Washington. Als Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner machte Donald Trump Anfang 2016 einen Scherz, der einen wahren Kern in sich trug. „Ich könnte mitten auf der Fifth Avenue stehen und jemanden erschießen, und ich würde keine Wähler verlieren, okay? Es ist einfach unglaublich“, sagte er bei einem Wahlkampfauftritt in Sioux City im Bundesstaat Iowa. Trump hat zwar niemanden erschossen. Aber allein schon die anderen Vorwürfe, die gegen ihn erhoben wurden, hätten bei vielen Politikern zum Rücktritt gereicht. Trump ist nicht nur weiter US-Präsident, sondern seine Basis steht trotz allem treu zu ihm – und hofft, dass er am 3. November wiedergewählt wird. Woran liegt das?
Wer sind die Trump-Wähler?
Amerikaner sind aus ganz unterschiedlichen Gründen für Trump. Es gibt aber eine bedeutende Gruppe von Anhängern, die fast bedingungslos hinter Trump steht – ähnlich, wie man es bei Politikern aus autoritär regierten Staaten kennt. In einer Umfrage der Universität Monmouth vor einem Jahr sagten 62 Prozent der Trump-Anhänger, sie könnten sich nichts vorstellen, was der Präsident tun könne, um ihre Unterstützung zu verlieren. Das entsprach einem guten Viertel aller Befragten.
Fan-Kult
Kritiker vergleichen Trumps Hardcore-Anhänger mit einem „Kult“. Tatsächlich erinnern die Besucher seiner Wahlkampfauftritte nicht an Bürger mit ausgeprägtem Politik-Interesse, sondern an Fans auf Pop-Konzerten. Das Publikum skandiert bei diesen Veranstaltungen Parolen wie „Wir lieben Dich“. Trump entgegnete darauf bei einem Auftritt in Greenville im Bundesstaat North Carolina kürzlich: „Welcher Politiker hat solche Worte je gehört?“ Eine Gruppe Frauen fragte er dort vom Podium aus, wie viele seiner Veranstaltungen sie bereits besucht hätten. Eine der Frauen rief: „60!“
„Kugelsicherer“ Kandidat
Das Phänomen Trump beschäftigt Politikwissenschaftler, Psychologen und andere Experten schon lange. „Es gibt keinen Zweifel daran, dass Donald Trump viele Dinge gesagt hat, die für jeden anderen republikanischen Kandidaten politischer Selbstmord gewesen wären“, schrieb der Neurowissenschaftler Bobby Azarian bereits im Wahlkampf 2016 in seinem Blog für die Zeitschrift „Psychology Today“. Nach jeder „schockierenden Äußerung“ hätten Kommentatoren vorausgesagt, dass Trump Unterstützer verlieren würde – und sie hätten damit jedes Mal falsch gelegen. „Trump scheint fast völlig kugelsicher zu sein.“
Abertausende Unwahrheiten
Trumps loyalste Unterstützer nehmen seine oft schwachen Ausreden („das habe ich nie gesagt“) für bare Münze – und glauben seinen Aussagen sogar dann, wenn sie mit der Realität wenig zu tun haben. Die Faktenchecker der „Washington Post“ haben Trump seit seinem Amtsantritt mehr als 20 000 falsche oder irreführende Aussagen nachgewiesen. In einer Gallup-Umfrage vom vergangenen Juni hielten dennoch 72 Prozent der Republikaner Trump für „ehrlich und vertrauenswürdig“.
Propaganda bei Fox News
In seinem Buch „Hoax“ beschreibt der CNN-Medienjournalist Brian Stelter den Sender Fox News als „Propagandamaschine“. Trump bezieht Ideen für seine Politik aus den Sendungen, die dann lobend über seine Politik berichten. In einer Umfrage des Senders NBC und des „Wall Street Journals“ genoss Trump bei 73 Prozent der Fox-News-Konsumenten Zustimmung für seine Arbeit. Bei Zuschauern anderer Sender lag der Wert unter 40 Prozent.
Faktor Bildung
Trump, der sich selber als „ein sehr stabiles Genie“ bezeichnet hat, sagte im Februar 2016: „Ich liebe die schlecht Gebildeten.“ Das ist nachvollziehbar, schaut man sich seine Basis an: Je niedriger der Bildungsgrad, desto höher ist nach einer in diesem Monat veröffentlichten Umfrage des Instituts Pew der Zuspruch für Trump.
Bedrohung für alle
Trump gelingt es, sogar Vorwürfe gegen seine Person zu einer Bedrohung für seine Anhänger umzudeuten. Während des Amtsenthebungsverfahrens wegen der Ukraine-Affäre verschickte er im Dezember 2019 über Twitter ein Foto, auf dem er mit dem Zeigefinger auf den Betrachter zeigt. „In Wahrheit sind sie...hinter Dir her“, steht auf dem Bild. „Ich bin nur im Weg.“ dpa
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