Mannheim. Auf diesen Moment warten die Rhein-Neckar Löwen seit etwas mehr als zwei Jahren. Entsprechend groß ist daher am Montagmorgen die Vorfreude, als sich der Handball-Bundesligist noch in der Dunkelheit auf den Weg in Richtung Frankfurter Flughafen macht, um ein paar Stunden später in Richtung Kopenhagen abzuheben. Von der dänischen Hauptstadt aus geht es mit dem Bus weiter über die imposante und fast acht Kilometer lange Öresundbrücke in Richtung Schweden, wo der deutsche Pokalsieger am Dienstag (18.45 Uhr/live bei Dyn) zum Auftakt der Gruppenphase der European League beim schwedischen Meister IFK Kristianstad antritt.
Jaganjac-Aus ein „Problem“
„Endlich spielen wir wieder international“, sagt Rückraum-Linkshänder Niclas Kirkeløkke mit Blick auf die aus Löwen-Sicht viel zu lange Abwesenheit von der europäischen Bühne. Im September 2021 scheiterten die Mannheimer in der Qualifikation an Benfica Lissabon, es folgte eine desolate Bundesligasaison und die daraus resultierende Zuschauerrolle bei den internationalen Wettbewerben in der vergangenen Runde. Doch jetzt ist der zweifache deutsche Meister wieder dabei, nachdem er diesmal die Qualifikation gegen Vardar Skopje erfolgreich gemeistert hat. Doch so richtig nach Europapokal fühlt sich eben erst die Gruppenphase an. Allein schon wegen der reizvollen Gegner.
„Klangvoll“ seien die Namen, meint Trainer Sebastian Hinze – und untertreibt damit nicht. Die weiteren Kontrahenten neben Kristianstad sind der französische Spitzenverein und Titelanwärter HBC Nantes sowie ausgerechnet Benfica Lissabon. Die Portugiesen gewannen den Wettbewerb übrigens 2022, nachdem sie Monate zuvor die Löwen ausgeschaltet hatten. Mit ihnen ist in dieser Gruppe, die zweifelsohne nach Champions League klingt, also ebenfalls zu rechnen.
Doch die Gegenwart heißt erst einmal IFK Kristianstad. „Diese Mannschaft spielt sehr schnell. Das wird ein extrem schwieriges Auswärtsspiel“, sagt Löwe Gustav Davidsson, der aus Erfahrung spricht. In der vergangenen Saison spielte er noch bei Hammarby IF in der schwedischen Liga. Er kennt den Gegner also ganz genau und weiß um den Kristianstader Tempohandball, den Hinze ebenfalls erwartet: „Vor allem, wenn sie unser Spiel in Berlin gesehen haben.“ Wovon auszugehen ist. Zur Erinnerung: Am Donnerstag unterlagen die Löwen in der Bundesliga mit 32:38 in der Hauptstadt und ließen häufig vor allem eines vermissen: einen geordneten Rückzug. Vorausgegangen waren technische Fehler, von denen sich Davidsson alleine fünf leistete. Beim Zugang wechseln sich weiterhin sehr gute mit nur schwer erklärbaren Aktionen ab.
„Gustav spielt das erste Mal im Ausland“, lässt Hinze Nachsicht walten. Zumal Davidsson nach dem Ausfall von Stammkraft Halil Jaganjac, dessen Rückkehr nach erneuter Schulteroperation ungewiss ist und der möglicherweise erst im Dezember wieder einsatzbereit ist, „extrem viel Verantwortung übernehmen muss“, wie Ex-Löwe Andy Schmid zuletzt als TV-Experte bei der Partie in Berlin sagte: „Die Verletzung von Jaganjac ist für die Löwen ein Problem. Auf der halblinken Position fehlen Qualität und Erfahrung. Das sieht man. Gustav Davidsson ist in seinem ersten Bundesligajahr und befindet sich jetzt in einer Position, in der man ihn vielleicht erst in einem halben Jahr gesehen hat.“
Doch nun muss der Schwede sofort liefern. Zumal auch Philipp Ahouansou weiterhin ausfällt und im schlimmsten Fall erst nach der Länderspielpause Anfang November zurückkehrt.
Trotz der Höhen und Tiefen nimmt Davidsson bei den Löwen momentan als einziger Neuer eine größere Rolle ein. Auch bedingt durch das Formhoch von Kirkeløkke kommt Jon Lindenchrone auf weniger Einsatzzeit als sein Positionskollege. Hinze sieht beim aus Göppingen geholten Dänen „Kleinigkeiten, die wir optimieren müssen, damit er stabiler wird“. Die beiden weiteren Neuen Arnór Óskarsson und Steven Plucnar seien ohnehin eher Langzeitprojekte gewesen, macht der Trainer deutlich: „Sie machen es gut und arbeiten sich heran, aber beide brauchen Geduld. Denn auf ihren Positionen sind wir dreifach besetzt.“
Unerfüllter Wunsch
Klar ist aber auch: Die Löwen haben sich wegen der Zusatzbelastung im Europapokal vor dieser Saison extra breiter aufgestellt, von nun an steht alle drei Tage eine neue Herausforderung an. Da werden alle gebraucht, um die Leistungsträger nicht zu verheizen. „Wir haben uns auch gewünscht, dass alles schneller geht“, räumt Hinze angesichts eines durchschnittlichen Bundesligastarts mit 9:7 Punkten ein. Die vielen Verletzungen von Leistungsträgern will er für diese Ausbeute weder als Erklärung und schon gar nicht als Ausrede anführen – und doch warf das ständige Improvisieren das eigentliche Vorhaben über den Haufen: „Der Plan war, auf die vorhandene stabile Basis aufzubauen.“
Doch dann meldeten sich nach Uwe Gensheimer auch noch Olle Forsell Schefvert, Jaganjac und Juri Knorr verletzungsbedingt ab. Vier unersetzbare Stützen, von denen zuletzt Forsell Schefvert und Knorr zurückkehrten. Fest steht: Die Löwen benötigen dieses Duo in Topform. Denn noch hängt beim zweifachen deutschen Meister fast alles an den etablierten Stammkräften.
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