Türkei

Erdogan verschärft Israel-Kritik

Hunderttausende bei Solidaritätskundgebung für Palästinenser. Präsident kündigt Anklage wegen Kriegsverbrechen an

Von 
Gerd Höhler
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Massenkundgebung am Atatürk-Flughafen. © Tolga Ildun/ZUMA Press Wire/dpa

Istanbul. Erdogan hatte gerufen, und seine Anhänger sind zu Hunderttausenden gekommen. Bei einer Massenkundgebung auf dem Gelände des früheren Istanbuler Flughafens Atatürk demonstrierte der türkische Staatschefs Recep Tayyip Erdogan am Samstagnachmittag seine Solidarität mit den Palästinensern und verschärfte seine Kritik an Israel. „Wir werden Israel vor der ganzen Welt als Kriegsverbrecher anklagen“, kündigte Erdogan an.

Westen als Hauptschuldiger

„Israel begeht seit 22 Jahren Kriegsverbrechen, aber die westlichen Führer rufen nicht einmal zu einer Waffenruhe auf“, sagte der türkische Präsident. „Der Hauptschuldige hinter den Massakern, die sich in Gaza abspielen, ist der Westen“, so Erdogan. An die Adresse Israels gerichtet rief er: „Der Westen steht in eurer Schuld, aber die Türkei schuldet euch nichts. Deshalb sprechen wir, ohne zu zögern, Klartext.“

Israel könne seine „Grausamkeiten nur begehen, weil es die Unterstützung des Westens hat“, sagte Erdogan. Er wiederholte, dass die Türkei die Hamas nicht als Terrororganisation betrachte, sondern als „Befreiungsbewegung“. Erdogan hatte führenden Figuren der Hamas zuvor türkische Pässe ausstellen lassen und beherbergt sie in der Türkei. Israel nannte er in seiner Rede eine „Besatzungsmacht“. Erdogan kritisierte die türkischen Oppositionsparteien, weil sie zögerten, den israelischen Premierminister Netanjahu als „Terroristen“ zu bezeichnen.

Die Antwort aus Israel ließ nicht auf sich warten: Am Samstagabend rief das israelische Außenministerium seine Diplomaten aus der Türkei zurück. Außenminister Eli Cohen schrieb auf der Plattform X: „Angesichts der Erklärungen aus der Türkei habe ich die Rückkehr aller unserer diplomatischen Vertreter und eine Überprüfung der Beziehungen zwischen Israel und der Türkei angeordnet.“

„Wir sind alle Palästinenser“

Veranstalter des „Großen Palästina-Treffens“, war Erdogans islamisch-konservative Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP). Erdogan selbst hatte über die sozialen Medien die Nation zur Teilnahme an der Veranstaltung aufgerufen. Begrüßt wurden Erdogan und seine Frau Emine von einem Meer aus türkischen und palästinensischen Fahnen. Viele Teilnehmer trugen Stirnbänder mit Aufschriften wie „Wir alle sind Palästinenser“.

Erdogans Parteinahme für die Hamas ist aber in der Türkei nicht unumstritten. Das zeigt eine in der vergangenen Woche veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Metropoll. Danach sagten nur elf Prozent der Befragten, sie unterstützten die Hamas. 34 Prozent meinten, die Türkei solle Neutralität wahren. 27 Prozent sagten, ihr Land solle vermitteln.

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