Bonn. Erdgas ist ein fossiler Energieträger, über den man sich vor dem Krieg in der Ukraine kaum Gedanken gemacht hat. Doch seit 2022 liefert Russland kein Gas mehr. Was beduetet das für die Versorgung in Deutschland? In diesem Überblick bekommen Sie die wichtigsten Fakten zum Thema Erdgas.
1. Brennwert, Förderung, Transport: Gas ist nicht gleich Gas
Erdgas entsteht über Millionen von Jahren unter der Erde aus organischem Material. Es sammelt sich in unterirdischen Lagerstätten, oft zusammen mit Erdöl. Von dort wird es gefördert.
Zwar ist Erdgas ein fossiler Brennstoff, es verursacht aber weniger umweltschädliche Emissionen als Öl und Kohle. Erdgas besteht aus verschiedenen Bestandteilen. Die Zusammensetzung schwankt je nach Vorkommen.
Es wird zwischen zwei Arten von Erdgas unterscheiden:
1. H-Gas («high calorific gas»): hohe Energie, hoher Brennwert, stammt unter anderem aus Dänemark, Norwegen, Russland und Großbritannien.
2. L-Gas («low calorific gas»): niedrige Energie, stammt unter anderem aus Norddeutschland und den Niederlanden. Doch diese Quellen gehen zur Neige.
Aus diesem Grund wird die Versorgung in Deutschland bis 2030 auf H-Gas umgestellt. Noch werden laut Bundesnetzagentur rund ein Viertel der deutschen Haushaltskunden mit L-Gas versorgt. Ihre Gasheizungen, Gasherde und Durchlauferhitzer müssen umgerüstet werden.
Infos dazu bekommen Verbraucher von ihrem lokalen Netzbetreiber.
Außerdem sind zwei Arten der Förderung zu unterscheiden:
1. konventionelle Förderung über Bohrtürme
2. hydraulisches Aufbrechen von Gesteinsschichten mithilfe eines Wasser-Sand-Chemikalien-Gemisches, genannt Fracking
Schließlich kommt es darauf an, wie das Gas von der Förderstätte zu den Verbrauchsstellen transportiert wird:
1. Gasförmiges Erdgas wird über Pipelines transportiert.
2. Flüssigerdgas («liquefied natural gas», kurz LNG) kann in Behältern gelagert und zum Beispiel mit einem Schiff transportiert werden - ein großer Vorteil.
Aber: Um Erdgas zu verflüssigen, wird es stark heruntergekühlt, was viel Energie verbraucht.
2. In welcher Einheit wird Gas gemessen?
Werfen Sie einen Blick auf Ihren Gaszähler: Das Gerät misst die verbrauchte Gasmenge in Kubikmetern (m³) ab. Auf der Gasrechnung erscheint aber der Verbrauch in Kilowattstunden (kWh), wie beim Strom. Für die Umrechnung gibt es eine Formel:
Gasverbrauch in Kubikmetern x Brennwert x Zustandszahl = kWh
- Der Brennwert gibt an, welche Energiemenge im Gas enthalten ist. Er ist abhängig von der Qualität des Gases und schwankt dem Versorger Vattenfall zufolge zwischen 8,0 und 12,5 kWh pro m³.
- Die Zustandszahl beschreibt das Verhältnis des Gasvolumens im Normzustand zum Gasvolumen im Betriebszustand.
Beide Angaben finden sich auf der Jahresrechnung des Gasversorgers.
Das klingt kompliziert? Es geht auch einfacher.
Tipp: Multiplizieren Sie den Gasverbrauch in m³ mit dem Faktor 10. Der Schätzwert liegt recht nah am tatsächlichen Verbrauchswert. «Damit hat man eine sehr gute Orientierung», sagt Energieberater Thomas Weber von der Verbraucherzentrale NRW.
3. Das sind die größten Erdgasproduzenten
Russland, Iran und Katar haben die größten konventionellen Gasvorkommen. Es kommt darauf an, wie viel gefördert wird. China zum Beispiel hat kleinere Vorkommen, fördert aber verhältnismäßig viel.
Das waren laut Enerdata die 10 größten Erdgasproduzenten im Jahr 2024 (gemessen in Milliarden Kubikmeter):
1. USA: 1092
2. Russland: 706
3. China 293
4. Iran: 285
5. Kanada: 221
6. Katar: 184
7. Australien: 159
8. Saudi-Arabien: 139
9. Norwegen: 131
10. Algerien: 103
Der größte Exporteur von Flüssigerdgas (LNG) waren 2024 die USA mit 123 Milliarden Kubikmeter – vor den Ländern Katar und Australien.
