Hin und wieder reicht ein einziger Satz, um eine Bilanz nach drei Spielen in vier Tagen zu ziehen. „Wir haben unseren Job erledigt“, sagte Juri Knorr, nachdem sich die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) am Sonntag mit einem 34:31-Sieg über Österreich für die Olympischen Spiele in Paris qualifiziert hatte. Nach der 30:33-Niederlage am Tag zuvor gegen Kroatien war der Druck groß. Doch der EM-Vierte behielt die Nerven, nachdem am vergangenen Donnerstag bereits ein 41:29 über Außenseiter Algerien gelungen war.
Die Olympia-Teilnahme bedeutet außerdem, dass Alfred Gislason bis 2027 Bundestrainer bleibt. Bei einem Scheiten in der Qualifikation wäre er seinen Job losgewesen.
Wie fällt das DHB-Fazit nach der Qualifikation aus?
Sportvorstand Axel Kromer sprach von „Freude und Erleichterung“. Er sieht aber noch Steigerungspotenzial: „Ich wünsche mir, dass wir in Zukunft wieder die Abwehr- und Torwartleistung hinbekommen, die wir in der Vergangenheit gezeigt haben. Da ist ein bisschen etwas verloren gegangen. Außerdem sind nicht alle Spieler hier in Topform angereist. Es wäre schön, wenn der eine oder andere da noch einmal etwas draufpackt. Aber in der Summe stabilisieren wir uns immer mehr. Wir können mehr wechseln, es gibt keine klare erste Sechs mehr.“
Wie wichtig ist die Olympia-Teilnahme fürs Team?
Olympische Spiele seien „kein Entwicklungsschritt mehr, sondern ein Karriereziel“, sagte Kromer: „Ich freue mich auch für diejenigen, die schon in Tokio dabei gewesen sind, weil es in Tokio wegen der Corona-Pandemie keine Olympischen Spiele waren, wie wir sie kennen.“ Klar ist außerdem: Jede Turniererfahrung bringt diese deutsche Mannschaft weiter.
Wie präsentierte sich die DHB-Auswahl in Hannover?
Gislason sprach davon, „sehr stolz“ auf sein Team zu sein. Im Endeffekt landete seine Mannschaft zwei Pflichtsiege gegen Algerien und Österreich und verlor gegen Kroatien wieder einmal ein Spiel gegen einen Gegner, der zweifelsohne gut - aber eben auch nicht übermächtig ist. Gäbe es eine Zeugnisnote für die deutsche Mannschaft, käme ein „befriedigend“ heraus. Weil das Ziel erreicht wurde. Deutlich mehr aber auch nicht.
Gab es einen Gewinner in der deutschen Mannschaft?
Ja, einen einzigen. Und der hieß Renars Uscins. Dreimal wurde der Mann der TSV Hannover-Burgdorf zum Spieler des Spiels gekürt, erzielte insgesamt 26 Treffer. „Es ist krass, wie er sich entwickelt hat. Renars hat uns extrem geholfen“, sagte Mittelmann Knorr von den Rhein-Neckar Löwen.
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Wie sehr beschäftigte Gislason seine Zukunft?
„Ich war relativ gefasst. Wenn wir es nicht geschafft hätten, dann hätte ich woanders angefangen“, sagte der Isländer. Der 64-Jährige machte aber keinen Hehl daraus, sich „riesig“ darüber zu freuen, „diese sehr talentierte Mannschaft weiter zu begleiten.“ Der Bundestrainer ist sich sicher, dass sich sein Team „von Jahr zu Jahr steigern wird“. Allein schon aufgrund des jungen Alters.
Gislason glaubt allerdings auch, dass die Debatte um seine Zukunft den Druck auf die Mannschaft erhöhte. Gegen Kroatien hätte sein Team „überdreht - und ich glaube schon, dass meine Situation damit etwas zu tun hatte“. Der Isländer betonte: „Die Mannschaft hat gezeigt, dass sie mit mir arbeiten will.“
Alles in allem hörte man in der gesamten Woche aber bei ihm heraus, dass er die Verbandskommunikation nicht sonderlich glücklich fand. Das Binnenklima wirkt gestört, teilweise sogar frostig. Der DHB hatte schon vor dem Qualifikationsturnier mitgeteilt, dass Gislasons Vertrag bis 2027 verlängert wird. Oder eben endet, wenn die Paris-Teilnahme nicht klappt.
Welche Spieler haben ihre Paris-Reise sicher?
An Torwart Andreas Wolff, Kapitän und Kreisläufer Johannes Golla, Spielmacher Juri Knorr und Julian Köster führt überhaupt kein Weg vorbei. Sie sind die Säulen dieser Mannschaft. Uscins dürfte sein Paris-Ticket nach seinen drei Gala-Auftritten in Hannover ebenfalls sicher haben. Ansonsten ist „Vielseitigkeit sehr wichtig“, wie Gislason sagte. Vor allem, weil er nur 14 Spieler mitnehmen darf.
Welche Chancen hat die DHB-Mannschaft in Paris?
Die großen Favoriten sind die üblichen Verdächtigen: Frankreich tritt als Titelverteidiger, Gastgeber und Europameister an. Dänemark holte zuletzt dreimal in Folge WM-Gold. Und dann sind da noch die Schweden. Alle drei Nationen landeten im Januar bei der EM vor den viertplatzierten Deutschen. Das Gesamtniveau bei einem olympischen Handball-Turnier ist allerdings nicht so hoch wie bei einer WM oder EM, weil die Startplätze für die starken europäischen Nationen begrenzt sind. Dass die Deutschen aber nicht nur gegen das Toptrio, sondern auch gegen andere Mannschaften verlieren können, zeigte gerade erst wieder das Qualifikationsturnier mit der Niederlage gegen Kroatien.
Trotzdem ist das Halbfinale in Paris nicht nur drin, es muss auch das erklärte Ziel sein. Und eine Medaille würde wiederum die nach wie vor bestehenden Zweifel beseitigen, ob sich dieses Team tatsächlich auf dem Weg in Richtung Weltspitze befindet. „Wir sind nach wie vor keiner der großen Medaillenkandidaten“, bremste Gislason allerdings die Erwartungen.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Deutsche Handballer: Die Zweifel an Bundestrainer Gislason bleiben