Jahresrückblick

SV Sandhausen: Gut nur ganz hinten und vorne

Nach furiosen Start und zwischenzeitlicher Tabellenführung ist der SV Sandhausen vor der Winterpause ins Niemandsland der 3. Fußball-Liga gestürzt. Das hat Trainer wie Sportdirektor den Job gekostet. Wer seine Arbeit auf dem Platz gut gemacht hat, zeigen

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Nicolai Lehnort
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Sandhausen. Wir schreiben Ende Oktober. Mit sechs Siegen und vier Remis aus elf Partien steht der SV Sandhausen an der Tabellenspitze der 3. Fußball-Liga. Die Kurpfälzer stellen unter dem neuen Trainer Sreto Ristic die ligaweit beste Defensive. Die zu diesem Zeitpunkt einzige Pleite gegen die U23 von Hannover 96 – ein Ausrutscher. Coach Ristic möchte sich davon nicht beirren lassen. Er vermeidet, von der Tabelle zu sprechen und sieht weiterhin Bereiche, die es zu verbessern gilt.

Je näher das Jahresende rückt, desto größer werden diese Bereiche. In der Defensive klaffen Lücken, vorne werden die Chancen liegengelassen oder gar nicht erst herausgespielt. Zwischen dem 10. und 19. Spieltag gewinnt der SVS nur eine Partie, holt aus neun Spielen magere sieben Punkte. Der ambitionierte Drittligist verabschiedet sich mit vier Pleiten in Serie in die Winterpause – und ohne sportliche Führung. Nach dem Absturz auf Rang zehn zieht Präsident Jürgen Machmeier die Reißleine, setzt zuerst Sportdirektor Matthias Imhof und nach dem letzten Spiel des Jahres auch Trainer Ristic vor die Tür. Noch vor dem Jahreswechsel präsentiert der Verein mit Kenan Kocak erneut einen Rückkehrer an den Hardtwald. Der Deutsch-Türke startet an diesem Donnerstag, 2. Januar, mit der Mannschaft in die Wintervorbereitung.

Wir haben die Profis auf dem Platz unter die Lupe genommen und Schulnoten für die erste Halbserie verteilt. Die stehen unter dem Stern der zweigeteilten Hinrunde. Aus dem Abwärtsstrudel im Winter kann sich kaum ein SVS-Akteur loseisen. Voraussetzung für eine Bewertung waren mindestens fünf Pflichtspieleinsätze in der 3. Liga.

Tor

Timo Königsmann: Der 27-Jährige machte seine Aufgabe seit der Verletzung von Stammkeeper Nikolai Rehnen gut – berechtigtes Lob von Ex-Sportdirektor und -Trainer inklusive. Beim Fachmagazin „Kicker“ wird Königsmann nicht umsonst als notenbester Sandhäuser geführt. Seine Stärken liegen auf der Linie und im Eins-gegen-eins. Strafraumbeherrschung und fußballerische Qualitäten zählten schon zu Mannheimer Zeiten nicht zu seinen Stärken. Der Kreuzbandriss bremste ihn jäh aus. Note: 2-

Abwehr

Jakob Lewald: Der Kapitän, der von Dynamo Dresden an den Hardtwald kam, zeigte stellenweise, welch herausragende Bedeutung er als Organisator und Stabilisator in der SVS-Defensive einnehmen kann. In den vergangenen Wochen glich sich allerdings auch einer der potenziell besten Verteidiger der Liga den abfallenden Leistungen seiner Mannschaftskollegen an. Note: 3+

Jeremias Lorch: Womöglich sogar noch eine Stufe über Kapitän Lewald anzusiedeln. In Bestform stellen die beiden Funktürme ligaweit eines der Top-Duos, wie sie in den ersten Wochen der Saison unter Beweis gestellt hatten, als die Hardtwald-Kicker bis an die Tabellenspitze gestürmt waren. Dass sich der Drittliga-Routinier bei den torreichen Heimpleiten gegen Dresden und Aue aber nahtlos ins Defensivdebakel einreihte, trübt das Bild. Note: 2,5

Marco Schikora: Findet sich als gelernter Sechser optimal im Zentrum der Dreierkette zurecht. Fehlende Körpergröße macht der ehemalige Auer mit vorbildlicher Aggressivität wett. Seine Fähigkeiten am Ball sind im Spielaufbau unverzichtbar. Schikora erweckt jedoch den Eindruck, als würde er am Leistungsmaximum performen und wirkte zeitweise überspielt. Note: 3

Alexander Fuchs: In der Vorsaison noch gesetzt, ist der flexible 27-Jährige unter Ristic ins zweite Glied gerückt. Fuchs war aber stets zuverlässig und solide zur Stelle, wenn er in der Dreierkette gebraucht wurde. Seine Wurzeln eine Position weiter vorne wirken sich positiv auf die Spieleröffnung aus. Note: 3-

