Schwetzingen. „Es ist 23.47 Uhr bei mir“, sagt Till Stockmann, als er das Gespräch mit dieser Redaktion beendet und sich in Richtung Nachtruhe begibt. Die Uhr in Deutschland zeigt hingegen 8.47 Uhr und somit ist eins klar: Zwischen dem 22-jährigen Schwetzinger und seiner Kurpfälzer Heimat liegen neun Stunden Zeitverschiebung. Seit dreieinhalb Jahren ist Till Stockmann in San Diego, absolviert dort ein Studium in Business Administration & Finance (vergleichbar mit BWL) und spielt im ambitionierten College-System Fußball.
„Das ist hier eine tolle Option, zu studieren und ein Stipendium durch Fußball zu bekommen“, sagt Stockmann. Er wirkt zielorientiert, entschlossen, aber gleichermaßen geerdet und bodenständig. Es sind genau die Eigenschaften, die ihm im Berufsleben alle Türen öffnen. „Es ist eine großartige Möglichkeit, auf hohem Niveau weiterzuspielen und zu studieren. Wir werden hier teilweise wie Profis behandelt“, gewährt er einen Einblick in den Stellenwert, den der College-Fußball bietet.
Niveau wie in der Oberliga
Zur Person: Till Stockmann
Till Stockmann wurde am 24. April 1999 in Schwetzingen geboren.
Nach der Ballschule in Oftersheim spielte er aktiv Fußball in der Jugend beim SV 98 Schwetzingen, bei der Spvgg 06 Ketsch und beim SV Sandhausen.
2018 ging er an die University of San Diego und spielte fortan für die San Diego Toreros. Zuletzt wies er die meisten Einsatzminuten auf. wy
Das Niveau siedelt er ungefähr auf Höhe der deutschen Oberliga an. Das betätigte auch sein ehemaliger Teamkollege Aaron Frey, der bereits beim Regionalligisten Offenbacher Kickers unter Vertrag gestanden hatte und nun in der Hessenliga beim 1. FC Erlensee spielt. Durch die intensive Spielzeit mit bis zu 20 Spielen pro Saison und mehreren Wochenspieltagen kommt es teilweise zu Ausfallzeiten in den Hörsälen. „Aber die Professoren wissen Bescheid, dass man dann auch mal für eine Woche wegfliegen muss, um Spiele zu absolvieren“, erklärt er. Sein Studium ist auf vier Jahre angelegt und genauso lange hat er Berechtigung, um in der College-Mannschaft der University of San Diego Toreros zu spielen. Lediglich Verletzungen oder die Corona-Pandemie erlauben eine Ausdehnung dieser Zeitspanne um eine weitere Saison.
Danach jedoch steht er am Scheideweg, wie es für ihn weitergeht. Den Draft in die MLS, der US-amerikanischen Profiliga, erreichen nur die wenigsten. Stockmann, und das zeichnet ihn aus, ist an dieser Stelle mehr Realist als Träumer. „Die MLS ist ein Thema, das viele interessiert, wenn sie den Schritt in die USA machen. Wenn man aber ehrlich ist, wird das für mich eher nicht reichen“, sagt Stockmann.
Wie es nach seinem Bachelor-Abschluss weitergeht, ist daher noch vollkommen offen. „San Diego ist eine tolle Stadt, in der ich mich sehr wohlfühle. USA oder Rückkehr nach Deutschland – ich könnte mich in beiden Welten sehen“, zeigt sich Stockmann noch unentschlossen.
Womit er sich im US-College-Fußball aber von Anfang an erst anfreunden musste, sind gewisse Eigenheiten im Regelwerk. Die Spielzeit startet dort nicht wie hierzulande bei 0, sondern läuft von 45 Minuten rückwärts. „Es gibt auch keine Nachspielzeit. Wenn die Uhr heruntergelaufen ist, erfolgt in den letzten zehn Sekunden ein Countdown und dann wird genau bei 0 abgepfiffen – egal, wo der Ball sich dann befindet“, berichtet der 22-Jährige. „Noch mehr aber musste ich mich daran gewöhnen, dass hier unbegrenzt ausgewechselt werden kann.“ Inzwischen weist die Bilanz des Defensivspielers 41 Einsätze auf, in denen er drei Torvorlagen beisteuerte. Sein Einstand bei den San Diego Toreros hätte besser nicht sein können.
Wegen Verletzung pausiert
Gleich in seinem ersten Auftritt bereitete der Linksverteidiger nach seiner Einwechslung das erste Saisontor seines Teams vor. In der vergangenen (Corona-)Saison bestritt er acht Partien in der Startelf. In der aktuellen Spielzeit stand er in allen elf Partien in der Anfangsformation. Aufgrund eines Meniskusrisses, den er sich im elften Spiel gegen die Portland Pilots zugezogen hat, wurde er operiert und musste die restliche Spielzeit aussetzen.
Begonnen hatte Stockmann seine Fußball-Laufbahn in der Spielgruppe der SG Oftersheim. Als er dann lieber mit seinen Freunden zusammen kicken wollte, wechselte er zum SV 98 Schwetzingen und danach zur Spvgg 06 Ketsch. „Ich habe dort zwei Jahre gespielt und bin dann vom SV Sandhausen als Elfjähriger ins Probetraining eingeladen worden“, führt Stockmann weiter aus.
Zur U13 wechselte der gebürtige Schwetzinger dann in das Nachwuchsleistungszentrum des SV Sandhausen und durchlief dort alle Mannschaften bis zur U19. Mit dem Club vom Hardtwald stieg er 2016 in die A-Jugend-Bundesliga auf, dazu kamen drei Siege im badischen Verbandspokal 2015, 2016 und 2017. Dann folgte der Wechsel über den großen Teich.
„Bei den amerikanischen Trainern sind deutsche Spieler beliebt – daher nehmen sie Bewerbungen gerne entgegen“, berichtet Stockmann. Dreieinhalb Jahre später ist er ein etablierter Bestandteil des Teams, dem mit Paul Ramlow (ehemals Hertha BSC Berlin) ein weiterer Deutscher angehört.
Zuletzt hatte er mit die meisten Einsatzzeiten seines Teams. Und selbst wenn es mit der Profikarriere erst einmal nichts wird, so hat er mit der College-Zeit ein großes Stück Erfahrung sammeln können und ein kleines bisschen den amerikanischen Traum gelebt.
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