Parlamentswahl

Richtungsstreit in der Slowakei

Von der neuen Koalition hängt die Militärhilfe gegenüber der Ukraine ab

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dpa
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Entgegen den Prognosen haben die linksnationalen Sozialdemokraten um Robert Fico die Parlamentswahl in der Slowakei gewonnen. © Darko Bandic/AP/dpa

Bratislava. Der Linkspopulist Robert Fico hat die Parlamentswahl in der Slowakei gewonnen, steht aber vor einer schwierigen Regierungsbildung. Seine linksnationale Oppositionspartei „Richtung – Slowakische Sozialdemokratie“ (Smer-SSD) kam nach dem offiziellen Endergebnis auf 22,9 Prozent der Stimmen, wie die staatliche Wahlkommission am Sonntag in Bratislava bekannt gab.

Den zweiten Platz belegte die bisher noch gar nicht im Parlament vertretene liberale Partei „Progressive Slowakei“ (PS) unter Führung des EU-Abgeordneten Michal Simecka mit 18 Prozent. Die Wahlbeteiligung erreichte 68,5 Prozent der 4,4 Millionen Stimmberechtigten.

Poker um Regierungsbildung

Als wahrscheinlich galt am Sonntag, dass Fico die drittplatzierte Partei „Stimme – Sozialdemokratie“ (Hlas-SD) seines ehemaligen Stellvertreters Peter Pellegrini zu Koalitionsgesprächen einlädt. Diese liberalere Sozialdemokraten-Partei hatte sich vor drei Jahren von Ficos Smer-SSD abgespalten. Sie kam nun mit 14,7 Prozent auf Platz drei.

Fico will dem von Russland angegriffenen Nachbarland Ukraine nur mehr zivile Güter, aber keine Waffen mehr liefern. Pellegrini hingegen befürwortet wie fast alle anderen Parteien eine weitere Militärhilfe. Er hat gegenüber Fico noch den Trumpf im Ärmel, dass er auch mit der neu ins Parlament einziehenden liberalen Partei „Progressive Slowakei“ eine Koalition bilden könnte. Fico hingegen steht keine andere Koalitionsmöglichkeit offen. Vor allem von Hlas-SD wird daher abhängen, wer die nächste Regierung in Bratislava führt.

Pellegrinis Vizeparteichef Erik Tomas sagte am Sonntag in einem TV-Interview, Hlas-SD sei bereit zu Koalitionsverhandlungen mit Ficos Partei. Pellegrini schwächte aber kurz danach ab, er sei auch für Gespräche mit anderen Parteien offen, wenn diese seine Forderungen akzeptierten. In jedem Fall wird für eine Parlamentsmehrheit aber noch mindestens eine weitere Partei benötigt.

Neben diesen drei stärksten Parteien schafften vier kleinere den Sprung ins Parlament in Bratislava. Die rechtspopulistische und pro-russische „Slowakische Nationalpartei“ SNS hatte vor der Wahl angekündigt, mit Ficos Smer in eine gemeinsame Regierung gehen zu wollen. Die drei anderen Kleinparteien sind entschiedene Gegner Ficos. Sie könnten einer Koalition zwischen PS und Hlas-SD zu einer Mehrheit gegen Fico verhelfen. Damit wäre auch die weitere militärische Unterstützung der Ukraine gesichert.

Neuwahl hinausgezögert

Die vorgezogene Parlamentswahl war notwendig geworden, nachdem eine 2020 gegen Fico siegreiche konservativ-populistisch-liberale Vierparteienkoalition an innerem Streit zerbrochen war. Im Dezember vergangenen Jahres verlor der Rest dieser Koalition ein Misstrauensvotum, konnte aber vorgezogene Neuwahlen monatelang hinauszögern. Im Mai dieses Jahres setzte Präsidentin Zuzana Caputova vorübergehend ein Beamtenkabinett unter dem Finanzexperten Ludovit Odor ein. Der zuvor durch Korruptionsskandale seiner Mitstreiter belastete Fico profitierte dauerhaft davon, dass seine Gegner so chaotisch agierten. dpa

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