Edvinas Girdvainis: Der litauische Nationalspieler ist immer noch nicht am Hardtwald angekommen, hat seit Winter 2024 lediglich elf Drittliga-Einsätze vorzuweisen. Girdvainis gehört zur Kategorie Grobmotoriker und ist immer für einen Aussetzer gut, bekam aber nie eine echte Chance, sich zu beweisen. Note: 4

Christoph Ehlich: Der nimmermüde Ehlich beackert die linke Außenbahn auf konstant hohem Niveau. Hinten bissig, vorne mit Offensivdrang und feinem linken Fuß ist das kleine Arbeitstier einer der Lichtblicke in der Sandhäuser Elf. Note: 2,5

Sebastian Stolze: Der schlacksige Rechtsfuß hat auf ungewohnter Position zu alter Stärke zurückgefunden. Körpergröße und Tempo machen den 29-Jährigen zu einer Allzweckwaffe auf der rechten Außenbahn. In Bestform bildet der Ex-Hannoveraner gemeinsam mit Ehlich eine Flügelzange, die ins obere Regal der Liga gehört. Note: 2,5

Niklas Kreuzer: Der ehemalige Ristic-Schützling aus Halle ist ein solider Backup, aber völlig anderer Spielertyp. Wenn er gebraucht wird, macht er seinen Job – ohne Ausreißer nach oben oder unten. Note: 3-

Jonas Carls: Knüpft bei seinem neuen Arbeitgeber am Hardtwald dort an, wo er wenige Kilometer weiter in der Quadratestadt aufgehört hat. Carls’ Auftritte sind meist nicht Fisch, nicht Fleisch. Dass der Schienenspieler erst während des Abwärtstrends Spielpraxis bekam, macht es nicht leichter. Wie auch Kreuzer ist er von der Startelf dennoch weit entfernt. Note: 3,5

Mittelfeld

Alexander Mühling: Einst als Führungsspieler und Fixpunkt in der Mittelfeldzentrale geholt, bleibt der inzwischen 32-Jährige weiter hinter den Erwartungen zurück. So wichtig wie Mühling als Sprachrohr und Organisator sein mag, fußballerisch lässt der Ex-Kieler zu wünschen übrig: zu langsam, zu behäbig, zu wenig Risiko und keinerlei Offensivdrang. In der Vorsaison noch gesetzt, ist die Degradierung des ehemaligen Kapitäns nur folgerichtig, die Kritik von Ex-Sportdirektor Imhof angebracht. Note: 4,5

Patrick Greil: Der Österreicher sitzt im selben Boot wie sein Kollege im Zentrum. Greil ist der Leidtragende schlechthin der Systemumstellung unter Ristic, da die Position des Zehners im 3-4-3 beziehungsweise 3-5-2 wegfällt. So kann er seine offensiven Qualitäten zu selten zeigen. Bezeichnend: Trotz 21 Einsätzen wartet der 28-Jährige weiter auf seinen ersten Scorerpunkt. Note: 4-

Besar Halimi: Der Rückkehrer wird seiner Rolle als Ballverteiler und Kreativspieler vollends gerecht. Offensichtlich wurde die Bedeutung des Deutsch-Kosovaren, wenn er gesperrt fehlte: Sowohl gegen 1860 München als auch gegen Rostock und Aue ging der SVS als Verlierer vom Platz. Einzig seinen Hitzkopf muss Halimi besser in den Griff bekommen. Kaum hatte der 30-Jährige eine Rotsperre abgesessen, ging er im letzten Spiel des Jahres bei Viktoria Köln erneut zu grob zu Werke und wurde vom Platz gestellt. Halimi wird den Sandhäusern drei Spiele lang fehlen. Note: 2,5

Lucas Wolf: Der Neuzugang aus Kiel hat Potenzial. Anfangs nicht über Kurzeinsätze hinausgekommen, spielte sich der 23-Jährige – auch aufgrund der Verletztenmisere – in die Startelf. Als Notnagel auf Rechtsaußen konnte er jedoch weniger bewirken als im Mittelfeldzentrum, wo die Qualitäten des technisch beschlagenen Wuslers besser aufgehoben sind. Aber: Wolf braucht jemanden, der ihm den Rücken freihält. Note: 3+

Angriff

Dominic Baumann: Der Stoßstürmer Marke Möbelpacker macht in Sandhausen dort weiter, wo er im Osten aufgehört hat. Baumann gehört mit acht Treffern auch bei seiner ersten Station weit weg von der Heimat zu den besten Knipsern der Liga. Er reibt sich unermüdlich in Zweikämpfen auf und kann einem bei fehlender Unterstützung manchmal leidtun. Baumann hätte zweifellos das Potenzial, den SVS zum Aufstieg zu ballern. Note: 2-

