Fußball-Nationaltrainer Nigerias aus Mannheim

Gernot Rohr brennt vor Ehrgeiz

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Lothar Zuther
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Gernot Rohr auf Heimaturlaub in Mannheim. Mutter Elisabeth freut sich über den Besuch. © Zuther

Mannheim. Vier Minuten haben gefehlt. Dann wäre Nigeria mit seinem Trainer Gernot Rohr bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland für das Achtelfinale qualifiziert gewesen. Kurz vor Ende der Partie in St. Petersburg gegen den zweifachen Weltmeister Argentinien stand es 1:1, ein Resultat, das den „Super Eagles“ gereicht hätte, um weiterzukommen und gegen Frankreich zu spielen. Doch dann traf Marcos Rojo zum 2:1 für die Südamerikaner, und der Traum war geplatzt.

Ein halbes Jahr später sitzt der Coach entspannt in seinem Elternhaus in Mannheim-Neckarau - zu Besuch bei seiner Mutter Elisabeth (96). Sie war mit dem VfR Mannheim 1939 Deutsche Meisterin im Handball. Das heißt, die sportlichen Gene liegen in der Familie.

Afrika-Cup als Motivation

Im Gespräch mit dieser Zeitung lässt Rohr das nervenaufreibende Geschehen in Russland noch einmal Revue passieren: „Wir hätten es verdient gehabt, eine Runde weiterzukommen, meine junge Mannschaft hat in der zweiten Halbzeit gut gespielt und gekämpft. Aber leider hatte der Schiedsrichter nicht den Mut, einen zweiten Elfmeter für uns zu geben.“ Als Trost bleibt, dass die „Super Eagles“ mit der Qualifikation für den Afrika-Cup im Juni 2019 ein zweites großes Ziel erreicht haben.

Für einen Linienrichter hatte die entscheidende Quali-Partie in Südafrika ein unangenehmes Nachspiel. Der Schiedsrichterausschuss der afrikanische Fußballverband CAF sperrte ihn kurzerhand für zwei Jahre. Den Grund nennt Rohr: „Der Linienrichter hatte bei zwei einwandfreien Toren unseres schnellen Stürmers Ahmed Musa abseits angezeigt. Es war aber keines, wie sich später herausstellte. Daraufhin entschuldigte sich der Schiedsrichter bei unserem Spieler.“ Rohr lacht über diese Geschichte, schließlich waren die Folgen - anders als bei der WM - zu verkraften: Das 1:1 reichte für die Qualifikation.

Die Teilnahme am Afrika-Cup ist für Nigeria, das an den vergangenen zwei Turnieren nicht teilnahm, ein Riesenerfolg. Trainer Rohr hat sein Team wieder aufgerichtet, er verhinderte nach dem dramatischen WM-Aus, dass seine Spieler die Köpfe hängen ließen. Der gebürtige Mannheimer hat die Mannschaft, die in Russland mit 24,9 Jahren den niedrigsten Altersschnitt hatte, weiter verjüngt. Für die Routiniers Victor Moses (28) und Obi Mikel (31) rückten auf dem rechten Flügel Samuel Kalu (21) von Girondins Bordeaux und Alex Iwobi (22) von Arsenal London im zentralen Mittelfeld nach. Zudem steht Rohr auf der linken Außenbahn Jamilou Collins (24) vom Zweitligisten SC Paderborn zur Verfügung. Bei Kalu freut sich Rohr, der seit rund 40 Jahren in Lège-Cap-Ferret - unweit von Bordeaux entfernt - an der Atlantikküste lebt, dass er mit dem 21-Jährigen quasi direkt vor seiner Haustür Kontakt halten kann.

Daumen drücken für München

Wer mit Rohr über die Zukunft seines Teams spricht, hat das Gefühl, da brennt einer vor Ehrgeiz und will unbedingt noch etwas erreichen. Wenn es passt und der nigerianische Verband mit ihm weiterarbeiten möchte, kann er sich vorstellen, die Qualifikation für die WM 2022 in Katar in Angriff zu nehmen. „Ich mag die Mannschaft. Da ist etwas zusammengewachsen.“ In Katar wäre Rohr 69 - zu jung für die Rente. Seit kurzem hat er - neben dem französischen - wieder einen deutschen Pass. Den musste er vor 35 Jahren, als er Franzose wurde, abgeben, weil das Gesetz keine doppelte Staatsbürgerschaft vorsah. Seine jüngsten Kinder - Elisa (8) und Johann (6) - haben jetzt auch beide Pässe.

Kein Wunder, dass der frühere Spieler des FC Bayern München das Geschehen seiner großen sportlichen Liebe verfolgt. Auf die Frage, wer Deutscher Meister 2019 wird, antwortet Rohr mit einem Lächeln: „Von zehn Befragten sagen acht, der BVB, zwei nennen den FC Bayern. Ich gehöre zu den Zweien.“ Und zu den Diskussionen um eine mögliche Vertragsverlängerung des wiedererstarkten Franzosen Franck Ribéry (35), den er sehr gut kennt, hält es der Coach mit seinem früheren Trainer bei den Offenbacher Kickers, Otto Rehhagel: „Für mich gibt es keine jungen und alten Spieler, sondern nur gute und schlechte. Und Ribéry ist ein Guter.“

Zu den Diskussionen um Ballbesitzfußball oder schnelles Umschaltspiel hat Rohr eine klare Meinung: „Es kommt immer darauf an, welche Spieler einem zur Verfügung stehen. Kroatien beispielsweise hat beide Systeme sehr gut praktiziert. Und Luka Modric ist verdientermaßen Weltfußballer des Jahres geworden.“

Redaktion

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