Pyeongchang. Ein Niederländer ist für Kanada Eisschnelllauf-Olympiasieger geworden, Gastgeber Südkorea hat gleiche eine Handvoll Sportler aus aller Welt für die Winterspiele verpflichtet, eine US-Amerikanerin steuert den Jamaika-Bob ist das Projekt „Cool Runnings 2“ und der nackte Südpazifik-Held der Olympia-Eröffnungsfeier ist in Australien geboren. In den Zeiten der Globalisierung werden Ländergrenzen auch im Sport fließend. Und meist spielen die Erfüllung eines persönlichen Olympiatraums oder schlichtweg Geld bei der ganzen Geschichte die entscheidende Rolle.
Eines der prominentesten Beispiele dafür sind Aljona Savchenko/Bruno Massot, die inmitten des Goldregens für das deutsche Olympia-Team die wohl beste Geschichte dieser Winterspiele von Pyeongchang schrieben. Für den Wechsel des Franzosen Massot zahlte die Deutsche Eislauf-Union 30 000 Euro an den Heimatverband des Paarläufers. Nur so konnte er mit Savchenko, die bei Olympia 2002 noch für ihr Heimatland Ukraine gelaufen war ein multinationales Traumpaar bilden. „Du weißt nie, welches Blut in deinen Adern fließt“, hat Savchenko dazu pathetisch gesagt.
Deutsche Kritik unangebracht
Ganz nüchtern betrachtet, wurde diese Goldmedaille für Deutschland schlichtweg gekauft. Die deutsche Kritik an ähnlichen Praktiken in anderen Ländern – wie zum Beispiel bei der Handball-WM in Katar an der aus internationalen Stars zusammengestellten Mannschaft des Gastgebers – ist also unangebracht. Geld war auch einer der entscheidenden Faktoren dafür, dass Ted-Jan Bloemen 2014 das Eisschnelllauf-Mekka Niederlande verließ und nach Kanada wechselte.
Eisschnellläufer sind in seiner Heimat ähnlich wie im Radsport in Profiteams unterwegs. „Wenn du dort nicht sofort richtig gut bist, ist es schwierig, ein Team zu finden, dass dich für mehr als eine Saison unterstützt“, berichtet Bloemen. Der Verdienst so schlecht, dass er kaum davon leben konnte. „Nach ein paar Jahren habe ich gedacht: Jetzt reicht es! Wenn du wirklich Olympiasieger werden willst, musst du etwas ändern.“ Der Wechsel nach Kanada war dank seines dort geborenen Vaters kein Problem und in Pyeongchang wurde Bloemen tatsächlich Olympiasieger über 10 000 Meter.
Eher eine politische Mission hat die Bobpilotin Jazmine Fenlator-Victorian, die 2014 noch für die USA gestartet war und in diesen Tagen den jamaikanischen Frauenbob steuert. „Meine Mutter ist deutsch-polnisch-lettisch in der zweiten Generation in den USA, mein Vater ist ein Immigrant aus Jamaika. Ich will meine Vielfalt mit der Welt teilen und zeigen, dass man sich nicht für eine Nation entscheiden muss.“ Der ist Australien geborene Pita Taufatofua entschied sich dagegen für die Südseeinsel Tonga, um mit Hilfe von Olympia weltberühmt zu werden.
Die Mission war erfüllt, als er bei den Spielen 2016 in Rio bei der Eröffnungsfeier eingeölt und mit nacktem Körper ins Stadion einlief. Die gleiche Szene wiederholte er bei den Winterspielen von Pyeongchang bei minus zwei Grad. Sportlich war er im Taekwondo (Sommer) und im Skilanglauf (Winter) chancenlos. Trotzdem plant er für die Sommerspiele in Tokio 2020 einen Auftritt in einer Wassersportdisziplin.
Der Start für ein exotisches Land garantiert so einigen die Erfüllung ihres olympischen Traums – ob nun der in Österreich aufgewachsenen Skifahrerin Sabrina Simader für Kenia oder Skilangläufer Klaus Jungbluth Rodriguez, der die Winter-Olympia-Premiere von Ecuador organisiert hat. Er war eigentlich Gewichtheber.
Eishockey-Team verstärkt
Im ganz großen Stil aktiv auf dem internationalen „Olympia-Transfermarkt“ war vor den Winterspielen Gastgeber Südkorea. Das Eishockey-Team wurde mit sieben Kanadier verstärkt, drei Russen starten im Biathlon, ein amerikanisches Paar und ein Neuseeländer sorgen im Eiskunstlauf für Begeisterung.
Und dann ist da noch die Sächsin Aileen Frisch. Sie hatte in Deutschland gegen die starke Konkurrenz um Vierfach-Olympiasiegerin Natalie Geisenberger keine Chance, beendete ihre Karriere und bekam plötzlich einen Anruf aus dem Olympia-Gastgeberland. Sie musste eine Strophe der Nationalhymne unfallfrei in der Landessprache singen und Fragen zur Geschichte Südkoreas beantworten. Damit wurde sie zur Südkoreanerin Ilwi Lim, „die, die den ersten Preis gewinnt“. Trotz des neuen Namens reichte es allerdings nur zu Platz acht. Alles lässt sich halt doch nicht kaufen.
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