4. Woher kommt das deutsche Gas?
Deutschlands Gasversorgung wurde durch Russlands Angriff auf die Ukraine auf den Kopf gestellt. Laut Weltenergierat Deutschland wurden 2021 95 Prozent des Erdgasbedarfs in Deutschland durch Importe gedeckt. Diese Einfuhren erfolgten zu rund 95 Prozent über Pipelines und zu etwa 5 Prozent als verflüssigtes Erdgas (LNG).
Der wichtigste Lieferant von Erdgas für Deutschland war 2021 noch Russland - gefolgt von Norwegen und den Niederlanden. Russland lieferte vor dem Krieg mehr als die Hälfte des benötigten Erdgases. Deutschland war somit extrem abhängig von russischem Gas.
Russland hat seine Gaslieferungen nach Deutschland 2022 schrittweise zurückgefahren und irgendwann ganz gestoppt.
Die Energieversorgung hierzulande befindet sich seitdem im Umbau. Folgende Länder waren 2024 laut Bundesnetzagentur die wichtigsten Importeure von Erdgas nach Deutschland:
1. Norwegen (48 Prozent)
2. Niederlande (25 Prozent)
3. Belgien (18 Prozent)
Deutschland importiert zudem mehr Flüssiggas. An der deutschen Küste sind bereits mehrere schwimmende LNG-Terminals in Betrieb. LNG-Gas machte 2024 insgesamt 8 Prozent der Importe aus.
5. Wie wird Erdgas gespeichert?
Gasspeicher sind zentral für die Versorgungssicherheit mit Erdgas in Deutschland. Sie liegen meist unter der Erde und dienen dazu, jahreszeitlich bedingte Schwankungen auszugleichen.
Beispiel: An kalten Wintertagen werden bis zu 60 Prozent des Gasverbrauchs in Deutschland aus deutschen Speichern abgedeckt, erklärt die Brancheninitiative Energie speichern. Die Speicher fungierten für den Gasmarkt als «eine Art Puffersystem».
Die Gasspeicher sollen außerdem Lieferengpässe mit Erdgas ausgleichen. Weil Russland seine Gas-Exporte gestoppt hat, kommt den Speichern eine größere Bedeutung zu.
Die Kapazität der Speicher liegt bei etwa 250 Terawattstunden (TWh). Deutschland liegt damit weltweit auf Rang 5. Der deutsche Anteil an den Speicherkapazitäten der EU liegt bei etwa einem Fünftel (21,9 Prozent).
Zuständig für die 43 Gasspeicher ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
Über die Füllstände der Speicher informiert die Bundesnetzagentur. Auch die täglichen Veränderungen werden veröffentlicht.
6. Wofür Erdgas genutzt wird
Erdgas ist ein überaus wichtiger Energieträger.
Laut der Bundesregierung sind 21 Millionen Haushalte in Deutschland auf Erdgas angewiesen, etwa um heizen zu können. Gas ist zudem wichtigster Energieträger der Industrie, vor Strom, Stein- und Braunkohle sowie Mineralöl. Unternehmen und Betriebe benutzen Gas vor allem für sogenannte Prozesswärme und zur Eigenstromerzeugung.
Im Jahr 2024 deckte Erdgas 25,9 Prozent des gesamten Energiebedarfs in Deutschland ab, so die AG Energiebilanzen.
Der Gasverbrauch lag laut Bundesnetzagentur bei 844 TWh. Das waren 3,5 Prozent mehr als im Vorjahr.
- Der Verbrauch der Industrie machte 61 Prozent aus.
- Auf Haushalts- und Gewerbekunden entfielen 39 Prozent.
7. Wie sich der Gaspreis entwickelt hat
Verbraucherinnen und Verbraucher haben es selbst erfahren: Die Gaspreise schwanken stark. Lange hingen sie vom Ölpreis ab, doch diese Zeiten sind vorbei. Heute unterliegen sie dem Wechselspiel aus Angebot und Nachfrage. Und das ist schwer zu kalkulieren.
Im Jahr 2022 war Gas wegen des russischen Exportstopps deutlich teurer geworden. Seitdem sind die Preise wieder gesunken, zeigen Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW):
- Der Gaspreis für Haushalte in Einfamilienhäusern mit einem Jahresverbrauch von 20 000 Kilowattstunden (kWh) lag demnach 2025 im Durchschnitt bei 12,24 Cent pro kWh. Im Jahr 2023 waren es noch 14,35 Cent pro kWh.
