Fazit - Deutsche Medaillen-Rekordbilanz, olympischer Frieden und Diskussion um eigene Olympia-Bewerbung

Ein Wintermärchen

Von 
Lars Becker
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Das Olympische Feuer brennt während der Schlussfeier über dem Olympiastadion. Jetzt ist es erloschen. © dpa

Pyeongchang. „So sehen Sieger aus“, skandierten die Sportler des deutschen Olympiateams auf den Zuschauerrängen des Gangneung Hockey Centres. Sie feierten schon nach dem Triumph gegen Kanada den sensationellen Medaillengewinn des grandiosen deutschen Eishockeyteams, dessen märchenhafter Siegeszug erst im Finale gestoppt wurde. Sieger gab es bei den Olympischen Winterspielen von Pyeongchang viele. Das Team Deutschland erlebte mit 14 Gold und insgesamt 31 Medaillen ein Winter(sport)märchen und fährt als eine der beiden Topnationen der Welt neben Norwegen mit der besten Bilanz seit der Wiedervereinigung nach Hause. Der Erfolg hat sogar die Vision von der Ausrichtung Olympischer Spiele in Deutschland wiederaufleben lassen. Auch Olympia selbst war als Friedensstifter für das gemeinsam auftretende Team von Gastgeber Südkorea und Nordkorea ein Gewinner.

„Es waren in vielerlei Hinsicht gelungene Olympische Spiele. Wir haben hier nicht nur einige sporthistorische Leistungen erreicht – ich nenne hier exemplarisch die Eishockeyspieler, die Erfolge der Kombinierer oder den ersten Paarlaufsieg von Savchenko/Massot seit 66 Jahren. Wir haben aber auch mit unserem Teamspirit und in Sachen Fairplay überzeugt“, bilanzierte Alfons Hörmann als Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Nach der Enttäuschung bei den Winterspielen von Sotschi mit nur 19 Medaillen ist der deutsche Wintersport wieder auf dem Olympiagipfel angekommen. Das sei aber kein Grund, so Hörmann, sich zurückzulehnen.

Zusatz-Millionen möglich

Der DOSB-Chef will die olympischen Erfolge nutzen, um in den im Zuge der Leistungssportreform anstehenden Verhandlungen mit dem Bundesinnenministerium mehr Geld herauszuholen. Von bis 100 Millionen Euro zusätzlich zu den derzeit etwa 160 Millionen Euro ist die Rede. Es geht aber nicht nur ums Geld, es geht auch um die Ausrichtung Olympischer Spiele in Deutschland. „Wenn die Erfolge hier dazu beigetragen haben, die Diskussion über eine deutsche Olympia-Bewerbung neu zu entfachen, dann ist das ein gutes Zeichen“, sagte Hörmann. Nach den am Bürgerwillen gescheiterten Bewerbungen von München 2022 und Hamburg 2024 formiert sich gerade in der Rhein-Ruhr-Region eine Initiative für Sommerspiele 2032. Auch im Koalitionsvertrag ist vom Aufbau und der Umsetzung „einer langfristig angelegten Strategie für Sportgroßveranstaltungen, insbesondere olympische und paralympische Spiele“ die Rede.

Olympischer Sport ist hierzulande wieder sexy, vor allem, wenn Deutsche gewinnen. Das haben auch die Millionen-Einschaltquoten im TV zu wahrlich nicht perfekten Sendezeiten bewiesen. Es gab in diesen Tagen von Pyeongchang im deutschen Team neben den „Goldhamstern“ wie Bob, Rodeln, Biathlon, Nordische Kombination oder Skispringen aber auch Verlierer. Die Eisschnelllauf-Sparte um die 46 Jahre alte Claudia Pechstein erlebte genauso eine der schwächsten Olympia-Ergebnisse aller Zeiten wie die gleichfalls medaillenlosen Skilangläufer. „Über diese Teilbereiche wird nach Olympia zu reden sein – genau wie über die sogenannten jungen Sportarten“, kündigte Dirk Schimmelpfennig, deutscher Chef de Mission bei Olympia, an.

Hölz fordert Unterstützung

Mit den jungen Sportarten sind Ski-Freestyle und Snowboard gemeint, wo die Zahl der zu gewinnenden Olympia-Goldmedaillen 2022 in Peking auf mindestens 22 steigen wird. Bei diesen Winterspielen verhinderten am Abschluss-Wochenende die Snowboarderinnen Selina Jörg und Ramona Hofmeister mit Silber und Bronze im Parallel-Riesenslalom ein totales Medaillen-Desaster. Verbandschef Michael Hölz (Heidelberg) nutzte den Erfolg, um eine Million Euro mehr für seinen Verband zu fordern: „Ich erwarte von der Politik, dass die Versprechungen eingehalten werden. Die neuen Sportarten brauchen mehr finanzielle Unterstützung.“

Einige Sportler wie die Ski-Slopestylerin Kea Kühnel mussten 20 000 Euro und mehr aus eigener Tasche investieren, um sich ihren olympischen Traum überhaupt erfüllen zu können. „In diesem Bereich schläft der deutsche Sport. Da ist nicht nur im Freestyle so, sondern auch in anderen dieser Sportarten wie BMX oder Skateboard“, kritisierte Heli Herdt als sportlicher Leiter im Bereich Freestyle im Deutschen Skiverband (DSV). In Sachen Olympia kritisierte er die von einigen Sportlern als „lebensgefährlich“ eingestuften Skicross-Strecken, auf denen sich mehrere Sportler Wirbelbrüche und andere schwerste Verletzungen zuzogen.

Das war neben der in einigen Sportstätten fehlenden Olympia-Stimmung (Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster: „Wie im Deutschland-Pokal“) einer der wenigen Kritikpunkte an den Winterspielen in Südkorea. In Sachen Organisation, Sportstätten, Sicherheit und vor allem Freundlichkeit setzten die Olympia-Gastgeber neue Maßstäbe.

Freier Autor 25 Jahre weltweit für Nachrichtenagenturen und große Zeitungen unterwegs, 11 Olympische Spiele, zahlreiche Weltmeisterschaften in unterschiedlichen Sportarten und Formel-1-Rennen, Wirtschaftsexperte, Autor für Kinderzeitschriften und Wissenschafts-Seiten, Betreuung von Social-Media-Kanälen

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