Pyeongchang. Nur ein Beckenbruch. So schlimm das klingt, die Nachricht nach dem Horrorsturz dieser Winterspiele war eine Erleichterung. Im Achtelfinale des spektakulären Skicross-Wettbewerbs erwischte der erfahrene Kanadier Christopher Delbosco einen Sprung falsch, drehte in der Luft einen Salto und krachte mit dem Rücken aus großer Höhe auf die Strecke. Als der Olympiavierte von 2010 nach einer zehnminütigen Notfall-Behandlung auf einem Bergungsschlitten abtransportiert wurde, grüßte er die erleichterten Fans im Phoenix Snow Park mit dem Daumen nach oben. Nach erster Diagnose keine Wirbelbrüche, keine Lähmungserscheinungen – Delbosco hatte Glück im Unglück.
Eine Stunde später war sein Landsmann Brady Leman Olympiasieger und die drei deutschen Skicrosser um Medaillenkandidat Paul Eckert mussten ihr enttäuschendes Achtelfinal-Aus erklären. „Wir haben eine große Chance für unsere Sportart in Deutschland verpasst und kriegen jetzt bestimmt einiges ab. Von uns werden Medaillen verlangt, Platz 4 bis 31 interessieren doch niemanden“, sagte Eckert. Er galt als die größte Medaillenhoffnung der Freestyler, schließlich hatte er den letzten Weltcup gewonnen und Platz zwei beim Olympiatest an gleicher Stelle belegt.
Die geplatzten Träume von Eckert und Co. waren jedoch gar nicht das große Thema, vielmehr diskutierten alle über die Gefährlichkeit der Olympiastrecken. „Der Sturz schaut krass aus und er hat sich verletzt. Aber das war ein Fahrfehler von ihm, da kann die Strecke nichts dafür“, ordnete Eckert die Szene ein.
Folge von Fahrfehlern
Auch die anderen folgenschweren Crashs des Franzosen Terence Tchiknavorian (Schienbeinbruch) und des Österreichers Christoph Wahrstötter (Gehirnerschütterung) seien den Sportlern zuzuschreiben, die im Positionskampf mit drei anderen Crossern in Millisekunden richtige oder eben falsche Entscheidungen treffen müssten.
Der Olympiakurs sei laut Eckert einen Tick schneller als andere gebaut, aber nicht unfahrbar. Sein Teamkollege Florian Wilmsmann übte dagegen Kritik: „Das bewegt sich schon am Limit. Skicross ist schon spektakulär, aber bei Olympia wollte man halt noch eine Schippe drauflegen.“ Vor allem der gewaltige Zielsprung wurde allgemein kritisiert, bei dem es Sprünge über 50 Meter gab. „So werden die Jungs zu Skispringern. Beim Skicross sollte es ja eigentlich darum gehen, Überholmanöver zu ermöglichen und dramatische Rennen zu garantieren“, kommentierte der deutsche Freestyle-Chef Heli Herdt.
Auch bei den Snowboardcrossern hatte es Verletzte gegeben, am schlimmsten erwischte es den Österreicher Markus Schairer mit einem Halswirbelbruch. Glücklicherweise ohne Folgeschäden. Athletensprecher Konstantin Schad sprach davon, dass er ein Problem habe, bei jedem Sprung einen Genickbruch zu riskieren: „Die Entwicklung bei uns geht in Richtung Tod.“
So drastisch sehen es die Skicrosser auch nach der Sturzserie freilich nicht. Heli Herdt brachte die Essenz der Sportart, bei dem vier Läufer gleichzeitig auf einem Kurs mit Wellen, Steilkurven und Sprüngen fahren, auf den Punkt: „Großer Sport, großes Risiko.“ Das beste Beispiel war der Schweizer Marc Bischofsberger. Er war am Tag vor der Entscheidung im Training schwer gestürzt und hatte Rückenprobleme. „Heute früh beim Einfahren habe ich gedacht, dass ich wegen der Schmerzen nicht starten kann. Jetzt habe ich Olympiasilber gewonnen. Diese Sportart ist schon verrückt.“
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