Das Halbfinale bei großen Turnieren wie Weltmeisterschaften oder auch Olympia – das war für die deutschen Hockeyfrauen seit langer Zeit zumeist fest gebucht. Auch in Tokio war dies das Mindestziel, um in den Kampf um die Medaillen eingreifen zu können. In Rio 2016 hatte es für die Oftersheimerin Cécile Pieper und ihre Kameradinnen Bronze gegeben. Umso größer war die Enttäuschung, ja fast Verzweiflung, als nun in der japanischen Hauptstadt im Viertelfinale mit 0:3 gegen Argentinien das Aus kam.
Und das nach einer souverän absolvierten Vorrunde mit vier Siegen und nur einer Niederlage gegen den späteren Olympiasieger Niederlande. „Bei mir ist eine Welt zusammen gebrochen“, gab Pieper unumwunden zu und konnte am Tag nach dem Ausscheiden noch nicht Rede und Antwort stehen. Erst mit ein paar Tagen Abstand, nach der Rückkehr zur Familie in Oftersheim, war der 27-Jährigen eine Analyse möglich, wofür sie um Verständnis bat. Jeder Olympionike, der den oft marginalen Unterschied zwischen „Himmel hoch jauchzend und zu Tode betrübt“ kennt, wird das nachvollziehen können.
Unerklärlicher Leistungsabfall
Es war dieser krasse, unerklärliche Leistungsabfall, der den deutschen Hockeyspielerinnen zu schaffen machte. Natürlich, Argentinien ist eine starke Mannschaft und Pieper hatte zuvor eine enge Partie erwartet. Doch an diesem sehr heißen Vormittag in Tokio lief irgendwie nichts zusammen. „Wir sind gar nicht in den Flow gekommen, wir waren irgendwie hilflos, während bei denen alles geklappt hat“, meinte die Oftersheimerin fassungslos.
Die DHB-Frauen hatten längere Zeit nicht gegen die Argentinierinnen verloren, und die Südamerikanerinnen machten taktisch auch nichts Besonderes. Aber „keine von uns hatte einen Sahnetag“ (Pieper). Selbst der 0:2-Rückstand zur Halbzeit war eigentlich noch kein Beinbruch, oft genug hatte das deutsche Team Rückstände noch gedreht. Aber die vielen Ecken, im Hockey so etwas wie Großchancen, führten nicht zum Erfolg, Pieper selbst vergab kurz vor Schluss noch eine Großchance. „Es war wie ein Albtraum“, beschrieb sie das Desaster, nachdem der Medaillentraum jäh zerplatzt war.
Was folgte, das war die große Leere. Wie verarbeitet man so eine Enttäuschung? „Wir waren noch lange am Platz und haben Interviews gegeben, dann waren wir zusammen essen“, erzählt Pieper von den ersten Stunden danach. Sportpsychologin Anett Szigeti, die auch die Beachvolleyballer betreut, kam auf die Zimmer und versuchte Trost zu spenden.
In ein krasses Loch gefallen
Pieper und Nike Lorenz, die sich ein Zimmer teilten, versuchten zu schlafen, was nicht wirklich gelang. Mit Serien wie „Vampire Diaries“ ging es dem nächsten Morgen entgegen, der den überraschend schnellen Rückflug nach Deutschland brachte. „Wir sind wirklich in ein krasses Loch gefallen, niemand konnte sich zu dem Zeitpunkt vorstellen, wieder Spaß am Hockey zu haben“, so Pieper. Doch es geht halt immer weiter, Hochs und Tiefs gehören zum Sportlerinnenleben.
Die Oftersheimerin, die zuletzt für Rot-Weiß Köln gespielt hat, hat einen neuen Lebensabschnitt vor sich. In diesen Tagen zieht sie nach Den Haag, wo ihr amerikanischer Freund spielt. „Ich habe zwar gar keine Lust, schon wieder umzuziehen, aber ich bin froh, dass etwas Neues kommt.“
Den Haag, die einzige Großstadt mit einem Strand entlang der Nordseeküste, sei sehr schön. Pieper wird in eine tolle Wohnung ziehen, ihren Freund bei sich haben und in einer Mannschaft spielen, die „cooles Hockey spielt“. Und 2022 ist die WM in Holland und Spanien. Das nächste große Ziel für Cécile Pieper und die deutschen Hockeyfrauen. Es sei ihnen zu wünschen, dass es dann keine Tränen gibt - höchstens Freudentränen.
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