Mannheim/Sandhausen.. Als Kenan Kocak zum bislang letzten Mal als Trainer das Carl-Benz-Stadion betrat, löste sich danach alles in Tränen auf. „Das war meine bitterste Niederlage. Das wünsche ich keinem“, sagte Kocak nach dem 0:2 mit dem SV Waldhof gegen die Sportfreunde Lotte im Rückspiel der Aufstiegs-Play-offs zur 3. Liga. Am 29. Mai 2016 verpasste der SVW nach dem 0:0 im Hinspiel die Rückkehr in den Profifußball.
Fast neun Jahre oder 3209 Tage später kehrt Kocak am Mittwochabend erstmals wieder in offizieller Funktion in das Stadion zurück, in dem er als Profi in der 2. Liga für den Waldhof spielte und in dem er zwischen 2013 und 2016 als junger Trainer mit kleinem Etat erfolgreiche Aufbauarbeit in der Regionalliga leistete. Nach dem Scheitern gegen Lotte verließ der Türke, der in Kayseri geboren und in Mannheim aufgewachsen ist, den SV Waldhof gegen eine sechsstellige Ablösesumme und wechselte zum damaligen Zweitligisten SV Sandhausen.
Das war meine bitterste Niederlage. Das wünsche ich keinem.
Wenn Kocak also am Mittwoch (19 Uhr) mit Sandhausen zum Abstiegskracher in der 3. Liga beim SV Waldhof antritt, schließt sich auf mehreren Ebenen ein Kreis. Für den 44-Jährigen, der aus seiner emotionalen Verbundenheit zum SVW nie einen Hehl gemacht hat, wird es ein komplizierter Abend. Irgendwo zwischen Nostalgie und Ergebnisdruck, zwischen warmen Erinnerungen und der harten Realität des Profifußballs.
Denn auch Kocak hat es seit seiner Amtsübernahme im Januar nicht geschafft, den rasanten Absturz der Sandhäuser zu stoppen. Acht Spiele, nur ein Sieg, ein karger Punkteschnitt von 0,63. Der Trend eines Absteigers. Dazu ein aufgeblähter Kader mit 35 Profis, der miserabel zusammengestellt zu sein scheint.
Sandhausen-Trainer Kocak: „Ich hätte es mir nicht so herausfordernd vorgestellt“
Wenn der SVS nicht innerhalb von zwei Jahren von der 2. in die 4. Liga befördert werden will, braucht Kocak in Mannheim dringend die Trendwende. Das wiederum würde die Sorgen seines erklärten Lieblingsvereins SV Waldhof im Abstiegskampf weiter verschärfen – momentan trennen beide Teams nur zwei Punkte. „Die Situation ist so, das kann man nicht ändern. Ich freue mich auf das Spiel, aber die Partie hätte natürlich für beide Mannschaften unter besseren Voraussetzungen stattfinden können“, sagte Kocak am Montag.
Nach Stationen bei Hannover 96, als Co-Trainer der türkischen Nationalmannschaft und beim türkischen Zweitligisten Ankaragücü war Kocak Anfang des Jahres an den Hardtwald zurückgekehrt. Er übernahm ein Team, in dem es an allen Ecken und Enden kriselte, das von Platz eins ins hintere Mittelfeld der Tabelle durchgereicht worden war. „Ich hätte es mir nicht so herausfordernd vorgestellt“, sagte Kocak. Aber er hat diese Herausforderung angenommen - und sieht Fortschritte, die ihn hoffnungsvoll stimmen, dass zumindest der Klassenerhalt gelingen wird.
Waldhof gegen Sandhausen ohne Ferati und Fein: „Muss kein Nachteil sein“
„Die Hoffnung ist größer als zuvor. Ich sehe, in was für einem Prozess wir uns befinden und ich bin überzeugt von der Mannschaft“, sagte Kocak. „Logisch, wenn man auf die Ergebnisse schaut, denkt ihr: Was erzählt denn der? Aber ich sehe, wie wir inhaltlich arbeiten.“ Am vergangenen Samstag kam der SVS gegen das abgeschlagene Schlusslicht Unterhaching nicht über ein 2:2 hinaus.
Ins nahe Mannheim werden die Sandhäuser von knapp 500 Fans begleitet. Profis und Trainerteam finanzieren den Anhängern sowohl die Tickets als auch die Anreise. Für Kocak eine selbstverständliche Aktion nach der harten Fußball-Kost, die sein Team zuletzt angeboten hat. „Wir sind froh, damit die Gemeinschaft und das Miteinander zu stärken. Wir können es nur gemeinsam schaffen“, sagte der 44-Jährige.
Sandhausens Präsident Jürgen Machmeier hatte Kocak zuletzt trotz der sich verschärfenden Krise sein Vertrauen ausgesprochen. Es liege nicht am Trainer, meinte der Heidelberger Immobilienunternehmer, der Teilen der Mannschaft die nötige Mentalität abgesprochen hat. „Wir haben zu viele Weichlinge in der Mannschaft, die sich gar nicht dagegenstemmen“, sagte er in der „Rhein-Neckar-Zeitung“.
Dass der SV Waldhof ohne die gelb-gesperrten Kreativspieler Arianit Ferati und Adrian Fein vielleicht einfacher zu schlagen sein könnte, glaubt Kocak nicht. „Waldhof ist auch in der Breite gut besetzt, sie werden sich mit Sicherheit etwas einfallen lassen. Englische Woche, frische Kräfte, ich sehe es nicht unbedingt als Nachteil“, sagte er vor seiner Rückkehr ins Carl-Benz-Stadion. 3209 Tage nach dem tränenreichen Scheitern gegen Lotte.
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