Washington. Auch wenn er wegen eines Sturzes vom Fahrrad gehandicapt ist und nach einer Knie-Operation noch in den Niederlanden weilt, zeigt Jack Smith seinem künftigen Gegenspieler in Washington auf dem Postweg bereits die Grenzen auf.
In seiner neuen Funktion als vom US-Justizminister eingesetzter Sonderermittler gegen Ex-Präsident Donald Trump fegte der Staatsanwalt Versuche von Trumps Anwälten vom Tisch, die Untersuchungen wegen rund 13 000 teils hochsensibler Dokumente und Staatsgeheimnisse weiter zu verschleppen. Sie waren im Sommer in Trumps Privatresidenz Mar-a-Lago während einer gerichtlich angeordneten FBI-Razzia sichergestellt worden. Trump hatte die Papiere mitgenommen und trotz mehrfacher Aufforderung des National Archives für sich behalten.
„Nichts davon ist wahr“, lautete der Schlüsselsatz Smiths in einer Replik an ein Berufungsgericht in Washington, die für Aufsehen sorgte, weil sie so kurz und schroff war. Trump revanchierte sich drastisch. Auf seinem Kurzmitteilungsdienst „Truth Social“ griff der 76-Jährige den parteilosen Karriere-Juristen scharf an. Smith sei ein „Trump-Hasser und ein politischer Auftragskiller“, der „total kompromittiert“ sei und aufgrund seiner Voreingenommenheit nicht mal in die Nähe des Justizministeriums gelassen werden dürfe.
Noch bevor Smith in den nächsten Wochen nach ausgiebiger Tätigkeit für ein Sondergericht in Den Haag wieder amerikanischen Boden betreten wird, überzog Trump ihn und dessen ganze Familie mit pauschalen Anwürfen, die an Verleumdung grenzen.
Smith hat auf die Attacken bisher nicht reagiert. Sie dürften nur ein lauwarmer Vorgeschmack auf das sein, was ihm droht, falls er Justizminister Merrick Garland irgendwann auf der Strecke von Januar 2023 bis vermutlich Anfang 2024 empfehlen sollte, was es in Amerika so noch nie gegeben hat: Strafrechtlich Anklage zu erheben gegen einen ehemaligen Präsidenten, der sich anschickt, in zwei Jahren erneut die republikanische Kandidatur für das Weiße Haus zu erringen.
Zwei Tatkomplexe
Dazu sind zwei Tatkomplexe, über die bereits sehr viel bekannt und vorermittelt ist, in seine Hände gelegt. Neben dem Dokumentenskandal, bei dem top-geschützte Dokumente in Trumps Privatdomizil gelangten, ist das die Rolle Trumps als Ideengeber und heimlicher Regisseur des blutigen Sturms auf den Kongress in Washington am 6. Januar 2021.
Ein von den Demokraten initiierter Untersuchungsausschuss, an dem nur zwei Republikaner teilnehmen, hatte über Monate Beweise für Trumps Beteiligung an dem Kapitol-Sturm zutage gefördert.
Gerät er ins Straucheln?
Über 1000 Zeugenbefragungen ergaben, dass Trump eindeutig der Antreiber war, um das Wahlergebnis von 2020 nachträglich zu manipulieren und die Zertifizierung von Joe Biden als neuen Präsidenten von einem gewalttätigen Mob hintertreiben zu lassen. Mit dem Mehrheitswechsel im Repräsentantenhaus zugunsten der Republikaner wird das Gremium Anfang Januar 2023 eingestampft.
Die Zeichen stehen auf Anklage. Das sagen nicht nur Demokraten, die sich erhoffen, dass Trump darüber auf dem Weg zur Kandidatur unrettbar strauchelt. Nein, das sagen auch führende Republikaner. Etwa Trumps ehemaliger Justizminister Bill Barr. Der Vorgänger des derzeitigen Amtsinhabers Garland hatte sich, wenn auch spät, mit dem krachledernen Satz vernehmen lassen, dass Trumps Behauptung von der 2020 „gestohlenen Wahl“ von A bis Z „bullshit“ gewesen sei. Erst vor wenigen Tagen setzte Bill Barr im TV-Sender PBS nach und erklärte, dass Justizminister Merrick Garland „sehr wahrscheinlich die Grundlage dafür hat, Trump berechtigterweise anzuklagen“.
Jack Smith bringt den Blick von außen ein. Schließlich hat er viele Jahre in Den Haag gearbeitet, um Gräueltaten während der Balkankriege aufzuklären. Insider aus dem Maschinenraum des „Department of Justice“ (DOJ) sind überzeugt: Es wird nur dann Anklage erhoben, wenn man sich eines Erfolges sicher ist. Sprich: einer Verurteilung.
Ob es aber jemals dazu kommen wird, ist heute reine Spekulation. Angenommen, die Klage wird zugelassen, möglichst weit vor dem Urnengang 2024, um nicht als Wahlkampfhilfe für die Demokraten zu gelten, könnte Trump einen „plea deal“ eingehen - vereinfacht gesagt: Haftverschonung gegen Schuldeingeständnis. Denkbar ist aber auch, dass sich in einem Prozess einer von zwölf Geschworenen als Trump-Fan herausstellt, das Prinzip der Einstimmigkeit sprengt und den New Yorker Immobilien-Unternehmer so davonkommen lässt. Auch nicht ganz von der Hand zu weisen ist die letzte Option: Trump holt die Kandidatur, gewinnt 2024 die Wahl - und begnadigt sich selbst. Jack Smith behagt diese Perspektive dem Vernehmen nach überhaupt nicht.
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