Moskau. Wladimir Putin macht das, was er immer wieder tut: Er droht mit seinen Atomwaffen. Im russischen Fernsehen kündigt er die Stationierung taktischer nuklearer Raketen im Nachbarstaat Belarus an, das längst Teil von Putins strategischer Einflusssphäre ist. Das Brisante: Belarus grenzt an die Ukraine – und an die Nato-Staaten Polen und Litauen. Was bedeutet diese Eskalation? Antworten auf wichtige Fragen.
Was hat Präsident Putin genau angekündigt?
In Belarus sollen mit taktischen Atomsprengköpfen bestückbare Iskander-Raketen stationiert werden. Das Training beginnt in Belarus am 3. April. Die Bunkerdepots für die mit atomaren Sprengköpfen bestückbaren Iskander-Raketen sollen am 1. Juli fertiggebaut sein. So verkündete es Putin nun, wie so oft, im Staatsfernsehen.
Seit Beginn des Krieges dient Belarus Russland als Aufmarschgebiet. Tatsächlich hat das Regime um Diktator Lukaschenko schon unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffs im Februar 2022 in einem staatlich manipulierten Referendum politisch den Weg für die Stationierung russischer Atomraketen frei gemacht. Putins Schritt jetzt war erwartet worden. Nuklear bestückte Iskander-Raketen sind sogenannte taktische Atomwaffen. Also Waffen mit kürzerer Reichweite und weniger Sprengkraft als strategische Atomwaffen, die mit Interkontinentalraketen eine Reichweite von knapp 6000 Kilometern erreichen. Iskander-Raketen zählen zu den modernsten russischen Kurzstreckenraketen. Die Reichweite wird mit mehreren Hundert Kilometern angegeben. Damit könnten sie theoretisch die baltischen Hauptstädte und auch Warschau erreichen.
Wie ernst ist die Bedrohung für den Westen?
Es ist zunächst vor allem eine Machtdemonstration Russlands – und weniger eine direkte Angriffsdrohung an den Westen und die Nato. Dass Russland diese Waffen auch einsetzt, ist unwahrscheinlich. Einen möglichen Ersteinsatz von Atomwaffen hat Putin bislang stets dementiert. „Die Ankündigung der Stationierung taktischer Nuklearwaffen in Belarus ist irrelevant für das Risiko einer Eskalation zu einem Atomkrieg, das nach wie vor äußerst gering ist“, schreibt das US-Institut für Kriegsstudien (ISW).
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen reagiert ebenfalls gelassen. Die Stationierung der Atomraketen in Belarus stelle „keine zusätzliche Bedrohung für Europa dar, sondern ist ein weiterer Versuch der Einschüchterung, die nicht zuletzt auf die deutsche Bevölkerung gerichtet ist“. Die auch Deutschland bedrohenden Atomwaffen habe Putin bereits seit längerem in Kaliningrad stationiert. Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), sagte: „Nukleare Drohungen gehören seit Beginn des russischen Angriffskriegs zum Repertoire des Kreml.“ Es gebe allerdings weiterhin keine Hinweise darauf, dass Russland seine Atomwaffen tatsächlich einzusetzen plane. Russland-Experte Nico Lange kommt zu dem Schluss, dass die Ankündigung der Stationierung vor allem zeige, wie Putin „parallel zu seinem Angriff auf die Ukraine die Einverleibung von Belarus forciert“.
Weniger gelassen reagiert die Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). Der Plan von Putin sei eine „extrem gefährliche Eskalation“, heißt es von der Organisation, die 2017 den Friedensnobelpreis erhielt. Politische Fehleinschätzungen oder militärische Manöver könnten schnell zu schwer kalkulierbaren Risiken führen.
Bedeutet der Plan, dass Putin mit dem Rücken zur Wand steht?
Ganz im Gegenteil. Nach dem Staatsbesuch von Xi Jinping vergangene Woche in Moskau handelt Putin aus einer Position der Stärke heraus. Gas und Öl will man nach China exportieren, von dort sollen verstärkt Konsumgüter nach Russland kommen. Damit würden die Sanktionen des Westens möglicherweise verpuffen. Auch „militärisch-technisch“ will Russland mit China zusammenarbeiten. Über offizielle Waffenlieferungen ist nichts bekannt. Russland will zudem seine Rüstungsproduktion hochfahren. „Die Gesamtzahl der Panzer der russischen Armee wird die der ukrainischen um das Dreifache übertreffen, sogar um mehr als das Dreifache“, so Putin. Sein Land wolle 1600 neue Panzer bauen und modernisieren.
Zugleich gilt: Russlands Armee verzeichnet keine deutlichen Geländegewinne in der Ukraine. Der Krieg ist in einem Stellungskrieg eingefroren, die angekündigte russische Frühjahrsoffensive blieb ohne entscheidenden Sieg. Zugleich ist der Schaden in der Ukraine wie auch im russischen Militär enorm.
Sind die Urangranaten, die Großbritannien der Ukraine liefern will, nicht auch Atomwaffen?
Nein, ihr Kern besteht aus abgereichertem Uran, das zu wenig Radioaktivität für eine Nuklearexplosion enthält. Abgereichertes Uran ist ein Abfallprodukt bei der Herstellung von Kernbrennstäben. Uran ist ein sehr schweres Metall, die Geschosse mit abgereichertem Uran haben daher eine besondere Durchschlagskraft, etwa um Panzer zu zerstören. Die britische Armee verwendet nach eigenen Angaben seit Jahrzehnten abgereichertes Uran in ihren panzerbrechenden Geschossen. Das Verteidigungsministerium in London warf Putin Falschinformation vor, nachdem dieser von einer „nuklearen Komponente“ gesprochen und eine Gegenreaktion angekündigt hatte.
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