Mannheim. Als Jochen Kientz im Dezember 2017 seinen Job als sportlicher Leiter beim SV Waldhof antrat, waren die Mannheimer ein ambitionierter Regionalligist. Knapp vier Jahre später liegt der Aufstieg in die 2. Liga im Bereich des Möglichen. Eine Erfolgsgeschichte, an der Kientz spätestens ab nächstem Sommer, vielleicht schon ab der Winterpause, nicht mehr mitschreiben wird. Mehrere Quellen bestätigen übereinstimmend, dass die Ära des Managers in Mannheim zu Ende gehen wird. Nach Informationen dieser Redaktion ist Kientz zermürbt vom Dauerzwist mit Geschäftsführer Markus Kompp, der in der vergangenen Woche rund um den heftigen Corona-Ausbruch im Team der Mannheimer mit bis zu 17 betroffenen Spielern und Trainern einen neuen Höhepunkt fand. Das Zerwürfnis zwischen Sportchef und Geschäftsführer scheint seitdem besiegelt zu sein.
Das Kientz-Lager wittert eine Kampagne gegen den Ex-Profi mit dem Ziel, ihn als Sündenbock für die Corona-Misere hinzustellen. Für gewaltigen Unmut soll beim Sportchef ein Zeitungsbericht in dieser Woche gesorgt haben, laut dem ein Essen mit der Mannschaft aus Anlass seines 49. Geburtstags am 29. September das Virus ins Team getragen haben könnte. „Ich möchte mich zu dem Thema nicht äußern, weil es vereinsschädigend wäre, wenn ich irgendetwas sage. Wenn einige Personen meinen, dass es richtig sei, mich so hinzustellen, lasse ich mir diesen Schuh aber nicht anziehen“, sagte Kientz dieser Redaktion.
„Kein Mannschaftsabend“
Es sei entgegen der Darstellung in dem Artikel kein „Mannschaftsabend“ gewesen, sondern ein Treffen am Nachmittag in einem abgegrenzten Bereich eines Restaurants in den Mannheimer Quadraten. Der für das Team zuständige Kellner sei getestet gewesen, und Dominik Martinovic, bei dem die Corona-Infektion drei Tage nach dem Spiel gegen Verl am 3. Oktober als erstem SVW-Profi nachgewiesen wurde, habe gar nicht teilgenommen.
Bei der Suche nach den Gründen für den Ausbruch verweist ein gewöhnlich gut informierter Insider stattdessen erneut auf angebliche Nachlässigkeiten bei der Umsetzung des Hygienekonzepts. So seien Tests falsch vorgenommen worden - bei einem nur für die Nase vorgesehenen Schnelltest seien Abstriche in Nase und Mund gemacht worden. Was möglicherweise die Ergebnisse verfälscht und dazu geführt haben könnte, dass Infektionen zunächst unentdeckt blieben. Auch habe mindestens eine Person regelmäßig Tests durchgeführt, die nicht zuvor vom SVW-Hygienebeauftragten Ingo Reich eingewiesen worden sei.
Sportchef Kientz weist die Verantwortung für das Mannheimer Corona-Debakel jedenfalls weit von sich. „Ich habe in meinem Zuständigkeitsbereich alle Regeln eingehalten und meine Aufgaben pflichtbewusst erfüllt“, sagte er nur. Kompp will sich inhaltlich nicht zum Thema einlassen. „Der Aufsichtsrat, das Präsidium und die Geschäftsführung hat die Situation um den Corona-Ausbruch, wie bereits kommuniziert, besprochen und die Erkenntnisse dem Aufsichtsrat übermittelt. An weiteren Gerüchten, Mutmaßungen oder Interpretationen werden wir uns aktuell nicht beteiligen“, teilte er am Freitag mit.
Die Schuldfrage beim Virus-Ausbruch war indes nur der letzte Tropfen, der das Fass im Konflikt zwischen Kompp und Kientz zum Überlaufen gebracht hat. Quellen im Umfeld des Vereins unterstellen dem Geschäftsführer, gegen den Sportchef eine „Politik der Nadelstiche“ angewandt zu haben. Etwa bei der DFB-Geldstrafe nach der Roten Karte im Derby beim FCK, die Kientz im Gegensatz zur zuvor üblichen Praxis selbst bezahlen musste. Oder als Kompp dem Manager ein kleineres Büro zugewiesen haben soll, kurz nachdem Kientz in seinem bisherigen Arbeitsraum auf eigene Kosten eine Klimaanlage installiert habe.
Kompp dementiert Differenzen
Auch einen Zeitungsbericht, in dem Chefscout Tim Schork erkennbar als Kandidat für die Kientz-Nachfolge in Stellung gebracht wurde, führen Vertraute des sportlichen Leiters auf Kompps Einfluss zurück. Das Verhältnis zwischen Schork und Kientz gilt seitdem als irreparabel beschädigt. Kientz selbst hält sich zu den jüngsten Entwicklungen bedeckt, wohl auch, weil er bei kritischen öffentlichen Äußerungen arbeitsrechtliche Schritte gegen sich fürchtet, die zu seiner sofortigen Beurlaubung führen könnten. Eine Zusammenarbeit mit Kompp über das Saisonende hinaus hält ein Kientz-Vertrauter dagegen für ausgeschlossen, eine vorzeitige Trennung für wahrscheinlich. Die Interpretation des Kientz-Lagers: Kompp will den Manager loswerden, um über eine Installation des unerfahrenen Schork als Nachfolger selbst wieder mehr Einfluss auf den sportlichen Bereich zu gewinnen. Kompp wiederum dementiert, dass es gravierende Differenzen mit Kientz gebe: „Ich habe Jochen seinerzeit gegen starke Mitbewerber dem Aufsichtsrat als sportlichen Leiter vorgeschlagen und mich stets für ihn stark gemacht und öffentlich immer, auch in schwierigen Phasen, den Rücken gestärkt. Meinerseits gibt es keine ,atmosphärische Störungen’.“
Sowohl der Vertrag von Kompp als auch der von Kientz laufen am Saisonende aus. Doch während sich der Geschäftsführer, der sich auf die Rückendeckung der Familie von Mäzen Bernd Beetz verlassen kann, große Hoffnungen auf einen Anschlusskontrakt machen kann, wird die Zeit von Kientz beim SV Waldhof enden. Die Frage ist nur noch wann.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/sport/vereine_artikel,-sv-waldhof-beim-sv-waldhof-geht-die-aera-kientz-zu-ende-_arid,1869056.html