Handball

Nach Knorr-Kritik: Braucht der Handball den VAR?

Mit seiner Kritik an der Umsetzung des Videobeweises hat Handball-Star Juri Knorr von den Rhein-Neckar Löwen eine Debatte ausgelöst. Sein Boss Uwe Gensheimer hat eine Idee.

Von 
Marc Stevermüer
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Juri Knorr hat eine Debatte in Gang gesetzt. © Marius Becker/dpa

Mannheim. Für die einen ist er ein Fluch, für die anderen ein Segen: der Videobeweis. Das technische Hilfsmittel erhitzt besonders im Fußball die Gemüter. Und seit dem vergangenen Wochenende gibt es diese Debatte auch im Handball. Losgetreten von Juri Knorr, Deutschlands bekanntestem Spieler. Nach dem Final Four um den DHB-Pokal kritisierte der Mittelmann der Rhein-Neckar Löwen den Videobeweis. Die technische Umsetzung sei „auf dem Niveau eines Oberligaspiels“, schrieb der 24-Jährige auf seinem Instagram-Kanal und bemängelte, dass den Unparteiischen kein ausreichendes Bildmaterial für ihre Entscheidungen vorgelegt worden sei. In der Tat bekamen die Zuschauer beim übertragenden Streamingdienst Dyn zum Teil andere Bilder als die Schiedsrichter zu sehen.

„Die besten Bilder müssen zur Verfügung stehen“

Im Nachgang der Pokalendrunde, berichtet Löwen-Sportchef Uwe Gensheimer auf Nachfrage dieser Redaktion, sei genau das auch ein Thema zwischen Vertretern der Handball-Bundesliga, des Deutschen Handballbundes, der Vereine und des Schiedsrichterwesens gewesen. Und er verrät, dass sich die Unparteiischen für den Videobeweis beim Final Four theoretisch die Bilder von allen Kameraeinstellungen hätten ansehen können. Für Gensheimer stellt sich diesbezüglich aber die Frage der Umsetzbarkeit: „Wenn elf unterschiedliche Kameraeinstellungen zur Verfügung stehen, können die Schiedsrichter nicht fünf Minuten lang am Tisch stehen und sich alles ansehen.“ Schon beim Fußball sorgen die oft viel zu langen Unterbrechungen wegen einer Videoüberprüfung für Unmut.

Gensheimer hat deshalb eine Idee: „Bei einem Event wie dem Final Four gibt es Schiedsrichterpaare, die gerade nicht im Einsatz sind.“ Und die, meint der frühere Weltklasse-Linksaußen, könnte man möglicherweise anderweitig gebrauchen. „Vielleicht könnten diese Schiedsrichter beim Videobeweis eine Vorauswahl an Bildern treffen, um diese dann nach bestem Wissen und Gewissen dem Schiedsrichterpaar auf dem Feld vorzulegen.“ Also eine Art Videoschiedsrichter (VAR) – nur mit dem Unterschied zum Fußball, dass dieser nicht von sich aus auch aktiv werden würde, sondern lediglich mit der Auswahl der richtigen Bilder beauftragt ist. Gensheimer räumt ein, dass dies aus personellen Gründen im Ligaalltag zwar nicht umsetzbar sei. Aber eben bei einem Final Four.

Uwe Gensheimer ist ein Befürworter des Videobeweises © Photo: Max Krause/Speedshot.net

Mit der Idee des Ex-Nationalspielers kann sich Löwen-Trainer Sebastian Hinze anfreunden. „Die besten Bilder müssen zur Verfügung stehen, um eine seriöse Entscheidung zu treffen“, sagt der 45-Jährige, der ein Befürworter des technischen Hilfsmittels ist: „Der Videobeweis hat uns nach vorne gebracht, was die Fairness angeht. Und er wird sich entwickeln.“ Ähnlich sieht es Gensheimer: „Die Einführung des Videobeweises ist eine gute Sache. So haben die Schiedsrichter die Möglichkeit, ihre Entscheidung noch einmal zu überprüfen. Das ist ein Vorteil, weil das Spiel immer schneller wird. Aber es gibt noch viele Themen, die man verbessern kann. Schiedsrichter, Liga und Clubs befinden sich diesbezüglich auf einer sachlichen Ebene im Austausch.“

Prominente Unterstützer für Knorr

Knorr hatte als Beispiele für seine Kritik zwei Szenen vom vergangenen Wochenende herangezogen. Im umkämpften und dramatisch verlorenen Halbfinale der Löwen gegen den THW Kiel (31:32 nach Verlängerung) flog Knorrs Teamkollege Olle Forsell Schefvert in der 57. Minute mit einer Roten Karte vom Feld. Die Schiedsrichter Marcus Hurst und Mirko Krag entschieden sich nach Nutzung des Videobeweises für die Disqualifikation. Außerdem geht es Knorr um ein Foul des Balingers Magnus Grupe an ihm im Spiel um den dritten Platz. Grupe hatte für seinen Griff in den Wurfarm des Löwen-Spielmachers von den Schiedsrichtern Nils Blümel und Jörg Loppaschewski eine Zeitstrafe und keine Rote Karte erhalten. „In beiden Situationen wird aufgrund von schlechtem, nicht ausreichendem Bildmaterial falsch entschieden (deshalb auch absolut kein Vorwurf an die Schiedsrichter) und folgend der Ausgang des gesamten Turnieres maßgeblich beeinflusst“, urteilte Knorr, der mit seinen Worten zweifelsohne eine Diskussion angestoßen hat. Zumal der Videobeweis insbesondere im Halbfinale der Mannheimer gegen Kiel überproportional häufig zum Einsatz kam – und immer ging es um eine Entscheidung gegen die Löwen. „Wir waren überrascht über die Häufigkeit“, gibt Gensheimer zu.

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Unterstützung erhält Knorr von Bob Hanning, dem Geschäftsführer der Füchse Berlin. Er meinte gegenüber „Bild“: „Ich kann Juri verstehen, weil wenn ich sechs oder sieben Mal zum Video rausrenne und immer mit einer Zeitstrafe rauskomme, dann darf man das auch mal hinterfragen und man darf dem Frust auch mal freien Lauf lassen.“

Meistertrainer Bennet Wiegert, am Samstag (20 Uhr) mit dem SC Magdeburg nächster Gegner der Löwen, nimmt Knorr ebenfalls in Schutz. Er will dessen Kritik zwar nicht inhaltlich bewerten, ihm gefällt aber, dass sich der Löwen-Star überhaupt äußerte. „Wir alle wünschen uns charakterstarke Spieler, die mal den Mund aufmachen und mal was sagen. Also werde ich das nicht verurteilen“, sagt Wiegert und spricht sich für einen entspannten Umgang mit Knorrs Kritik aus: „Haut da nicht wieder alle drauf. Das kenne ich allzu gut aus Deutschland – und ich mag das nicht.“

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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