Regensburg. Was zunächst unvorstellbar war, wird am 20. Januar Realität: Donald Trump zieht als 45. Präsident ins Weiße Haus ein. Er war ein ungewöhnlicher Kandidat, er führte einen ungewöhnlichen Wahlkampf, und er wird ein ungewöhnlicher Amtsinhaber sein.
Theoretisch könnten ihn Kongress und Gliedstaaten nach dem Gewaltenteilungsprinzip der "checks and balances" einbremsen. Aber angesichts der republikanischen Mehrheiten in beiden Häusern und in den Gliedstaaten und der extremen parteipolitischen Polarisierung droht Trump hier wenig Gefahr. In der Regierung herrscht er sowieso autonom.
Die US-Verfassung setzt die Exekutive mit dem Präsidenten gleich, seine Macht wird nicht durch Geschäftsordnungen, Kabinettsbeschlüsse, Ressorthoheiten der Minister oder Koalitionsverträge beschränkt. Deshalb spielen Persönlichkeit und Führungsstil des Amtsinhabers die zentrale Rolle dafür, wie er seine Regierung organisiert und seine Entscheidungen fällt.
Trump hatte nie ein politisches Amt inne und eroberte das Weiße Haus fast im Alleingang, ohne ein eingespieltes Team an Beratern. Als Immobilienmogul und Fernsehstar ist er es nicht gewohnt, mit unterschiedlichen Ansichten umzugehen, starke Figuren neben sich zu dulden oder sich seine Meinung in einem methodischen, strukturierten Prozess zu bilden.
Trump wird also kein Organisationsmodell wählen, in dem ein wohlinformierter Präsident systematisch mit Ministern und Beratern Alternativen diskutiert, wie das John F. Kennedy während der Kubakrise getan hat. Auch ein Modell, in dem ein sachkundiger Präsident Politik im Alleingang gestaltet, wie Franklin Roosevelt und Richard Nixon im Zweiten Weltkrieg und im Vietnamkrieg, kommt wohl nicht in Frage.
Vielmehr dürfte er ein Entscheidungssystem etablieren, in dem der Präsident wie der Vorstandsvorsitzende eines Unternehmens die großen Linien vorgibt und die operative Politik seinen Ministern überlässt. Dwight Eisenhower, Ronald Reagan und George Bush jr. machten das so. Allerdings wird Trump diesem Modell eine starke persönliche Note verleihen.
Er duldet niemanden neben sich, der ihm das Rampenlicht streitig machen könnte. Während Eisenhower, Reagan und Bush jr. erfahrene Politiker als Minister akzeptierten, wird die kommende Regierung völlig auf Trump zugeschnitten sein. Sein Kabinett und seinen Beraterstab hat er mit Personen besetzt, die über keine Hausmacht verfügen und im Politikbetrieb weitgehend unbekannt sind: ihm verpflichtete Milliardäre und Geschäftsleute sowie politische Unruhestifter.
Der ehemalige Gouverneur von Texas etwa, Rick Perry, wird Chef des Energieministeriums, das er 2012 noch abzuschaffen versprach. Der Justizminister Oklahomas, Scott Pruitt, der leugnet, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht ist, wird Leiter der Umweltbehörde. Wichtigster Effekt: Trump schafft konkurrierende Machtzentren in seiner Administration, die nicht durch alte Seilschaften oder Ideologie verbunden sind. Damit bleibt Trump der ultimative Schiedsrichter und Alleinentscheider.
Überhaupt erinnerte die Besetzung der wichtigsten Ämter an die Kandidatenkür einer Casting-Show. Das war nicht überraschend, moderierte Trump doch eine der erfolg-reichsten, "Der Lehrling" (The Apprentice), zwölf Jahre lang. Den republikanischen Präsidentschaftskandidaten von 2012, Mitt Romney, der sich ihm als Außenminister andiente, ließ Trump zweimal antanzen, bevor er ihn doch abservierte.
Die Inszenierung von Politik als Seifenoper hat Trump schon im Wahlkampf erfolgreich praktiziert. Sie wird ihm auch im Weissen Haus helfen, davon abzulenken, dass er weder über eine kohärente politische Philosophie verfügt noch über politisches Sachwissen. Er ist nicht einmal daran interessiert, an diesen Defiziten zu arbeiten: Trump will den morgendlichen Lagebericht der Geheimdienste abschaffen, den alle Präsidenten seit 1961 erhalten. Stattdessen schaut er stundenlang TV-Talkshows, wo er sogar einige Mitarbeiter für seine Regierung entdeckte.
Unterstützt wird der Drang zum ständigen Spektakel durch den extensiven Gebrauch von Trumps Lieblings-Medium Twitter. Mit den dort maximal erlaubten 140 Zeichen wirbelt der künftige Präsident schon mal die amerikanische Atomwaffenpolitik , das Rüstungsbeschaffungsprogramm und das Verhältnis der USA zu Israel durcheinander - und das alles an einem Vormittag. Für die 24-Stunden-Nachrichtenshows ist Trump ein Gottesgeschenk.
In Trumps Entscheidungsmodell zählen außer ihm selbst nur zwei Gruppen: eine Handvoll Loyalisten und seine Familie. Zugang ist Macht, lautet eine alte Washingtoner Regel. Unbeschränkten Zugang zu Trump werden vor allem jene Personen haben, deren Büros im Weissen Haus direkt neben dem Oval Office des Präsidenten liegen: Stabschef Reince Priebus, Chefstratege Stephen Bannon und Sicherheitsberater Flynn. Ihr Credo: Let Trump be Trump - lasst Trump Trump sein.
Wirkliches Vertrauen hat Trump nur in seine Familie. Wie in seinem Businessimperium könnte er das Tagesgeschäft auch im Weissen Haus seinen Kindern übertragen. Tochter Ivanka und ihr Mann Jared Kushner sind die wichtigsten Einflüsterer. Ivanka brachte ihren Vater mit den Umweltaktivisten Al Gore und Leonardo di Caprio zusammen - und schon hielt er es für möglich, dass der Klimawandel doch menschengemacht sei.
Schwiegersohn Kushner ist Trumps wichtigster Ratgeber. Er war es unter anderem, der ihn zu dem präzedenzlosen Schritt bewog, sich als gewählter Präsident kurz vor Weihnachten in die Politik des Amtsinhabers einzumischen und von Obama in einem Tweet ein Veto im UN-Sicherheitsrat gegen die Verurteilung von Israels Siedlungspolitik zu fordern.
Da das Anti-Nepotismus-Gesetz von 1967 Mitgliedern der Präsidentenfamilie die Übernahme formaler Regierungsposten verbietet, wird Kushner wohl als unbezahlter Berater fungieren - ein weiteres ungewöhnliches Arrangement in der Trump-Regierung.
Die USA und die Welt müssen sich auf vier Jahre voller Drama und Kabalen einstellen. Langweilig werden sie sicher nicht.
Stephan Bierling
- Stephan Bierling ist Professor für Internationale Politik und transatlantische Beziehungen an der Universität Regensburg.
- Hauptarbeitsgebiete sind die deutsche, europäische und amerikanische Außenpolitik, das transatlantische Verhältnis sowie die Innen- und Wirtschaftspolitik der USA.
- Gastprofessuren in den USA hatte Bierling unter anderem an der University of California/San Diego, 2003 und am Austin College/Texas, 1993.
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