Leipzig/Mannheim. Party-Hymnen bei Sportveranstaltungen sollte man normalerweise keine weitere Beachtung schenken. Wo gewonnen wird, wird eben auch gerne gefeiert. Fertig. Doch selten hat ein Song so gut gepasst wir nach der krachenden 29:37 (13:19)- Niederlage der Rhein-Neckar Löwen beim SC DHfK Leipzig.
„Der Zug hat keine Bremse“ dröhnte es in bester Ballermann-Manier am Donnerstagabend immer wieder aus den Boxen in der Quarterback Arena der Messestadt. Der Zug hatte für die Löwen tatsächlich keine Bremse - nur dass sie eben auf dem falschen Gleis unterwegs waren und 60 Minuten unaufhaltsam auf einen Prellbock zurauschten, bis der Crash perfekt war.
Jetzt haben wir es so lange ohne einen solchen Tag geschafft, dass wir den natürlich gerne noch ein bisschen nach hinten geschoben hätten
Dass dieser Tag nach fast vier Monaten ohne Niederlage, zehn erfolgreichen Pflichtspielen in Serie und der Tabellenführung für einen Spieltag irgendwann kommen würde, war klar - auch für Trainer Sebastian Hinze. „Wir wussten, dass so etwas passieren wird“, gab sich der 43-Jährige keinen Illusionen hin, hätte sich aber einen anderen Zeitpunkt gewünscht. „Jetzt haben wir es so lange ohne einen solchen Tag geschafft, dass wir den natürlich gerne noch ein bisschen nach hinten geschoben hätten“, merkte der Löwen-Coach an. Allerdings hatten die Mannheimer einen Tag erwischt, an dem es eben an so ziemlich allem haperte, um bei der Mannschaft der Stunde zu bestehen.
„Wir sind in keinem Mannschaftsteil an die Leistung gekommen, an die wir kommen können und die wir wahrscheinlich auch gebraucht hätten, um hier etwas mitzunehmen“, redete Hinze erst gar nicht lange um die für alle sichtbaren Defizite herum, während sich die Leipziger nach Siegen gegen Magdeburg und Kiel den nächsten Favoriten-Skalp an den grün-weißen Gürtel banden.
Zeitstafe für Spielmacher Juri Knorr
Symptomatisch war dabei auch die Dramaturgie der 60 Minuten in Sachsen, die für die Löwen bereits mehr als unglücklich begannen. Spielmacher Juri Knorr traf den überragenden SC-Torwart Kristian Sæverås gleich mit der ersten Aktion am Kopf, kassierte die unumgängliche Zeitstrafe und nach zwei technischen Fehlern sahen sich die Badener schnell einem 0:3-Rückstand gegenüber.
Die restlichen 55 Minuten waren dann ein Hase-und-Igel-Rennen, bei dem die Leipziger immer schon da waren, bevor die Löwen überhaupt den nächsten Wegweiser sehen konnten. Dabei boten sich trotz der teilweise hohen Rückstände durchaus Möglichkeiten, nochmals ins Spiel zurückzukommen.
Das 16:13 (25.) oder der 3:0-Lauf zum 28:23-Anschluss (50.) waren solche wertvollen Momente, aber in diesen Spielabschnitten war es dann die teilweise unterirdische Abschlussquote, mit der sich der bis dato Tabellenerste weitere Optionen selbst zunichtemachte. „Leipzig hat uns schon ein-, zweimal die Tür auf gemacht, aber da belohnen wir uns dann auch nicht selbst nach gelungenen Abwehraktionen“, bestätigte Hinze.
Coach will ehrliche Analyse
Zudem liefen auch andere Dinge durchweg gegen die Löwen: die Torwartleistung, das Plus an Leidenschaft aufseiten der Leipziger, fehlende individuelle Klasse in den Eins-gegen-Eins-Situationen, das Spielglück mit vielen Abprallern und die lautstarke Halle. Es waren viele Kleinigkeiten, die sich zu einem schiefen Puzzle zusammenfügten, was Coach Hinze aber nur in Grenzen als Argument gelten ließ „Es kam auch in anderen Spielen schon viel zusammen - aber da haben wir das besser gelöst“, pochte der 43-Jährige auf eine ehrliche Analyse.
Schefvert-Ausfall wiegt schwer
Nicht wegzudiskutieren war allerdings die personelle Komponente. Mit Olle Forsell Schefvert fehlte den Löwen der Abwehrchef und die Schaltzentrale im Tempospiel nach vorne an allen Ecken und Enden. „Bislang haben wir es die gesamte Saison geschafft, Ausfälle zu kompensieren - aber das hat hier schon ein bisschen reingespielt“, verwies Kapitän Patrick Groetzki darauf, dass die Löwen auf ihren etatmäßigen Innenblock verzichten mussten. „Da hat dann schon ein bisschen die Abstimmung in der Abwehr gefehlt“, meinte der Rechtsaußen. Und wenn es in der Abwehr hapert, hakt es logischerweise auch im Gegenstoßspiel, was sich in Leipzig schnell zu einem Teufelskreis auswuchs. „Auch das ist Teil der Wahrheit“, bestätigte Hinze.
Wir werden jetzt nicht alles schlecht reden, was im vergangenen dreiviertel Jahr sehr gut war
Nach zwei freien Tagen geht es für die Gelbhemden nun am Sonntag in der Trainingshalle weiter, am nächsten Donnerstag steht die Partie gegen den HSV Hamburg an, der den Löwen in der Hinrunde eine der bislang nur vier Niederlagen beigebracht hatte. Dort wollen die Löwen mit einem breiteren Kader dann wieder ein anderes Gesicht zeigen.
„Klar, ist das frustrierend und traurig, dass wir unsere Leistung nicht auf die Platte gebracht haben. Aber wir werden jetzt nicht alles schlecht reden, was im vergangenen dreiviertel Jahr sehr gut war“, betonte Kapitän Groetzki, dass der Löwen-Zug gleich wieder auf dem richtigen Gleis fahren soll - und am besten ohne Bremse.
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