Schwetzingen. „Ich brauche keinen Wettkampf als Anreiz für das Training“, betont Christine Martus, „für mich ist das Radfahren ein wunderbarer Ausgleich.“ Die 48-jährige Schwetzingerin kann sich auf ihrem Rennrad austoben, wobei für sie „je länger, je lieber“ gilt.
So ging sie gerade beim Drei-Länder-Giro, einem legendären Radrennen über 168 Kilometer mit 3300 Höhenmetern, an den Start. Die Strecke führt über das italienische Stilfser Joch in das schweizerische Engadin und zurück nach Nauders in Österreich. Die 2000 Startplätze sind im Vorfeld schnell ausgebucht. Christine Martus hatte dieses Jahr „viel Berge“ trainiert und war dann mit 6:17 Stunden beachtliche 25 Minuten schneller als bei ihrer Teilnahme zwei Jahre zuvor. In dem internationalen Feld war sie neuntschnellste Frau und Dritte in ihrer Altersklasse F40.
Dieses Jahr startete sie auch beim Rennen Frankfurt-Eschborn und verpasste als Vierte ihrer Altersklasse knapp das Treppchen. Früher ist sie auch einmal eine Saison Radrennen gefahren: „Aber diese kurzen Kriterien sind nicht mein Ding. Da ist wegen 40 Rennkilometern das ganz Wochenende im Eimer.“
Christine Martus aus Schwetzingen: 20.000 Kilometer pro Jahr
Eine Frau in einer Männerdomäne: Als sie vor 30 Jahren mit dem Radsport anfing, war sie als Frau noch eine Ausnahme. Und als sie 2004 nach dem Tod ihres Vaters sein Geschäft „Schreinerei-Bedarf Martus“ übernahm, musste sie sich ebenfalls als Frau durchsetzen. Da hatte sie schon gelernt, so manchen Spruch zu überhören. Aber die Zeiten haben sich geändert.
Die Geschäftsführerin muss sich ihre Freizeit gut einteilen. Trainingsfreiräume außerhalb der Geschäftszeiten und am Wochenende sind wertvoll. Christine Martus ist alleinerziehende Mutter, pflegt aber ein gutes Verhältnis zum Exmann. Wenn die neunjährige Tochter Emilia am Wochenende beim Vater ist, dann gibt Martus „Vollgas“. Unter der Woche stellt sie sich im Sommer auch mal den Wecker auf 4.30 Uhr, um zwei Stunden auf dem Rad zu sitzen und dann um 7 Uhr die Tochter zu wecken. „Arbeiten, Kind, Fahrrad – das ist mein Leben.“
Projekt „Ketsch me if you can“ über 512 Kilometer bringt Spenden ein
Dank ihrer eisernen Disziplin kommt sie auf über 20.000 Jahreskilometer. In ihrem Radleben hat sie schon etwa 450.000 Kilometer im Sattel verbracht. Motiviert wurde sie als 16-Jährige durch ihren Onkel, der damals bei Radsport Fender „geschraubt“ hatte und sie – mit einem normalen Fahrrad - nach Schatthausen einlud. „Als damalige Tennisspielerin dachte ich, gut, trainiert zu sein, aber den einen Anstieg musste ich schieben.“ Der Ehrgeiz war geweckt. Sie nahm ein Radtraining in Angriff, zunächst immer die gleiche 40-Kilometer-Strecke.
Später lernte sie durch den RSV Schwetzingen ein neues Trainingsrevier kennen. Dann kamen die ersten Radmarathons. Zum Ausgleich ging sie im Winter auch laufen und im Sommer im Freibad schwimmen.
Ihre Liebe zum ausdauernden Radfahren hatte sie vergangenen Sommer auf eine verrückte Idee gebracht: 24 Stunden den Rheindamm von Ketsch bis Altlußheim hinauf und hinunter radeln. Das „Ketsch me if you can“-Projekt zog sie mit Freunden durch, schaffte 512 Kilometer und sammelte dabei auch noch Spendengeld für den Tafelladen.
Ihr nächstes Benefizprojekt ist der Nuclearban Marathon über 336 Kilometer im geschlossenen Verband. Mit Polizeibegleitung geht es von Vaihingen/Enz über Mannheim und Kaiserslautern wieder zurück nach Vaihingen. „Das ist eine Demo gegen Atomwaffen zum Gedenken an die Opfer von Hiroshima und Nagasaki.“ Teilnahmegelder gehen als Spende an die organisierende Friedenswerkstatt Mutlangen. „Ich bin da jetzt im dritten Jahr mit im Führungsfahrerteam, die vorne das Tempo machen und hinten die Abgehängten wieder ans Feld fahren“, freut sich Christine Martus auf ihren Einsatz.
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