Er wurde mehrfach Meister, Pokalsieger und Champions-League-Gewinner, holte 2016 EM-Gold und Olympia-Bronze: Tobias Reichmann. Nach der Verletzung von Kapitän Patrick Groetzki hilft der 35-Jährige bis zum Saisonende bei den Rhein-Neckar Löwen aus. Sein erstes Spiel: das Pokal-Viertelfinale am Sonntag (18 Uhr) beim SC Magdeburg.
Herr Reichmann, Sie sind seit knapp zwei Wochen ein Löwe. Ihr erstes Fazit lautet wie?
Tobias Reichmann: Es fühlt sich so an, als wäre ich schon länger hier. Auch die Rahmenbedingungen sind so, wie man sich das als Profisportler vorstellt. Die Trainingsbedingungen sind gut, Halle und Kraftraum befinden sich an einem Ort. Und auch von der Mannschaft wurde ich super aufgenommen. Die ersten Einheiten mit den Jungs haben mega-viel Spaß gemacht. Es ist einfach ein super Gefühl, noch einmal die Chance zu bekommen, in der Bundesliga zu spielen.
Sie sind neu im Verein, haben aber mehr Länderspiele bestritten als viele Ihrer Teamkollegen Bundesligaspiele. Wie sieht Ihre Rolle aus?
Reichmann: Die Löwen sind eine junge Mannschaft. Ich denke schon, dass man als erfahrener Spieler ein gewisses Ansehen genießt, wenn man neu in eine Mannschaft kommt. Ich glaube auch, dass anders mit einem umgegangen wird.
Zumindest nehme ich das hier jetzt auch so wahr. Um mehr Ruhe reinzubekommen und weniger Hektik drinzuhaben, hilft es sicherlich, einen erfahrenen Spieler mehr dabei zu haben. Andererseits spiele ich auf der Außenposition, da ist mein Einfluss auf dem Feld auch irgendwo begrenzt.
Sie könnten aber Einfluss darauf nehmen, dass die Siebenmeterquote besser wird.
Reichmann: Ich hörte davon, dass die Löwen in diesem Bereich in dieser Saison Verbesserungspotenzial haben. Unser Trainer Sebastian Hinze hat mit mir auch schon über die Siebenmeter gesprochen und diese Aufgabe nehme ich dankend an.
Ich brauchte nach meinem Abschied aus Emsdetten erst einmal ein wenig Abstand zum Handball.
Seit ihrem Abschied beim Drittligisten TV Emsdetten im Sommer 2023 standen Sie bei keinem Verein unter Vertrag, bis sich jetzt die Löwen meldeten. Welchen Eindruck hatten sie zuvor als Beobachter von dieser Saison gewonnen?
Reichmann: Ganz ehrlich: Ich brauchte nach meinem Abschied aus Emsdetten erst einmal ein wenig Abstand zum Handball. Ich wusste selbst nicht so genau, wie es weitergeht. Das war auch für den Kopf nicht so einfach. Deswegen habe ich Handball nur sehr sparsam verfolgt.
Ich war einmal in Melsungen in der Halle, das war das einzige Spiel, das ich komplett in dieser Saison gesehen habe. Ansonsten war es einfach schwer für mich, Handball zu verfolgen, ohne selbst spielen zu dürfen oder zu können.
Was ist für die Löwen in dieser Saison noch möglich?
Reichmann: Wir sind jetzt Achter und uns steht eine große Aufgabe bis zum Saisonende bevor. Ich muss mich schnell in diese Mannschaft einfinden und kann auch Verantwortung übernehmen, damit wir uns stabilisieren und vor allem auch die Spiele gewinnen, die wir gewinnen müssen. Gelingt es uns, konstanter zu werden, ist alles denkbar.
Es sind noch 15 Spiele und ich erinnere mich an die eine Saison, in der Hannover nach der Hinrunde oben dabei war und in der Rückrunde kein Spiel mehr gewonnen hat. Das wünsche ich jetzt zwar keinem Club, würde uns aber helfen (lacht). Unabhängig davon müssen wir uns aber steigern und erst einmal unsere eigenen Spiele gewinnen. Dafür muss die Wurfquote besser werden. Und wenn uns das gelingt, können wir Plätze gut machen und noch Sechster werden.
Wenn ich noch mal Handball spielen möchte, dann kann ich nicht ein halbes oder dreiviertel Jahr gar nichts machen
Wie sehr fehlt Ihnen nach der Pause der Rhythmus? Andy Schmid sagt immer: „Handball spielen ist wie Fahrradfahren. Das verlernt man nicht.“
Reichmann: Da hat er recht (lacht). Ich habe mich schnell wieder reingefunden, habe seit Oktober aber auch bei der zweiten Mannschaft der MT Melsungen mittrainiert. Mir war klar: Wenn ich noch mal Handball spielen möchte, dann kann ich nicht ein halbes oder dreiviertel Jahr gar nichts machen. Das wird nicht funktionieren. Gerade auch mit Blick auf die Knie und die Schultern. Wenn man nicht im Sport drinbleibt, dann wird das nichts mehr und man verletzt sich auch viel zu schnell. Deswegen war es wichtig, den Körper geschmeidig zu halten. Auch wenn ich nicht auf Bundesliga-Niveau trainiert habe.
Wie fit sind Sie?
Reichmann: Ich weiß, dass ich nicht von Anfang an 60 Minuten durchhalten werde. Aber in zwei, drei Wochen bin ich so weit. Es fühlt sich wirklich gut an, aber ein bisschen Zeit brauche ich eben noch.
Wie war das eigentlich in der 3. Liga? Waren die Gegenspieler besonders motiviert oder sind Sie allen davongelaufen?
Reichmann: Letzteres wäre schön gewesen (lacht). Einige waren vermutlich motivierter als sonst, ich habe auch gut einstecken müssen. Aber entsprechend konnte ich auch austeilen, da ich im Rückraum und nicht auf Außen gespielt habe.
In der Abwehr gab es häufiger die Möglichkeit, sich zu revanchieren. Die 3. Liga war eine schöne Erfahrung, auch sportlich, weil ich nur im Rückraum gespielt habe. Und von dort aus hat man viel mehr Möglichkeiten, auf das Spiel Einfluss zu nehmen, weil man ganz einfach viel häufiger den Ball hat. Das hat wirklich eine Menge Spaß gemacht.
Am Sonntag steht mit den Löwen das Pokalviertelfinale beim SC Magdeburg an. Wenn wir ehrlich sind: Schwieriger geht es kaum, oder?
Reichmann: Ja, das ist so. Und wenn man sich die bisherige Saison beider Teams ansieht, spricht wenig für uns. Wir haben nichts zu verlieren, können befreit aufspielen. Ich sage aber auch: Von Magdeburg waren 15 Spieler bei der EM. Und solch ein Turnier schlaucht, besonderes auch mental. Deswegen glaube ich: Wenn man solch eine Mannschaft schlagen möchte, gibt es wahrscheinlich keinen besseren Zeitpunkt als den jetzigen.
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