Frankfurt. Direkt am gläsernen Eingang zum Campus des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) steht neuerdings „Frohes Fest“ – auch ein Weihnachtsbaum leuchtet neben dem Empfang. Dass trotzdem keine Festtagsstimmung aufkam, als DFB-Präsident Bernd Neuendorf seine Jahresbilanz anstellte, hat mit der bevorstehenden Doppelvergabe der WM 2030 in sechs Länder auf drei Kontinenten und der WM 2034 nach Saudi-Arabien zu tun.
Auf einer außerordentlichen DFB-Präsidiumssitzung holte Neuendorf das Votum ein, dass auch der größte Sportverband auf dem virtuellen FIFA-Kongress nächsten Mittwoch mit den 211 FIFA-Mitgliedsverbänden seine Zustimmung erteilt. „Es hat keine einzige Stimme gegeben, dass wir falsch unterwegs sind. Das wurde vom gesamten Verband unterstützt“, sagte der 63-Jährige. Eine Ablehnung sei „reine Symbolpolitik“.
Der frühere SPD-Politiker hält grünes Licht für Saudi-Arabien aus verschiedenen Gründen für richtig, auch wenn er einräumte, dass ihn die Entscheidung „emotional sehr beschäftigt habe“. Man habe mit Vertretern der Wissenschaft, des Sports und der Zivilgesellschaft, insbesondere Menschenrechtsorganisationen, Gespräche geführt. Und man habe auch mit den Saudis zu allen Punkten gesprochen, insbesondere habe er vor einem Jahr bei der Club-WM vieles beim Amtskollegen Ahmad Al Harbi aus Saudi-Arabien hinterlegt. „Die Saudis wissen, dass die Lichtkegel auf sie gerichtet sein werden. Das wird dazu führen, dass man auf die Entwicklung sehr genau schaut.“ Eine „Fundamentalopposition“ helfe nicht weiter, sagte der oberste Dienstherr im DFB.
DFB will nicht isoliert werden
Letztlich sind die Statutenveränderungen vom 36-köpfigen FIFA-Council abgesegnet worden, in dem auch Neuendorf seit dem vergangenen Jahr einen gut bezahlten Posten hat. Der Dürener rechtfertigte sich damit, dass es im zeitlichen Ablauf keine passende Gelegenheit gab, sich gegen die abzeichnenden Mehrheiten zu stellen. „Warum soll ich aufstehen? Am Ergebnis hätte und würde es nicht ändern.“
Grundsätzlich sei er der Meinung, dass mit einer Ablehnung oder einem Boykott nichts zu gewinnen sei. „Wir hätten uns – um in der Fußballersprache zu bleiben – aus dem Spiel genommen. Es steht fest, dass diese Bewerbung eine überwältigende Zustimmung bekommt. Ich glaube, wir können den Einfluss nur geltend machen, wenn wir mit der FIFA darauf hinwirken, dass sich die Situation um die Menschenrechtsfragen verbessert.“ Mehrfach zitierte der DFB-Chef aus Passagen des Bewerbungsbuches, die Besserung verkünden.
Der Fußball sei in dieser Schlüsselfrage nichts anders als die Politik: Europa, auch Deutschland, müssten verstehen, dass große Teile der Welt einen anderen Blick auf den Wüstenstaat hätten, „wohl wissend, dass die Menschenrechtssituation dort nicht einfach ist – damit müssen wir klarkommen.“ Gleich mehrfach argumentierte Neuendorf, dass sich der DFB nicht isolieren dürfe. Das eben war mit dem Gezänk um die „One-Love-Binde“ bei der WM 2022 in Katar passiert. Eine Dauerkonfrontation mit dem Impresario Infantino, so Neuendorf, führe in die Sackgasse – das ist seine Lehre aus dem für den DFB auf allen Ebenen verrutschten Turnier in dem Emirat.
Vergangene Woche hat ein Evaluierungsbericht der FIFA den Weg geebnet. Bei der Vergabe der Frauen-WM 2027, als Brasilien sich gegen die Dreifachbewerbung aus Belgien, Niederlande und Deutschland (BNG) durchsetzte, diente ein solcher Report in einem halbwegs transparenten Prozess dem FIFA-Kongress in Bangkok als Entscheidungshilfe. Jetzt wirkt der Prüfbericht wie ein Feigenblatt für die Saudis, denen eine „einmalige, innovative und ambitionierte Vision“ bescheinigt wird.
Einen Tag vor der Vergabe wird es immerhin noch Gegenwind von Fanorganisation geben, die am Dienstag einen Protest vor der DFB-Zentrale geplant haben.
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