Wiesbaden. Baustellen gab es genug für den ersten hessischen „Versorgungsgipfel“ zum Gesundheitswesen am Freitag in der Wiesbadener Staatskanzlei: die anstehende große Krankenhausreform des Bundes, die natürlich auch Hessen trifft, Fachkräftemangel und steigende Kosten in der Pflege sowie der anhaltende Mangel an bestimmten Arzneimitteln in der Apotheke. Grund genug für die Landesregierung, die Themenpalette für den ursprünglichgeplanten reinen „Krankenhausgipfel“ entsprechend zu erweitern.
Dass sich die Probleme nicht isoliert und schon gar nicht schnell lösen lassen, war absehbar. Und bei rund 50 Wortmeldungen reichte die angesetzte Zeit bei der ersten sektorenübergreifenden Konferenz mit Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Sozialminister Kai Klose (Grüne) nicht einmal aus. Vier Stunden saßen die wichtigsten Akteure des Gesundheitswesens zusammen und waren sich immerhin darüber einig, dass erheblicher Reformbedarf besteht und die Probleme wenn irgend möglich gemeinsam angegangen werden müssen.
Neue Aufgabenverteilung
Die 25 anwesenden Vertreter von Landesregierung, Krankenhäusern, Ärzteschaft, Apothekern, Krankenkassen, Pflegeanbietern, Kommunen, Gewerkschaften und Gesundheitsindustrie erzielten auch inhaltlich schon Annäherungen. Dazu gehört, dass sich die strikte Trennung von ambulanter Versorgung der Patienten bei niedergelassenen Ärzten und stationärer Aufnahme im Krankenhaus auf Dauer nicht mehr durchhalten lässt. Sowohl der Präsident der hessischen Krankenhausgesellschaft, Christian Höftberger, als auch der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung im Land, Frank Dastych, plädierten für ein Aufgeben dieses Grundsatzes.
Dastych verwies auf den Fachkräftemangel sowohl beim ärztlichen als auch beim sonstigen Personal im Gesundheitswesen. Da bleibe nichts anderes übrig, als die knappen Ressourcen neu zu verteilen. „Im Ergebnis bedeutet dies, dass wir dieses Personal außerhalb der ambulanten Versorgung nur noch in Strukturen und Umfängen einsetzen können, die unverzichtbar sind“, folgert Ärztevertreter Dastych unumwunden. Und Höftberger von der Krankenhausgesellschaft fügt hinzu: „Wir denken immer noch zu starr in Sektoren, anstatt sektorenübergreifend – das heißt ambulant, stationär und auch rettungsdienstlich – das Beste aus dem Gesundheitssystem zum Wohle aller Patientinnen und Patienten herauszuholen.“
Nach einem Ende aller Sparbemühungen hört sich das nicht gerade an. Doch gerade bei der geplanten Krankenhausreform wollen die Praktiker auch verhindern, dass der Bund ohne ihre Beteiligung allzu forsch vorgeht. Rhein und Klose signalisierten, dass Hessen einen Eckpfeiler des Vorhabens von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mitträgt: neben den Fallpauschalen künftig auch das Vorhalten von Leistungen der Kliniken bei der Krankenhausfinanzierung zu berücksichtigen. Doch der Teufel liegt bekanntlich im Detail, und so versprachen die Regierungsvertreter, die auf dem Gipfelvorgetragenen Anregungen auch bei den Beratungen in Berlin zu Gehör zu bringen.
Eine ähnliche Runde aller Beteiligten ist bislang in Berlin nicht geplant. Umso dankbarer nahmen Dastych und Höftberger die breite Beteiligung in Hessen auf und äußerten diese auch auf der anschließenden Pressekonferenz. Rhein und Klose wiederum pochten auf eine aktive Einbeziehung der Länder bei den Plänen des Bundes. Eine Reform des Systems werde nur gelingen, wenn Bund und Länder an einem Strang ziehen.
Bund soll Geld in die Hand nehmen
Die Rahmenbedingungen müssten so gesetzt werden, dass eine an Qualitätsvorgaben orientierte Krankenhausplanung der Länder um eine verbesserte Betriebskostenfinanzierung ergänzt werde. Sprich: Der Bund soll Geld in die Hand nehmen, damit eine wohnortnahe Krankenhausversorgung auch in Zukunft gesichert bleibt.
Auch bei der Pflege tritt die hessische Landesregierung für weitreichende Veränderungen ein. Die Rede ist von einer strukturellen Reform. Dazu müssten die Anstrengungen zur Fachkräftesicherung verstärkt und die Attraktivität des Pflegeberufs erhöht werden. Zugleich sollen aber auch die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen entlastet werden.
Schließlich geht es noch um den Mangel an Arzneimitteln, von Fiebersaft für Kinder bis zu Medikamenten für Krebs- und chronisch Kranke. Ob das im Bund geplante Gesetz für höhere Preise bei der Pharmaindustrie ausreicht, ist offen. Eine starke und innovative Pharmaindustrie und ein ausreichend dichtes Netz an Apotheken seien als Mittel gegen Versorgungsengpässe nötig, hieß es nach dem Gipfel.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/politik_artikel,-laender-mammutaufgaben-im-gesundheitswesen-_arid,2078507.html