Ulm/Mannheim. Der Begriff „Barackler“ hat in Fußball-Deutschland zumindest einen etwas zwiespältigen Ruf, und selbst in der Mannheimer Stadtgesellschaft würden sich wohl die wenigsten gerne so bezeichnen lassen. Im Umfeld des SV Waldhof klingt die einstige Schmähung dagegen wie Musik, und der „Barackler des Jahres“ ist inzwischen eine Ehrenbezeichnung, die ihresgleichen sucht. Dass seit dem vergangenen Samstag ausgerechnet ein Profi aus dem Kader eines Drittliga-Konkurrenten die Auszeichnung des SVW-Fanclubs „DoppelPass“ erhielt, scheint auf den ersten Blick kurios. Doch mit dem langjährigen SVW-Kapitän Marcel Seegert hätte das Auswahlgremium sicher keinen besseren Kandidaten finden können.
„Marcel ‚Cello‘ Seegert verkörpert auf und neben dem Platz stets jene Werte, die den Waldhof-Geist ausmachen: Leidenschaft, Bodenständigkeit und Identifikation“. Der 31-Jährige ist einer, der den Verein nicht nur repräsentiert, „sondern tief in sich trägt“, begründete „DoppelPass“ seine Wahl. Dabei spielte sicher auch der Umgang mit dem verdienten Abwehrspezialisten in der Vorbereitung und zu Saisonbeginn eine Rolle.
Nachgeholter Abschied vom Alsenweg
So sortierte der damalige Trainer Dominik Glawogger Seegert im Sommer mehr oder weniger aus. Zum Saisonstart gegen den SC Verl Anfang August fand sich der langjährige Kapitän wie Teamkollege Terrence Boyd nur auf der Tribüne wieder – woraus Seegert seine Konsequenzen zog. Nur drei Tage später stand das für viele Undenkbare fest: Seegert, der 2014 vom SV Sandhausen zum SVW zurückkehrte und nicht erst nach dem Aufstieg 2019 eine Waldhof-Institution war, wechselt zum SSV Ulm und wird in der 3. Liga nun ein anderes Trikot als das blau-schwarze tragen.
Die Rückkehr nach Mannheim am spielfreien Wochenende, um die Ehrung zum „Barackler des Jahres“ beim Stadionfest „100 Jahre Alsenweg“ entgegenzunehmen, war für den gebürtigen Mannheimer deshalb auch so etwas wie ein nachgeholter Abschied, der im Sommer so nicht möglich war. „Damals blieb ja gar keine Zeit, sich irgendwie würdig zu verabschieden, wie es der Sache nach der langen Zeit beim Waldhof angemessen gewesen wäre. Entsprechend war es schön, dass ich da mit vielen Menschen jetzt nochmal in Ruhe sprechen konnte. Das war viel wert“, sagt Seegert im Gespräch mit dieser Redaktion und freute sich über die Auszeichnung. „Das hat mich sehr gerührt und darauf bin ich auch sehr stolz.“
Auch mit den ehemaligen Teamkollegen kam Seegert bei seiner Rückkehr an den Alsenweg natürlich ins Gespräch. Inzwischen läuft der Profi-Alltag unter dem Ulmer Münster aber ganz in schwäbischer Taktung. Auch privat ist Seegert inzwischen in Ulm angekommen. Nach den ersten Tagen und Wochen im Hotel hat der 31-Jährige mit Frau Viviana, die er Anfang September geheiratet hat, inzwischen eine Wohnung in Senden vor den Toren der Münsterstadt bezogen.
„Da haben wir echt etwas Schönes gefunden. Von dort sind es 15 Minuten bis zum Trainingszentrum“, berichtet der SSV-Profi von der neuen Bleibe, die auch entsprechend Raum für Kind und Hund bietet. Schließlich werden die Seegerts in rund drei Wochen erstmals Eltern „und dann soll ja auch genügend Platz für Besuche der Eltern oder Schwiegereltern sein“, sagt Seegert, der Familienmensch.
Auf den Innenverteidiger kommen also spannende Zeiten zu, die er kaum abwarten kann. Daneben gilt es aber zugleich, die sportlichen Herausforderungen mit Ulm zu meistern. Denn nach den unruhigen Zeiten im Mannheimer Sommer erlebte der Kult-Kicker des SVW auch bei seinem neuen Club gleich die ersten Umbrüche. So musste SSV-Trainer Robert Lechleiter nach dem 1:3 beim 1. FC Saarbrücken Mitte September gehen, sechs Punkte aus sechs Spielen waren für den Zweitliga-Absteiger ein glatter Fehlstart. Unter Interimstrainer Moritz Glasbrenner, der inzwischen das Vertrauen als Chefcoach ausgesprochen bekommen hat, holten die Spatzen in den folgenden vier Spielen sieben Zähler und sind punktgleich mit dem SV Waldhof (je 13) auf Rang zwölf.
Im Gleichschritt mit dem Ex-Verein
„Wir bewegen uns tatsächlich etwas im Gleichschritt“, blickt Seegert beispielsweise auf den Spieltag vor der jüngsten Länderspielpause, als beide Teams die Chance hatten, oben heranzurücken, aber jeweils ein 1:4 kassierten und nun wieder den Blick nach unten richten müssen. Wie der Waldhof am Freitagabend in Aue will daher auch Ulm (am Sonntag gegen Cottbus) diesen Eindruck wieder gerade rücken. Den Wechsel nach Ulm bereut Seegert weiterhin nicht – auch wenn sich die Vorzeichen beim Waldhof nach seinem Abschied bekanntermaßen schnell änderten und mit Luc Holtz inzwischen ein neuer Coach am Ruder ist. „Die Mannschaft ist total unkompliziert, richtig sympathisch und hat viele junge Spieler. Wir müssen mit 19 Neuen eben auch einen gehörigen Umbruch im Kader meistern, haben uns aber ganz gut gefangen und müssen mal schauen, wie es jetzt weitergeht“, weiß Seegert um die Ambitionen des Zweitliga-Absteigers.
Eine der größten persönlichen Herausforderungen ist dabei sicher die Rückkehr ins Carl-Benz-Stadion Anfang Februar des nächsten Jahres. Schon das erste Aufeinandertreffen mit den alten Kollegen, nur kurz nach seinem Wechsel, war ein seltsames Ereignis für Seegert.
„Dass es dazu nochmal kommt, dass ich gegen den Waldhof spiele, war ja so eigentlich nicht mehr zu erwarten“, war der Plan vielleicht eher der, die Karriere beim SVW zu beenden. „Jetzt ist es eben anders und für alle Seiten vielleicht am besten gekommen“, sagt Seegert und muss sich für die Partie in Mannheim sicher keine Sorgen machen. Als „Barackler“ bekommt man dort schließlich immer einen ganz besonderen Empfang.
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