- Der durchschnittliche Gaspreis für Haushalte in Mehrfamilienhäusern mit einem Jahresverbrauch von 80 000 kWh lag 2025 bei 11,72 Cent pro kWh. 2023 waren es noch 14,25 Cent pro kWh - ein deutlicher Rückgang.
Wie sich die Gaspreise zukünftig entwickeln werden, ist kaum vorauszusagen. «Prognosen sind schwierig», sagt Roman Buss vom Kompetenzzentrum Klimaschutz in Energieintensiven Industrien. Was jahrelang reibungslos und geräuschlos funktioniert habe, gelte nicht automatisch auch für die Zukunft.
Es gibt viele Faktoren, die den Gaspreis beeinflussen, unter anderem:
- Russlands Krieg gegen die Ukraine und der damit verbundene Umbruch auf dem Energiemarkt
- die Entwicklung der Konjunktur und der Gasnachfrage auf den internationalen Märkten
- politisch gewollte Verstaatlichungen und Gaspreisbremsen
- Spekulationen an den Rohstoffbörsen
- Steuern und Abgaben
8. Wie sich der Gaspreis zusammensetzt
Der Gaspreis setzt sich aus folgenden Bestandteilen zusammen:
- Energiebeschaffung, Vertrieb, sonstige Kosten und Marge
- Netzentgelt inklusive Messung und Messstellenbetrieb
- Mehrwertsteuer und Erdgassteuer
- CO2-Abgabe
- Konzessionsabgabe (Entgelt der Versorger an die Gemeinden)
Allein die Steuern machen rund ein Viertel der Gesamtkosten aus, zeigen Zahlen des BDEW. Mit dem Krieg Russlands sind die Kosten für Beschaffung und Vertrieb sprunghaft angestiegen. Mittlerweile sind sie wieder gesunken und machen nun etwa die Hälfte des Gaspreises aus.
9. Der Gasverbrauch der Haushalte in Deutschland
Der Gasverbrauch hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Wohnform: Wohnung oder Einfamilienhaus?
- Wohnfläche
- Anzahl der Personen im Haushalt
- Alter, Zustand und Dämmung des Gebäudes
- Warmwasser: Erzeugung durch Gas oder Strom?
- Verbrauchsverhalten der Bewohner
Wie viel Gas die Haushalte in Deutschland verbrauchen, dazu gibt es verschiedene Durchschnittswerte, die etwa die Versorger erheben.
Folgende Zahlen aus Berlin liefern Anhaltspunkte:
- Der Grundversorger Gasag rechnet mit einem durchschnittlichen Gasverbrauch von 140 kWh pro Quadratmeter Wohnfläche für Heizung und Warmwasser - also rund 14 m³ pro Jahr auf dem Gaszähler. Rund 160 kWh pro Quadratmeter sind es bei Einfamilienhäusern.
- Der Verbrauch einer durchschnittlichen Wohnung mit 90 Quadratmetern liegt also bei 12 600 kWh pro Jahr.
- Ein typisches Einfamilienhaus mit 150 Quadratmetern Wohnfläche kommt demnach auf im Durchschnitt 24 000 kWh jährlich.
Was verbraucht im Haushalt am meisten Gas?
- Der Gasverbrauch schwankt im Jahresverlauf erheblich. Das liegt daran, dass etwa 95 Prozent des Gases in Privathaushalten auf die Heizung entfallen, wie Energieberater Thomas Weber sagt. Und der reine Heizbetrieb wird nur in den kalten Wintermonaten angestellt.
- Von der Gasheizung wird oft auch das Warmwasser erzeugt.
- Das Kochen mit Gas spielt eine untergeordnete Rolle.
10. Wie kann ich meinen Gasverbrauch ermitteln?
Durchschnittswerte für den Gasverbrauch der Haushalte liefern nur Richtwerte. Was zählt, ist der eigene konkrete Verbrauch.
Um diesen in Erfahrung zu bringen, gibt es zwei Möglichkeiten:
- die jährliche Gasrechnung des Versorgers
- das Ablesen des eigenen Gaszählers
Tipp: Wer seinen Verbrauch mit dem des Vorjahres vergleicht, sollte immer im Hinterkopf haben, wie der vergangene Winter war, rät Weber. Je kälter, umso tendenziell höher der Verbrauch.
Wer anhand des eigenen Jahresverbrauchs seine ungefähren Gaskosten berechnen will, multipliziert die Kilowattstunden mit dem Gaspreis pro kWh des jeweiligen Tarifs.
Im Internet gibt es diverse Heizkostenrechner, etwa von der gemeinnützigen Organisation CO2online. Damit finden Verbraucher heraus, ob sie eher niedrige oder hohe Kosten haben.
CO2online: Heizcheck für Verbraucher
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