Eishockey

Was Eishockey-Bundestrainer Harold Kreis bei der WM erreichen will

Seine Vorgänger haben große Fußspuren hinterlassen. Der neue Eishockey-Bundestrainer Harold Kreis will den eingeschlagenen Weg von Marco Sturm und Toni Söderholm weitergehen - und seine Handschrift hinterlassen

Von 
Christian Rotter
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Harold Kreis bereitet die Nationalmannschaft auf die WM in Finnland vor. © DEB/City-Press

Herr Kreis, als Sie Ende Januar als Bundestrainer vorgestellt wurden, haben Sie gesagt, das sei eine große Ehre für Sie. Wie viel „Traum“ ist vom Traumjob nach den ersten Spielen geblieben? Und wie viel harte Arbeit steckt dahinter?

Harold Kreis: Ich habe eine sehr verantwortungsvolle Position im deutschen Eishockey übernommen. Bis man die Tätigkeit wirklich ausübt, kann man sie sich gar nicht richtig vorstellen, weil ein Bundestrainer anders arbeitet als ein Clubtrainer.

Inwiefern?

Kreis: Die Arbeit eines Clubtrainers findet zu 65 Prozent mit der Mannschaft auf dem Eis statt. Nur 35 Prozent hat mit der Planung und der Organisation von Dingen zu tun. Bei der Nationalmannschaft ist das anders, weil du eine viel größere Anzahl von Spielern hast, mit denen du in Kontakt stehst. Du hast die vielen Maßnahmen, An- und Abreise. Es ist viel zu tun, die Arbeit ist sehr umfangreich. So sieht der Job aber nun einmal aus - und das ist etwas, das ich gerne mache.

Harold Kreis

  • Der am 19. Januar 1959 im kanadischen Winnipeg geborene 180-fache deutsche Nationalspieler absolvierte im Mannheimer Trikot 891 Spiele in der Bundesliga/DEL (1978 bis 1997).
  • Höhepunkte waren die Meisterschaften 1980 und 1997. Die Titel 1998 und 1999 erlebte Kreis als Co-Trainer mit. Als Headcoach gewann er zwei Titel in der Schweiz.
  • 2012 führte Kreis die Adler ins Finale, in dem sie Berlin in fünf dramatischen Spielen unterlagen. 2013 kam das Aus bereits im Viertelfinale gegen Wolfsburg.
  • Kreis wurde am 31. 12. 2013 in Mannheim entlassen. 

Macht Ihnen dieses andere Arbeiten Spaß?

Kreis: Ich war vorher nie jemand, der groß telefoniert hat, aber ich gewöhne mich langsam daran. Aber klar: Der Job macht mir sehr großen Spaß! Wenn du siehst, was die Leute in unserem Verband für ein Rad drehen, dann ist das beeindruckend.

Phase zwei der WM-Vorbereitung ist abgeschlossen. Wo sehen Sie Ihr Team nach den beiden Länderspielen gegen Österreich?

Kreis: Zu den beiden anstehenden Testspielen in der Slowakei kommen nur die beiden Wolfsburger Spieler Dustin Strahlmeier und Dominik Bittner dazu. Ansonsten sehen wir die gleiche Mannschaft wie gegen Österreich. Wir arbeiten daran, konstruktiv in die Offensivzone zu kommen, am Umgang mit der Scheibe und an Über- und Unterzahl. Wie wichtig ein funktionierendes Powerplay ist, zeigen die NHL-Play-offs. Die Edmonton Oilers erzielten ein Drittel ihrer Tore in Überzahl.

Gegen die Slowakei werden also weder die Spieler der DEL-Finalisten noch die Schweden-Legionäre Tobias Rieder und Tom Kühnhackl dabei sein. Wie ist hier der Stand der Dinge?

Kreis: Wir haben abgewartet, wie lange die Finalserien gehen und fangen jetzt mit der intensiveren Kontaktaufnahme an. Konkreteres kann ich noch nicht sagen.

Ein Thema sind auch noch die Nordamerika-Legionäre Leon Gawanke, Lukas Reichel und Kai Wissmann. Wie groß ist die Hoffnung auf dieses Trio?

Kreis: DEB-Sportdirektor Christian Künast hat zu diesen Spielern und ihren Clubmanagern mehr Kontakt als ich. Insofern kann ich nicht so viel dazu sagen. Alle drei befinden sich im Moment mit ihren Vereinen noch in den Play-offs. Je nachdem, wie lange diese für sie dauern, kann es sein, dass sie für uns gar nicht zur Verfügung stehen. Bis sie frei sind und zusagen, können wir nicht mit ihnen planen.

Bis auf Daniel Fischbuch, der in der nächsten Saison das Adler-Trikot tragen wird, ist kein Spieler aus Mannheim dabei - wieso?

Kreis: Die Mannheimer Spieler, die wir angesprochen haben, haben verletzungsbedingt abgesagt. Niemand hat abgesagt, weil er keine Lust auf die Nationalmannschaft hat.

