Fußball

Ex-Waldhof-Coach: Warum Kenan Kocak jetzt weiß, dass Co-Trainer nichts für ihn ist

Vor dem Länderspiel am Samstag in Berlin blickt der Mannheimer Kenan Kocak zurück auf seine Zeit als Co-Trainer der türkischen Nationalmannschaft. Und erklärt, warum er künftig lieber wieder als Cheftrainer arbeiten will

Von 
Alexander Müller
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Bereit für eine neue Herausforderung als Cheftrainer: Kenan Kocak. © Julian Stratenschulte/dpa

Mannheim. Das Leben in der Warteschleife bringt Kenan Kocak nicht aus der Ruhe. Leger in einem blauen Pullover und Sneaker gekleidet, macht der 42-Jährige am Dienstag beim Treffen in einem Mannheimer Café einen aufgeräumten und entspannten Eindruck. „Mir geht es gut“, sagt der Fußballlehrer zur Begrüßung. „Ich schaue mir viele Spiele an und genieße die Zeit mit meinen beiden Jungs.“ Zum späten Frühstück bestellt er sich erst einmal einen Cappuccino mit Hafermilch und ein Porridge mit Früchten.

Im September hatte Kocak seinen Vertrag als Co-Trainer der türkischen Nationalmannschaft aufgelöst, nachdem sich der Verband für den Italiener Vincenzo Montella als neuen Chefcoach entschieden hatte. Dessen Vorgänger Stefan Kuntz war nach einer 2:4-Testspielniederlage gegen Japan beurlaubt worden - obwohl sich der frühere deutsche U-21-Trainer mit der Türkei und Assistent Kocak für die EM qualifiziert hatte. „Dieser Erfolg geht auch auf unsere Arbeit zurück. Wir haben eine neue, junge Mannschaft mit einem Altersschnitt von 23,6 Jahren aufgebaut“, sagt Kocak.

Kocak überrascht von Nagelsmanns Weg zum DFB

Deshalb wird der Mannheimer auch am Samstag (20.45 Uhr/ZDF) nicht mehr im Berliner Olympiastadion dabei sein, wenn die DFB-Elf gegen die Türkei testet. „Das wird ein interessantes Spiel, der erste Auftritt von Julian Nagelsmann als Bundestrainer in Deutschland. Dazu in Berlin, wo viele Türken das zu einem gefühlten Heimspiel machen werden.

Aber die wichtigere Partie für die Türkei findet drei Tage später in der EM-Qualifikation gegen Wales statt, wenn es um den Gruppensieg geht“, erklärt der Mannheimer, der im höherklassigen Fußball bisher den SV Waldhof Mannheim (2013 bis 2016), den SV Sandhausen (2016 bis 2018) und Hannover 96 (2019 bis 2021) trainiert hat.

Gemeinsam mit dem neuen Bundestrainer Nagelsmann absolvierte Kocak im Jahr 2016 den Lehrgang zum Fußballlehrer. Ein loser Kontakt ist seitdem geblieben. Der Weg zum Bayern-Trainer sei schon damals ein wenig vorgezeichnet gewesen, der zum DFB eher nicht, so Kocak. „Julian braucht von seinem Naturell her eigentlich die tägliche Arbeit mit einer Mannschaft auf dem Platz. Deshalb war ich überrascht, dass er den Job des Bundestrainers angenommen hat. Aber ich glaube, dass es mit ihm eine erfolgreiche EM werden kann. Er ist ein sehr guter Trainer.“

Kontakt mit Spitzentrainern wie Diego Simeone

Rückblick: Der frühere Bundesliga-Profi Hamit Altintop (Bayern München, FC Schalke), mittlerweile Vorstandsmitglied im türkischen Verband, hatte Kocak im September 2021 von einem Engagement im Nationalteam seines Geburtslandes überzeugt. Der Fußballlehrer kam 1980 in Kayseri zur Welt, bevor er als kleiner Junge mit seiner Familie nach Mannheim übersiedelte.

Die Aufgabe beim türkischen Verband bezeichnet Kocak im Rückblick als „lehrreiche Erfahrung“. Ein Einblick in eine neue Welt für den Trainer, der bis dahin nur Clubteams betreut hatte. „Ich war zwei Jahre auf einem internationalen Top-Niveau unterwegs, hatte mit Spitzentrainern wie Diego Simeone oder Filippo Inzaghi regelmäßig Kontakt“, sagt Kocak.

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Auch die Zusammenarbeit mit Kuntz, unter dem Kocak Anfang der 2000er Jahre beim SV Waldhof in der 2. Liga schon als Profi gespielt hatte, habe auf menschlicher Ebene hervorragend funktioniert. Allerdings vermisste der 42-jährige Macher schnell das tägliche Training mit einer Mannschaft - und fremdelte mit der ungewohnten Assistentenrolle. „Nur alle drei Monate zusammenzukommen für ein paar Einheiten, und dann noch als Co-Trainer, das war schwierig für mich. Ich bin es gewohnt, Entscheidungen zu treffen und die dann umzusetzen“, sagt Kocak. „Mein Ehrgeiz ist groß, ich will etwas entwickeln und erfolgreich arbeiten.“

Mit diesen Aussagen ist auch umrissen, welche Kriterien sein neuer Arbeitgeber erfüllen muss. Anfragen gab es immer wieder, zuletzt klopfte ein Zweitligist Kocaks Bereitschaft ab, in der laufenden Saison einzusteigen. Der Mannheimer sagte ab, paukt stattdessen an einer Sprachschule weiter Englisch und Spanisch. Man weiß ja nie, wofür man es mal gebrauchen kann.

Kocak bangt mit dem SV Waldhof

Neulich beim 0:0 gegen den MSV Duisburg war Kocak auch mal wieder im Carl-Benz-Stadion. Der Arena des SV Waldhof, bei deren Einweihung 1994 er als Einlaufkind dabei war und in der er als Jugendlicher in der Kurve die Waldhof-Profis anfeuerte.

Anfang der 2000er Jahre bestritt Kocak 21 Spiele für den SVW, 2013 kehrte er als Trainer an den Alsenweg zurück, um den Mannheimer Traditionsverein in der Regionalliga mit ganz kleinen finanziellen Mitteln bis in die Aufstiegsrelegation gegen die Sportfreunde Lotte 2016 zu führen. Die dann knapp verloren ging (0:0, 0:2). „Ich bin immer noch sehr emotional an den Waldhof gebunden, das ist mein Verein“, sagt Kocak, der das blau-schwarze Gen auch familiär weitergegeben hat. „Meine Söhne sind Waldhof-Nasen durch und durch.“ Im Hause Kocak wird dementsprechend zur Zeit mitgelitten und gebangt, dass der SVW nach dem Absturz auf einen Abstiegsplatz in der 3. Liga den Klassenerhalt schafft.

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB

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