Rauchen - EU-Richtlinie für Zigarettenpackungen heute im Bundestag / Krebsforschungszentrum: Zusammen mit Warnhinweisen wirksam

Gute Erfahrung mit Schockfotos

Von 
Andrea Tebart
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Eine spanische Zigarettenpackung warnt: "Rauchen ruft tödlichen Lungenkrebs hervor", unterlegt mit dem Bild einer Raucherlunge.

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Berlin/Heidelberg. Rauchen soll noch unattraktiver gemacht werden. So will es eine EU-Richtlinie von 2014. Mit großen, schockierenden Fotos, die zwei Drittel der Vorder- und Rückseite auf Zigaretten-Verpackungen einnehmen. Wenn der Bundestag heute zustimmt, tritt das Gesetz zum 20. Mai in Kraft, womit die zeitliche Vorgabe der EU erfüllt wäre.

Doch die Tabakindustrie will unbedingt, dass die Abgeordneten den Termin um zwölf Monate hinausschieben. Mit der Begründung, gerade mittelständische Zigarettenhersteller hätten Schwierigkeiten, diese Neuerungen druck- und verpackungstechnisch umzusetzen. Das ergab in der letzten Woche die öffentliche Anhörung im Landwirtschaftsausschuss, in dem sechs Experten Fragen zur Tabakprodukt-Richtlinie beantworteten. Ihre Bewertung fiel sehr uneinheitlich aus. Anders als die anwesenden Experten, die die Interessen der Tabakindustrie vertraten, plädierten die drei Gesundheitsexperten hingegen für eine sofortige Umsetzung der EU-Richtlinie.

Unabhängig davon, wie die Abstimmung im Bundestag ausfällt, in beiden Fällen dürfen Hersteller jeweils ein Jahr länger die alten Verpackungen verkaufen und diese auch auf Vorrat produzieren. Vorausgesetzt, die Unternehmen zahlen die darauf sofort anfallende Tabaksteuer.

Was bewirken Schockbilder? Früher oder später werden die Fotos auf den Verpackungen erscheinen. Aber wie wirken diese denkbar abstoßenden Bilder auf Raucher? Ob Karzinom, Raucherlunge, offener Brustkorb, gealterte Haut. Lauter Dinge, die das komplette Gegenteil von "Genuss" sind.

Kanada hat seit 2001 "Foto-Erfahrung". 90 Prozent der Jugendlichen fühlen sich dort informiert und finden das Rauchen seitdem weniger attraktiv. 40 Prozent von ihnen erklärten, dass ihnen die optischen Hinweise geholfen hätten, aufzuhören. In Australien waren es 62 Prozent. Immerhin 57 Prozent haben über das Aufhören nachgedacht. Und 34 Prozent sahen die Fotos als Hilfe an zu versuchen, sich das Rauchen abzugewöhnen.

Schaden für das Image

Eine Beobachtung, die die Gesundheits-Psychologin Britta Renner (Universität Konstanz) bestätigt: "Früher fanden die Jugendlichen es cool. Mit den Fotos wird das soziale Image des Rauchens deutlich torpediert." Noch 1973 haben in Deutschland 63 Prozent der 18- bis 25-Jährigen mit dem Rauchen begonnen. 2011 waren es 36,8 Prozent. "Gerade Steuererhöhungen haben den Konsum reduziert, aber auch der Schutz für Passivraucher, Regelungen zu den Inhaltsstoffen, umfassende Werbeverbote sowie Warnhinweise", sagt Martina Pötschke-Langer, die im Landwirtschaftsausschuss als Expertin befragt worden ist. Sie leitet die Stabsstelle Krebsprävention und das WHO-Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.

Ein weiteres Indiz für die Wirksamkeit der Verpackungs-Optik kam aus der australischen Tabakindustrie selbst: Diese hatte nämlich gegen die neue Gestaltung geklagt. Ohne Erfolg. Das höchste Gericht in Canberra schmetterte die Klage ab. Seit 2012 sind triste, schlammfarbene Verpackungen sowie abstoßende Bilder Pflicht. Damit hat das Land neben Brasilien, Uruguay und Kanada die schärfsten Anti-Tabak-Gesetze der Welt. Der kanadische Experte David Hammond hält einen Nachweis der Effizienz für schwierig. Britta Renner sagt: "Die allermeisten Raucher wissen um ihr Risiko. Sie fühlten sich gefährdet durch Zigaretten, aber es dominiere die physiologische Abhängigkeit. Ein einziger Zug wirke schon beruhigend. Und darauf wollten viele nicht verzichten."

Einfluss auf Nichtraucher

Psychologin Renner glaubt deshalb nicht, dass Fotos rauchfrei machen: "Aber Nichtraucher können so sicherlich davon abgehalten werden. Raucher selber haben eine erhöhte Risiko-, aber mangelnde Kompetenzwahrnehmung. Viele wünschen sich, damit aufzuhören, aber sind davon überzeugt, dass sie es nicht schaffen", fährt sie fort. "Wer entschlossen ist, dem gelingt es, obwohl der Mensch an sich nicht darauf angelegt ist, langfristige Konsequenzen zu sehen. Der aktuell schlechte Atem wird nämlich stärker bewertet als die mögliche Spätfolge Lungenkrebs."

Für Pötschke-Langer sind die Fotos ein wichtiger Baustein im Konzert der Anti-Rauch-Maßnahmen: "Gerade in Kombination mit den Warnhinweisen. Wir wollen den Einstieg ins Rauchen verhindern, den Rauchern den Ausstieg erleichtern und Ex-Rauchern helfen, Rückfälle zu vermeiden." David Hammond ist überzeugt, dass die positive Wirkung von der Größe des Textes und dem Design der Fotos abhängt: "So spiegeln sie das große Risiko wider, das Raucher eingehen."

Folgen des Rauchens

Die Hälfte aller Raucher stirbt vorzeitig: an Krebserkrankungen der Lunge, des Kehlkopfs, der Luftröhre oder des Bronchialsystems. Aber auch an Herzinfarkten, Schlaganfällen und Emphysemen.

In Deutschland sind es 110 000 bis 140 000 Tabak-Tote pro Jahr. Weltweit: rund fünf Millionen.

Anders als vielleicht gedacht liegen die Folgekosten des Rauchens mit 25,41 Milliarden Euro viel höher als die entsprechenden Steuereinnahmen (14,61 Milliarden Euro). at

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