Fußball - Mannheimer Trainer Gernot Rohr will den Vertrag mit Nigeria nur zu gewissen Bedingungen verlängern / Verständnis für Marc-André ter Stegens Ansprüche

„Gesunde Konkurrenz schadet nicht“

Von 
Lothar Zuther
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Gernot Rohr (l.) im Gespräch mit unserem Mitarbeiter Lothar Zuther. © Zuther

Mannheim. Der jüngste Besuch von Nigerias Fußball-Nationaltrainer Gernot Rohr in seiner Heimatstadt Mannheim verlief anders und vor allem sehr viel trauriger als ursprünglich geplant. Eigentlich wollte der 66-Jährige nach dem 2:2 im Testspiel in der Ukraine in die Quadratestadt kommen, um seine 97 Jahre alte Mutter Elisabeth zu sehen. Doch dann erreichte ihn die Nachricht, dass sie gestorben ist. Nach den Trauerfeierlichkeiten nahm sich der Deutsch-Franzose, der seit mehr als 40 Jahren in Lège-Cap-Ferret an der Atlantikküste lebt, dennoch Zeit zu einem Gespräch mit dieser Zeitung.

Was hat Ihre Mutter Ihnen und Ihren fünf Geschwistern fürs Leben mitgegeben?

Gernot Rohr: Sehr viel. Zunächst die Freude am Leben und den Sinn der Solidarität, teilen zu können in einer Großfamilie in der kargen Zeit nach dem Krieg.

Sie war ja selbst eine erfolgreiche Handballerin, deutsche Meisterin 1939 mit dem VfR Mannheim. Da konnte sie Ihnen doch bestimmt viel an Einstellung und Leidenschaft vermitteln?

Rohr: Ja natürlich. Von ihr haben wir die Passion des Sports gelernt. Sie hat mit uns mitgefiebert und uns wertvolle Tipps gegeben, zum Beispiel in Ernährungsfragen oder bei der Regeneration. Und sie hat uns auf dem Sportplatz angefeuert und gegenüber gegnerischen Fans verteidigt. Wenn’s sein musste, sogar mit dem Regenschirm (lacht).

Zu Ihrer Arbeit in Nigeria. Welchen Stellenwert hat der dritte Platz beim Afrika-Cup in Ägypten für Sie persönlich?

Rohr: Einen sehr hohen. Erstmals haben 24 Mannschaften teilgenommen anstatt 16 wie zuvor. Es waren viele starke Teams dabei. Wir haben fünf von sieben Begegnungen gewonnen. Die Art und Weise, wie wir gespielt haben, hat mir sehr gut gefallen. Wir haben im Viertelfinale 2:1 gegen Südafrika gewonnen und im Achtelfinale den Titelverteidiger Kamerun in einem tollen Spiel besiegt – 3:2 nach 1:2-Rückstand zur Halbzeit. Das war schon klasse.

Beim 1:2 im Halbfinale gegen den späteren Turniersieger Algerien haben Ihnen nur ein paar Sekunden zur Verlängerung gefehlt. War der „Jahrhundert-Freistoß“ von Riyad Mahrez in der Nachspielzeit einfach nur Pech für Ihre Mannschaft?

Rohr: Es war zunächst unglücklich, dass es überhaupt zu diesem Foul an der Sechzehner-Grenze gekommen ist. Dann wollte die Mauer springen, und einer schmiss sich auf den Boden, um den Ball abzuwehren. Wir haben auf alles geachtet, nur nicht darauf, dass unser Torwart hinter der Mauer stand.

Im Spiel um die Bronzemedaille haben Sie mit 1:0 Tunesien besiegt. Dort saß Ihr langjähriger Weggefährte Alain Giresse als Trainer auf der Bank. Hat das Ihrer Freundschaft geschadet?

Rohr: Nein, natürlich nicht. Wir haben zehn Jahre lang bei Girondins Bordeaux zusammen in einer Mannschaft gespielt. Unsere Beziehung hält das aus. Für mich persönlich war es allerdings eine gelungene Revanche, denn 2012 habe ich im Afrika-Cup mit Gabun im Viertelfinale gegen Mali und Giresse als Trainer im Elfmeterschießen verloren. Unseren entscheidenden Elfmeter damals hat übrigens Pierre-Emerick Aubameyang verschossen.

