brot, Brötchen oder Brezel. Damit tun sie den ursprünglich aus Afrika stammenden Vögeln, die sich auch in Hessen immer mehr ausbreiten, nichts Gutes, wie Oliver Weirich, Vogelschutzbeauftragter für Wiesbaden, erklärt.
Im Wiesbadener Park „Warmer Damm“ zeigt er auf eine Nilgans, die am Rand eines Gewässers entlang watschelt. Ihre Flügel stehen an beiden Seiten nach außen ab und hängen nach unten. „Kippflügel“, sagt der Fachmann und führt aus: „Wahrscheinlich verursacht durch eine unnatürliche Fütterung mit zu viel Eiweiß.“
Zwar gibt es laut Weirich keine Studien darüber, ob eine solche Behinderung aus der Fütterung mit Backwaren resultiert. Es sei jedoch wahrscheinlich, da fast nur Nilgänse in Parkanlagen betroffen seien. Das bestätigt der stellvertretende Landesvorsitzende des Naturschutzbundes Nabu in Wetzlar, Bernd Petri: „Wo Nilgänse nicht gefüttert werden, tauchen Kippflügel nicht auf.“ Auch andere Wasservögel können von einer solchen Fehlbildung betroffen sein.
Diese entstehen bereits im zarten Alter von wenigen Wochen, wenn vermutlich wegen der energiereichen Fütterung die Schwungfedern zu schnell wachsen. Die Muskeln, Knochen, Sehnen und Bänder sind dagegen noch schwach, sie können die Federn nicht halten, sodass diese abkippen.
Für die behinderte Nilgans hat das gravierende Auswirkungen: Sie ist im schlimmsten Fall fluguntauglich und kann nicht kämpfen – damit wird es mit der Partnersuche und der Behauptung eines Reviers schwierig.
Organe verändern sich
Auch ansonsten hat die falsche Fütterung üble Auswirkungen auf die Tiere, die sich in der Natur sehr abwechslungsreich, etwa mit Getreidekörnern, Gräsern, Samen, Gemüse, Insekten oder Würmern ernähren. „Die Fehlfütterung führt zu einer ganzen Reihe an Krankheiten, auch mangelt es den Tieren an Vitaminen und Mineralstoffen, zudem verändern sich die Verdauungsorgane“, zählt der Nabu-Experte Petri auf. Er plädiert für Fütterungsverbote in den Parks, „die auch durchgesetzt werden“.
In den Wiesbadener Parkanlagen stehen an den Teichen entsprechende Verbotsschilder. Ssie sind auf Anregung von Weirich aufgestellt worden. Große Auswirkungen haben sie laut seiner Beobachtung nicht. Früher hat er die fütternden Menschen angesprochen und informiert. Dabei sei er auf ganz unterschiedliche Leute und Motive getroffen, wie er sagt. Manche kamen mit ihren Kindern gezielt zum Füttern in den Park, andere vertrieben sich bei den Gänsen ihre Einsamkeit. Oder die Menschen hatten sich eine Brezel gekauft und diese als freundliche Geste mit den Gänsen geteilt. Mittlerweile spricht Weirich keinen mehr an, es seien einfach zu viele, sagt er: „Wenn ich mit einem gesprochen habe, sehe ich schon den nächsten. Es ist schon bitter, ein Kampf gegen Windmühlen.“ lhe
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