Richard Meier: Der Newcomer der Saison wurde leider hart von einer Knieverletzung ausgebremst. Mit seinen 1,93 Meter war der 20-Jährige das perfekte Pendant zum quirligen linken Flügel. Ein fester Platz in der Startelf hätte dem ehemaligen Magdeburger in der Rückrunde wohl gewunken. Legt Meier in Sachen Ruhe und Kaltschnäuzigkeit zu, kann er zum Leistungsträger am Hardtwald avancieren. Note: 2,5

Emmanuel Iwe: Der US-Boy ist die Überraschung des Sommertransferfensters. Aus der zweiten amerikanischen Liga gekommen, war der Flügelflitzer ein Glücksgriff von Imhof und brauchte kaum Eingewöhnungszeit in der Kurpfalz. Sein Tempo kann jeden Gegner vor Probleme stellen. Nach furiosem Einstand offenbarte Iwe aber Defizite in puncto Übersicht und Torabschluss. Note: 3

Stanislav Fehler: Der Regionalliga-Topscorer der vergangenen Saison aus Kiel ist ein ähnlicher Spielertyp wie Iwe, trifft aber noch zu oft die falschen Entscheidungen. Beim Heimdebakel gegen Aue stach er als einziger noch positiv heraus. Von der Bank kann der 22-Jährige für viel Tempo und Spielfreude auf der Außenbahn sorgen. Note: 3-

David Otto: Stark angefangen und stark nachgelassen. Nachdem Otto in der Vorsaison mit elf Scorerpunkten sein Potenzial angedeutet hatte, ist der Stürmer in diesem Jahr der Flop in der offensiven Dreierreihe. Als hängende Spitze unter Jens Keller am besten zur Geltung gekommen, wirkt er auf dem Flügel verloren. Note: 4-

Trainer

Sreto Ristic: Der Ex-Profi hat bei seiner Rückkehr an den Hardtwald schnell Ergebnisse geliefert. Belohnt wurde die hohe Flexibilität, mit der er die Spielweise seiner Elf Woche für Woche an die des Gegners anpasst, mit der zwischenzeitlichen Tabellenführung. Dass der Deutsch-Serbe in Sachen Aufstiegskampf noch grün hinter den Ohren ist und mit der hohen Erwartungshaltung am Hardtwald ebenfalls Neuland betrat, wurde immer klarer, je tiefer der SVS in die Krise schlitterte. Ristic fand keine Lösungen für die mangelnde Durchschlagskraft und die löchrige Defensive. Die anhaltende Verletztenmisere und die ungeduldige Vereinsführung taten ihr übriges. Note: 3,5

Ohne Wertung

Nikolai Rehnen hat zu Saisonbeginn gezeigt, dass er das Rennen um die Nummer eins zurecht gewonnen hat. Zwei weiße Westen in drei Partien vor seiner schweren Knieverletzung können sich sehen lassen. Die beiden ursprünglich nur als Sparringspartner im Tormanntraining eingeplanten Dennis Gorka und Luis Idjakovic standen nur je einmal zwischen den Pfosten. Während Gorka beim undankbaren Startelfdebüt gegen Aue gleich sechsmal hinter sich greifen musste, hielt Idjakovic in Köln, was es zu halten gab.

Dass nicht nur Ehlich und Stolze, sondern auch Jonas Weik und Luca Zander eine herausragende Flügelzange bilden können, durften die beiden in dieser Spielzeit nicht demonstrieren. Während Zander nach langwieriger Sprunggelenksprobleme mit ins Wintertrainingslager fliegen soll, ist ein Comeback bei Weik noch in weiter Ferne. Der aus München mit einer Meniskusverletzung verpflichtete Niklas Lang hat nach monatelanger Genesungszeit eine Hinrunde zum Vergessen hinter sich. Kaum war der Innenverteidiger in Köln zum zweiten Startelfeinsatz gekommen, flog er auch schon wieder mit Gelb-Rot vom Platz.

Offensivmann Tim Maciejewski hat unter Keller als Joker gezeigt, was er der Mannschaft geben kann. Jetzt ist er nach nur vier Einsätzen ein Wechselkandidat. Lion Schuster und Diamant Lokaj wurde eine Veränderung bereits vor Saisonbeginn nahegelegt. Die beiden Mittelfeldspieler wurden aussortiert. Unter dem neuem Trainer dürften sich die Karten womöglich neu mischen. Aziz Alagi und Philipp Lambert, die aus der eigenen Jugend hochgezogen worden waren, kamen ebenfalls nicht zum Einsatz. Stürmer Markus Pink kehrte nach vier Pflichtspielen und zwei Treffern in die österreichische Heimat zurück.

Volontariat Nicolai Lehnort ist seit Juli 2023 Volontär.

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