Für den nachgerückten Strahlmeier muss Arno Tiefensee weichen. Welchen Eindruck hat der junge Adler-Torhüter in der Woche bei der Nationalmannschaft auf Sie gemacht?

Kreis: Ich habe Arno in den Play-offs oft genug beobachten können, war gegen Köln und Ingolstadt häufig im Stadion. Für sein Alter ist er sehr abgeklärt, spielt mit großem Selbstvertrauen und hat ein gutes Positionsspiel. Er wirkt wie ein sehr erfahrener Torwart. Das war der Grund, warum wir ihn zumindest einmal im Dunstkreis der Nationalmannschaft dabei haben wollten. Er hat seine Erfahrungen gemacht und ist sicherlich ein Thema für die Zukunft.

Haben Sie ihm etwas mit auf den Weg gegeben?

Kreis: Unser Torhütertrainer Sebastian Elwing hat einen Report erstellt. Der wird dann auch an den Club weitergeleitet.

Tim Stützle hat von seinem NHL-Club Ottawa Senators keine Freigabe für die WM erhalten, Moritz Seider musste verletzungsbedingt passen. Wie beurteilen Sie das?

Kreis: Ich habe mit Mo gesprochen. Die Situation in Nordamerika ist immer speziell. Eine harte Saison steckt in den Knochen der Spieler. Er spielt sehr viel, hat die zweitmeisten geblockten Schüsse - das muss man alles berücksichtigen. Ich habe absolutes Verständnis dafür, dass er seine Blessuren auskurieren will. Wenn er sagt, dass er dieses Jahr leider pausieren muss, ist das für mich vollkommen nachvollziehbar.

Dass einige gesetzte Spieler abgesagt haben, öffnet die WM-Tür für andere, wie zum Beispiel Adler-Zugang Daniel Fischbuch. Was für ein Stürmertyp ist er?

Kreis: Daniel ist ein Spieler, der sehr instinktiv spielt und schlittschuhläuferisch gut ausgebildet ist. Er hat in seinem Spiel gewisse Überraschungsmomente. Mit zwei, drei schnellen Schritten ist er an seinem Gegenspieler vorbei oder lässt ihn auch mit einer trickreichen Bewegung stehen. Daniel hat Fähigkeiten, die ihn unberechenbar machen.

Eine Sportart wie Eishockey definiert sich in der deutschen Sportlandschaft in erster Linie über den Erfolg des Nationalteams. Wie viel Druck verspüren Sie?

Kreis: Laut Billie Jean King ist Druck doch ein Privileg. Zwar trage ich die Hauptverantwortung, aber ich bin ja nicht alleine. Ich spüre den Willen, unsere Ziele zu erreichen. Wir wollen den größtmöglichen Erfolg. Ich empfinde das nicht als Druck, sondern als ständiges Arbeiten. Ich empfinde Druck nicht per se als etwas Negatives, sondern als Ansporn, das Beste aus der Mannschaft herauszuholen.

Zum WM-Auftakt geht es ab dem 12. Mai gegen Schweden, Finnland und die USA. Hätte zum Start leichter kommen können, oder?

Kreis: Man kann sich die Reihenfolge der Gegner ja nicht aussuchen. Vielleicht sind die Kader unserer ersten WM-Gegner zu diesem frühen Zeitpunkt auch noch nicht ganz komplett. Sie werden Plätze offen lassen für den einen oder anderen Spieler. Für uns ist es wichtig - und das ist die Entwicklung, die die Mannschaft in den vergangenen Jahren genommen hat - dass wir in jedes Spiel mit der Einstellung gehen, dass wir es gewinnen wollen. Für uns spielt es eigentlich keine Rolle, gegen wen wir antreten. Wir werden bereit sein.

Profitieren Sie bei diesem Mindset auch von der Arbeit Ihrer Vorgänger Marco Sturm und Toni Söderholm, die das in der Mannschaft implementiert haben?

Kreis: Der Nachfolge-Trainer nimmt immer etwas mit vom Vorgänger. Die Mannschaft hat unter Marco und Toni sehr gute Fortschritte gemacht im Bereich Spielidentität. Natürlich profitiere nun auch ich von dieser Einstellung.

Bei der WM geht es auch um die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2026. Macht dies das Turnier in Finnland und Lettland noch wichtiger?

Kreis: Ja, natürlich, das ist das große Bild. Wir wollen bei der WM ins Viertelfinale einziehen und uns direkt für die Olympischen Spiele qualifizieren. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir uns konsolidieren und jedes Spiel nach dem anderen angehen. Ich kann nicht schon an die Olympia-Qualifikation denken und das Spiel gegen Schweden vernachlässigen.

Sie haben unter anderem 1988 in Calgary als Spieler an Olympia teilgenommen. War das Ihr internationaler Karrierehöhepunkt?

Kreis: Ja, Olympische Spiele sind immer etwas Spezielles. Für mich als gebürtigen Kanadier fanden sie damals noch dazu im eigenen Land statt. Der Olympische Geist ist etwas Einmaliges. Calgary und ganz Kanada haben die Winterspiele 1988 gelebt. Das war außergewöhnlich.

Redaktion Koordinator der Sportredaktion

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