Sie sind zusammen mit der Mannschaft bei Ihrer Rückkehr sehr herzlich in Nigeria empfangen worden. Was hatten Sie da für ein Gefühl?

Rohr: Darüber haben wir uns natürlich sehr gefreut. Vor allem, weil die Menschen die gute Leistung der Mannschaft zu würdigen wussten.

Es gab aber auch ein paar kritische Stimmen in den Medien, die ihnen und Ihrer Mannschaft zum Teil übelnahmen, dass Sie das Gruppenspiel gegen Madagaskar verloren haben, obwohl Sie schon fürs Achtelfinale qualifiziert waren.

Rohr: Einige wollten den Titel unbedingt, aber wir natürlich auch. Es hat an Kleinigkeiten gefehlt. Der Erfolg hing am seidenen Faden. Aber manche Kritik kann man auch nicht ernst nehmen. Böse Zungen haben behauptet, dass wir mit Absicht gegen Madagaskar verloren hätten, weil meine Frau von dort stammt. Das ist absurd.

Wie geht es weiter, was sind die nächsten Aufgaben?

Rohr: Wir haben die Mannschaft weiter verjüngt, der Altersschnitt beträgt jetzt 23 Jahre. Der Kapitän William Troost-Ekong ist mit 26 Jahren momentan unser ältester Spieler. Am 13. Oktober haben wir ein Freundschaftsspiel gegen Brasilien in Singapur. Danach folgen zwei Qualifikationsspiele für den Afrikacup 2021 am 11. November gegen Benin und am 19. November in Lesotho.

Ihr Vertrag läuft noch bis 2020. Bis zur WM in Katar wären es dann noch zwei Jahre. Können Sie sich eine Verlängerung vorstellen?

Rohr: Ja und Nein. Auf der einen Seite haben wir eine gute Mannschaft aufgebaut, die jüngste im Schnitt in Afrika. Andererseits gibt es viele Dinge, welche die tägliche Arbeit schwierig machen: Mangelnder Respekt, Organisationsprobleme, Versprechungen werden nicht eingehalten. Wir werden sehen, wie es weitergeht.

Sie hatten nach dem Afrika-Cup Angebote von Marokko, Kamerun, Mali und dem Kongo. Hat Sie das nicht gereizt?

Rohr: Doch schon. Aber ich liebe diese Mannschaft und wollte meinen Vertrag unbedingt erfüllen.

Abschließend eine Frage zum deutschen Fußball. Sie haben bei der Verleihung des Titels „Deutscher Fußballbotschafter“ im Mai in Berlin die Laudatio auf Marc-André ter Stegen gehalten, der den Publikumspreis erhielt. Ist es unredlich, wenn er den Anspruch hat, in der DFB-Elf zu spielen?

Rohr: Nein. Das ist normal, wenn ein Torhüter Ehrgeiz hat und zeigen will, dass er die Nummer eins ist. Das muss man akzeptieren. Ich mag Manuel Neuer, aber eine gesunde Konkurrenz sollte der DFB-Elf nicht schaden.

Das Interview wurde persönlich geführt. Gernot Rohr hat auf eine Autorisierung verzichtet.

Gernot Rohr

  • Geboren wurde Gernot Rohr am 28. Juni 1953 in Mannheim. Mit dem Fußballspielen begann der Sohn des Gymnasiallehrers und Fußballtrainers Philipp „Fips“ Rohr (†) in der Jugendabteilung des VfL Neckarau. Seine Mutter Elisabeth (†) war 1939 mit dem VfR Mannheim deutsche Meisterin im Feldhandball.
  • Nach Stationen beim FC Bayern München, SV Waldhof und Kickers Offenbach wechselte Rohr 1977 zu Girondins Bordeaux.
  • Mit Bordeaux wurde der Defensivspieler 1984, 1985 und 1987 dreimal französischer Meister.
  • Seit 2016 ist er Nationaltrainer von Nigeria, zuvor war er in Burkina Faso, Niger und Gabun tätig.

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