Berlin. Es war eine kurze, aber vielsagende Nachricht, die Christian Arbeit vor dem Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg per WhatsApp verschickte. Wenige Stunden vor dem Anpfiff im Stadion An der Alten Försterei bekamen die für Union zuständigen Berliner Journalisten eine Grafik mit neun Zeilen und vier Spalten auf ihre Handys. Inhalt der Grafik: die Paarungen des achten Spieltags der Fußball-Bundesliga, die Kapazität der Stadien der Heimmannschaften, die aktuell coronabedingt zugelassene Zuschauerzahl und die Info, ob im jeweiligen Stadion die 2G- oder 3G-Regel gilt. Aussage der Grafik und der Nachricht: Bei Union waren, unabhängig von 2G und 3G, von allen Heimteams prozentual die wenigsten Zuschauer zugelassen.
Dass die Fans bei Union Berlin ein dominantes Thema sind, ist nichts Neues. Das war schon so, bevor sich Präsident Dirk Zingler Sommer 2020 als einer der Ersten sehr offensiv für deren Rückkehr in die Stadien starkmachte - und das ist auch vor dem Gastspiel beim SV Waldhof Mannheim in Runde zwei des DFB-Pokals am kommendenMittwoch (18.30 Uhr, Carl-Benz-Stadion) nicht anders. Nicht zuletzt bedingt durch Ausschreitungen bei Unions letztwöchigem Europapokalspiel in Rotterdam. Das Sportliche, nämlich, dass die Berliner bislang abermals eine exzellente Saison spielen, geht dabei fast unter. Auch, weil die Verantwortlichen trotz Platz fünf in der Bundesliga mit eiserner Konsequenz weiterhin von nicht mehr als dem Klassenerhalt sprechen.
Reizfigur Zingler
Seitdem Union Berlin im Sommer 2019 in die Bundesliga aufgestiegen ist, sorgt der Club dort für Furore - auf dem Platz und auch abseits davon. Gewissermaßen war das genau so zu erwarten. Der Verein aus Berlin-Köpenick ist einer mit Charakter. Die Fans sind enthusiastisch, laut und ihrem Club oft seit langem treu verbunden. So wie Union-Präsident Dirk Zingler.
Seit mittlerweile 17 Jahren führt der 57-jährige die Riege der Union-Verantwortlichen als Präsident an. Er tut dies mit viel Engagement, seiner eigenen Art und ohne Angst, sich in der Öffentlichkeit auch kontrovers zu äußern. Sei es zum Thema Zuschauer in Zeiten von Corona oder zur geplanten europäischen Super League - Zingler spricht über vieles, stets direkt und oft öffentlichkeitswirksam. So wie im Vorfeld des erwähnten Heimspiels gegen Wolfsburg, als die Unioner nicht bloß Tabellen per WhatsApp verschickten, sondern auch per Eilantrag an das Berliner Verwaltungsgericht - schlussendlich vergeblich - versuchten, ihre Zuschauerkapazität von gut 11 000 auf 18 000 zu erhöhen. „Ich glaube, dass wir klare Regeln brauchen für Besucher und Veranstalter und die fehlen zurzeit“, sagte Zingler in diesem Zuge und kritisierte auch, aber nicht nur die Berliner Gesundheitsverwaltung.
Aus sportlicher Sicht hingegen gibt es bei Union dieser Tage kaum Grund für Kritik. Mit 16 Punkten aus den ersten neun Spielen ist die Mannschaft von Trainer Urs Fischer genauso gut in die neue Saison gestartet wie in der vergangenen Spielzeit, die bekanntermaßen mit der Qualifikation für die European Conference League endete.
Herausragende Heimbilanz
Dazu ist man in der Bundesliga Zuhause seit nunmehr 21 Partien ungeschlagen, spielte zuletzt Unentschieden gegen starke Leverkusener und besiegte unter anderem die Champions League erprobten Wolfsburger. Dass Urs Fischer anschließend von „einer Momentaufnahme“ sprach und erneut den Klassenerhalt als Ziel ausgab, lässt sich irgendwo zwischen Understatement und Tiefstapelei einordnen.
Fakt ist: Union Berlin hat sich spätestens in seiner dritten Bundesligasaison eindrucksvoll in der Beletage des deutschen Fußballs etabliert. Und das nicht zufällig, sondern dank einer Mannschaft, die von einem guten Trainer taktisch wie mental gut eingestellt regelmäßig guten Fußball spielt. Dennoch fühlt man sich bei Union Berlin wohl in der Rolle des frei aufspielenden Underdogs und tut zumindest abseits des Platzes viel dafür, sich diesen Status zu bewahren.
Fakt ist aber auch: Am Mittwoch in Mannheim müssen die Berliner der unliebsamen Rolle des Favoriten gerecht werden. Sei es der zuletzt sehr treffsichere, im Sommer aus Liverpool verpflichtete Stürmer Taiwo Awoniyi, die zwar von Verletzungen gebeutelte, aber dennoch sichere Defensive oder einfach die Tatsache, dass Union als Erstligist im Carl-Benz-Stadion auf einen zuletzt Corona-geplagten Drittligisten trifft - die Argumente dafür, dass dies gelingt, sind zahlreich.
Nicht zuletzt würde der Einzug ins Pokal-Achtelfinale den Union-Verantwortlichen wohl auch helfen, darüber hinwegzusehen, dass beim Drittligisten aus Mannheim mit rund 17 000 Zuschauern aktuell mehr Fans erlaubt sind als beim Bundesligisten aus Berlin-Köpenick.
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