Stuttgart. Angelo Stiller ist der leise Taktgeber im Mittelfeld des VfB Stuttgart, eher unbemerkter Lotse des Höhenflugs. Am Samstag trat der 22-Jährige in den Vordergrund. Nicht etwa als Torschütze, sondern als Kritiker und Mahner. „Nach dem 1:0 haben wir arrogant gespielt“, sagte der Ex-Profi der TSG Hoffenheim nach dem 1:1 (0:0) in der Bundesliga zu Hause gegen den 1. FC Köln am Sky-Mikrofon. Es war nach vier Siegen in Serie das zweite Unentschieden der Saison – nach dem 1:1 zu Hause gegen Tabellenführer Bayer Leverkusen im Dezember. Die gefühlte Niederlage ließ Stiller lauter werden.
Bis zum 1:0 von Enzo Millot in der 53. Minute sei man die klar bessere Mannschaft gewesen, befand Stiller. Stimmt. Das vierte Saisontor des Mittelfeldkollegen war der Endpunkt eines wunderschönen Spielzugs. Und eine Ausnahme. Gegen das Kölner Bollwerk fehlten trotz Dominanz die klaren Torchancen. „Wir waren zu schläfrig“, kritisierte Stiller, „und haben zu langsam gespielt. So bringt man eine Mannschaft zurück ins Spiel, die nicht viel mit dem Ball anzufangen wusste.“ Was Zahlen belegen.
Der VfB erarbeitete sich gegen den Tabellensechzehnten 75 Prozent Ballbesitz, spielte irrwitzig viele Pässe – insgesamt 840, 91 Prozent davon fanden einen Mitspieler. Zum Vergleich: Bayer Leverkusen erarbeitete sich beim 2:1-Sieg gegen Mainz 05 67 Prozent Ballbesitz und spielte 677 Pässe bei 86 Prozent Passquote. Beim 2:1-Sieg von Bayern München gegen RB Leipzig wurden bei 56 Prozent Ballbesitz 608 gespielte Pässe der Münchner gezählt. Dabei hatten sie eine Passquote von 90 Prozent Passquote. In Stuttgart war es brotlose (Pass-)Kunst.
VfB-Profi Chris Führich, Vorlagengeber zum 1:0, sagte seufzend: „In manchen Situationen hat der letzte Pass gefehlt.“ Ja, man kann trotz aller Pass-Übermotivation von Pass-Passivität vor dem gegnerischen Tor sprechen. Das 2:0 wurde sprichwörtlich verpasst.
Köln konnte beim Parameter Pässe nicht mithalten, kam auf lediglich 278 davon, war sozusagen unpässlich. Aber der FC zeigte Effektivität, brachte zwölf Torschüsse in die Statistik ein, der VfB 13. Der Ausgleich von Eric Martel nach einem zweimal nicht konsequent geklärten Eckstoß (62.) war verdient.
„Am Ende haben wir sogar etwas Glück, dass wir nicht verlieren“, sagte Führich. Als Hiroki Ito in der 85. Minute wegrutschte, lief Faride Alidou alleine auf VfB-Schlussmann Fabian Bredlow und traf nur das Außennetz. Hand aufs Herz: War das nun ein gewonnener Punkt oder sind es zwei verlorene Zähler?
Abstand vergrößert
„Wir haben heute zwei Punkte verloren“, urteilte Stiller. Kapitän Waldemar Anton sagte es so: „Wenn du international spielen willst, dann musst du solche Spiele auf deine Seite ziehen. Wir hatten genug Chancen. Dann kann Köln nicht zurückkommen.“
Die Wahrscheinlichkeit, in der Champions League zu spielen, hat sich aber trotz des Unentschiedens erhöht. Durch die Niederlage der Leipziger in München hat sich das Polster auf den Tabellenfünften von sechs auf sieben Zähler erhöht. „Mit dem Punkt heute können wir leben“, sagte VfB-Sportdirektor Fabian Wohlgemuth. „Es sind keine zwei verlorenen Punkte.“ Sondern er sehe in den vergangenen drei Spielen gegen Mainz (3:1), Darmstadt 98 (2:1) und nun Köln „eher gewonnene sieben Punkte“.
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