Fußball

Kult-Trainer Uli Stielike rechnet zum 70. mit dem modernen Fußball ab

Am Freitag feiert Uli Stielike seinen 70. Geburtstag. Der gebürtige Ketscher gilt in Gladbach und bei Real Madrid als Ikone. Als Trainer arbeitete er auf drei Kontinenten

Von 
Alexander Müller
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Ein bodenständiger, zurückhaltender Typ: Uli Stielike arbeitete als Trainer auf drei Kontinenten. © YNA/dpa

Ketsch. Es gibt Männer in seinem Alter, die noch nicht loslassen können. Friedhelm Funkel springt wie neulich beim 1. FC Kaiserslautern als „Feuerwehrmann“ ein, Gernot Rohr hat mit Benin die nächste afrikanische Nationalmannschaft übernommen.

Für Uli Stielike, der am Freitag seinen 70. Geburtstag feiert, ist das Kapitel Fußball-Trainer allerdings geschlossen. „Ich bin schon seit vier Jahren vom Karussell runter und habe gemerkt, dass es auch ein Leben ohne Fußball gibt“, sagt der Mann aus Ketsch im Rhein-Neckar-Kreis.

Stielike genießt sein Privatleben in der Nähe von Malaga

Nachdem Stielike im Jahr 2020 den chinesischen Erstligisten Tianjin Teda verlassen hatte, widmete er sich dem Leben als Privatier. In seinem Haus in der Nähe des südspanischen Malaga genießt er mit seiner Frau den gefühlt endlosen andalusischen Sommer und vertreibt sich zwischendurch die Zeit mit einer Runde Golf. Seinen 70. Geburtstag feiert der Kurpfälzer aber im kleinen familiären Kreis in Bochum, wo seine Tochter und die drei Enkelkinder leben. Eine große Party würde irgendwie auch nicht zu dem ruhigen Typen Stielike passen, der wenig Aufhebens um seine Person macht.

Uli Stielike mit seinem legendären Sakko 1998 in der DFB-Zentrale. © Imago

Dabei blickt der Ketscher auf eine Karriere voller Titel, Triumphe und Höhepunkte zurück. Bei gleich zwei Vereinen gilt Stielike bis heute als Legende. Zum einen bei Borussia Mönchengladbach, wo er als technisch beschlagener Libero oder defensiver Mittelfeldspieler zwischen 1973 und 1977 dreimal Deutscher Meister wurde, außerdem den DFB-Pokal und den UEFA-Cup gewann.

Bei Real Madrid ist Stielike eine lebende Legende

Stielike zog weiter zum Weltclub Real Madrid, wo ihm die Fans aufgrund seiner Laufstärke den Spitznamen „Die Lunge“ gaben. Acht Jahre lang blieb Stielike in der spanischen Hauptstadt, wurde in dieser Zeit dreimal Meister und erneut UEFA-Pokal-Sieger (1985). Erst Toni Kroos übertraf 2021 seinen Real-Rekord - 308 Einsätze für die „Königlichen“ als Deutscher. Aus heutiger Perspektive kurios: Der DFB sperrte Stielike nach seinem Wechsel ins Ausland für fast drei Jahre für die Nationalmannschaft. „Von Seiten des DFB wurde ich praktisch als Fahnenflüchtiger dargestellt“, berichtet Stielike im Rückblick. Als der Kurpfälzer „begnadigt“ worden war, holte er mit dem DFB-Team die Europameisterschaft 1980 und die Vize-Weltmeisterschaft 1982.

Man schaut nur noch nach dem Geld und verkauft die Werte. Der Fußball hat keine glückliche Entwicklung genommen
Uli Stielike

Stielikes Erinnerungen gehen in diesen Tagen um den runden Geburtstag zurück in diese Zeiten, als der Fußball noch so war, wie er ihn sich vorstellt. Mit den modernen Entwicklungen kann er nicht viel anfangen. In einer Kolumne für den „Kicker“ anlässlich seines Geburtstags rechnete Stielike mit so einigem ab, was ihm nicht mehr passt.

Zum Beispiel der Videobeweis („Der Begriff gleiche Höhe wird ad absurdum geführt“), der von manchem Trainer veranstaltete Popanz an der Seitenlinie, geldgeile Berater, unseriöse Journalisten, die Verbindungen in die Wettbranche. „Man schaut nur noch nach dem Geld und verkauft die Werte. Der Fußball hat keine glückliche Entwicklung genommen“, bedauert Stielike im Gespräch mit dieser Redaktion.

Der Mann aus der 13 000-Einwohner-Gemeinde Ketsch zog aus, um mit dem Fußball die Welt zu erkunden. Nach den Jahren in Madrid spielte Stielike noch in der Schweiz für Xamax Neuchatel, bevor er seine Trainerkarriere startete. In der alten Heimat, 1994/1995 beim SV Waldhof, zu jener Zeit Zweitligist. Die Mannheimer beurlaubten ihn im September 1995, hatten aber die fristgerechte Kündigung vergessen. Stielikes Vertrag verlängerte sich automatisch bis 1997. Er bot dem SVW einen Deal an: Stielike verzichtete auf das ihm zustehende Jahresgehalt von 450 000 Mark. Unter der Bedingung, dass der Verein ein Benefizspiel zugunsten krebskranker Kinder ausrichtet. Eine Anekdote, die viel über seinen Charakter aussagt.

Stielike stand auch beim DFB unter Vertrag

Als Trainer arbeitete Stielike danach viel in Asien und Afrika, er coachte die Elfenbeinküste und Südkorea, zwischendurch mehrere Vereine in Katar. Auch beim DFB stand er unter Vertrag. Als Trainer von verschiedenen Jugendnationalmannschaften - und als Assistent von Bundestrainer Erich Ribbeck in der glücklosen Zeit zwischen 1998 und 2000. Bei seiner Vorstellung in der Frankfurter DFB-Zentrale trug Stielike das legendäre schwarz-weiß karierte Sakko, auf dem man problemlos Schach hätte spielen können. Dazu eine nicht minder auffällige Krawatte. Modisch ein Stück deutsche Fußballgeschichte.

Aber es gab auch ganz schwere Zeiten in seinem Leben. Stielikes Engagement in der Elfenbeinküste endete 2008 aufgrund eines privates Schicksalsschlags: Sein Sohn Michael starb im Alter von nur 23 Jahren an einer Lungenerkrankung. „Die letzte Zeit seines Lebens hat er kaum noch Luft bekommen. Das war jeden Tag eine richtige Qual. Drum sage ich mir eben: Jetzt hat er es besser! Wenn es Gott wirklich gibt, wenn es wirklich ein Paradies gibt, dann hat er Michael zu sich geholt, weil es ihm dort besser geht als auf dieser Erde“, sagte der trauernde Vater damals der „Bild“-Zeitung.

Uli Stielikes Lebensmittelpunkt ist in der Zwischenzeit Andalusien geworden, in der Rhein-Neckar-Region ist er nur noch ein paar Mal im Jahr, um seinen acht Jahre älteren Bruder Manfred Stielike zu besuchen. Die Kindheit und Jugend in Ketsch seien aber absolut prägend für sein späteres Leben gewesen. „Wo man geboren ist, ist vielleicht zweitrangig. Am wichtigsten ist das Elternhaus. Und da kann ich in die gleiche Kerbe schlagen wie beim Fußball: Ich habe da unheimlich viel gelernt“, sagt Stielike. „Mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben, fleißig, ehrlich und aufrichtig zu sein. Das sind alles Attribute, die mir meine Eltern mit auf den Weg gegeben haben.“

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB

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