Mainz. „Die besten Zimmer sind für Offiziersquartiere zur Verfügung zu stellen“ – vor rund 100 Jahren gab es für die Bad Kreuznacher die klare Ansage, Platz zu schaffen für französische Besatzungssoldaten. Die zu Offiziersquartieren bestimmten Zimmer seien ab 11.00 Uhr zu heizen, hieß es weiter in der Verfügung des Bürgermeisters vom 8. Dezember 1918. Die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg unter französischer und amerikanischer Militärverwaltung im heutigen Gebiet von Rheinland-Pfalz beleuchtet die Ausstellung „Der gescheiterte Friede“. Je nach Entwicklung der Corona-Pandemie könnte sie ab Mitte Februar in Speyer gezeigt werden.
„Man kam miteinander aus“
„Die Kultur lebt und bereitet sich ganz intensiv vor auf die Zeit, in der sie auch wieder nach draußen wirken kann“, sagte Kulturstaatssekretär Denis Alt (SPD) über das Ausstellungsprojekt des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz in Zusammenarbeit mit der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz. Die historische Schau ist der dritte Teil eines Reigens mit Ausstellungen zum Ersten Weltkrieg im heutigen Gebiet von Rheinland-Pfalz und zur amerikanischen Besetzung von 1918 bis 1923. Finanziell unterstützt wurde sie von der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur.
„Wir zeigen in der Ausstellung, dass das Scheitern der Friedenslösung in der Weimarer Republik nicht unausweichlich war“, sagt die Historikerin Ute Engelen im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Wir haben bei unseren Nachforschungen viele Aspekte entdeckt, die auf versöhnliche Beziehungen zu den Besatzungssoldaten hinweisen.“ Anfang 1919 waren im Rheinland etwa 950 000 Soldaten stationiert – neben 250 000 Amerikanern vor allem französische, belgische und britische Truppen. Nach dem Versailler Friedensvertrag blieben 85 000 Franzosen und 19 000 Amerikaner.
„Eine zwangsweise Einquartierung war unangenehm“, erklärt Engelen. „Keiner mochte einen fremden Soldaten im Haus haben, aber damit verband sich auch Chance zum Begegnen und Kennenlernen der anderen Kultur.“ Viele Geschichtsbücher zeichnen ein Bild der Zeit, das von Propaganda der unterschiedlichen Seiten geprägt ist. „Wir haben versucht, auch persönliche Wahrnehmungen in den Blick zu nehmen, wie sie etwa in Briefen und Tagebüchern zu finden sind.“
Berührungspunkte konnten etwa deutsche Wurzeln von amerikanischen Soldaten sein oder der Versuch der französischen Militärverwaltung, an das kollektive Gedächtnis der napoleonischen Zeit anzuknüpfen, als weite Teile der Region zu Frankreich gehörten. Auch hegte Frankreich die Hoffnung, regionale Unabhängigkeitsbestrebungen zu einem eigenen Rheinstaat als Puffer zu Deutschland nutzen zu können. Der Katalog zur Ausstellung dokumentiert solche Bestrebungen etwa in der Pfalz und an der Mosel.
„Insgesamt kam man miteinander aus“, sagt Engelen zum Verhältnis zwischen Soldaten der Siegermächte und der Bevölkerung am Rhein. So zeigt das Foto einer Weinprobe in Plaidt (Kreis Mayen-Koblenz), wie Amerikaner und Dorfbewohner an einem Tisch sitzen. Mit der Besetzung von Teilen des Ruhrgebiets von 1923 bis 1925 verhärteten sich die Beziehungen. lrs
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