Reisebericht

Siggi Baier sammelt unvergessliche Motorraderlebnisse in Japan

Hockenheimer legt mit Freund Tim Neumann 4.873 Kilometer in zwei Abschnitten im Land der aufgehenden Sonne zurück.

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Pressemitteilung
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Siggi Baier (r.) und sein Freund Tim Neumann auf dem Mount Shirane mit dem höchsten Punkt auf öffentlichen Straßen in Japan. © Siggi Baier

Hockenheim. Seine persönliche Löffelliste hat Siggi Baier im vergangenen Herbst durchgeschaut und Japan als ein Ziel wiedererkannt, das es gilt, am besten durch eine selbstorganisierte Tour zu entdecken. Herausforderungen hielten für den Hockenheimer Motorradreise-Enthusiasten schon die Entscheidungen in der Vorbereitung bereit: eigene Maschinen per Spedition transferieren oder vor Ort mieten? Teilt ein Kumpel die Erwartung und fährt mit? Wie bewältigt man die vollkommen fremde Sprache und Schreibweise? Baiers Freund Tim Neumann aus Bad Honnef war neugierig und machte mit.

Die beiden entscheiden sich für eine Mietlösung und wegen des Komfortanspruches für eine Kombitour: Teil 1 wird ein geführte Trip über Honshu, die Hauptinsel Japans. Aus der Erfahrung daraus wird eine selbst organisierte Tour über Hokkaido, die nördliche Insel im Anschluss. Das Fluggepäck ist limitiert, da ja Helm, Stiefel und Kombi nicht nur Platz beanspruchen, sondern auch das Freigewicht schnell aufzehren. In Tokio wischt ein Zusatztag dem Duo den Jetlag aus den Augen. Am Nachmittag findet das Kennenlernen mit den Mitfahrern statt: Amerikaner, Australier, ein Engländer, vier Deutsche und zwei Schwaben. Die Tour und die Regeln für die Straße werden erklärt. Linksverkehr und rücksichtsvolles Fahren der Japaner – ob wir damit zurechtkommen?

„Kampai“ heißt Prost auf Japanisch, die Biker üben die Aussprache häufig am Abend

Nach der Einweisung auf die Bikes – Yamahas statt der gewohnten BMWs – geht es zum Dinnerlokal. Schuhe ausziehen, zum Tisch, auf die Sitzbank knien und die Beine unter dem Tisch verschlungen abstellen - so braucht man nicht den ganzen Abend im Schneidersitz vor der Tafel verharren. „Kampai“ heißt Prost auf Japanisch, die Biker üben die Aussprache häufig am Abend.

Buddhas Bauch streicheln bringt Glück, schreibt Siggi Baier zu diesem Bild... © Siggi Baier

Die Tour beginnt. Zuerst auf der Autobahn aus Tokio vorbei an Kawasaki, Nishin, Yokohama – alles Namen, die man schon einmal gehört hat und jetzt ein Bild dazu erhält. Auf der Halbinsel Itzu-Hanto sieht die Gruppe seine Majestät, den Berg Fuji-San, fasziniert vom vollkommen symmetrischen, schneebedeckten Vulkankegel. Hoch geht es zum Mount Omuro mit einem Sessellift.

Mit tiefliegenden Wolken und Nieselregen beginnt Fahrtag zwei. Moose, die Bäume und Boden bedecken, bedeuten Rutschgefahr. Auf der Itzu Skyline North heißt das Ziel Fuji-san, 3.776 Meter hoch, Heimat der Kami, der weiblichen Gottheit. Eine Zickzackstraße führt bis auf 2.400 Meter, kein Verkehr, ein bisschen holprig, aber super Grip, oben eine mystische Atmosphäre mit Nebel. Über winzige und gewundene bewaldete Bergstraßen erreicht die Gruppe eine der besten Teeanbauregionen Japans. Grüner Tee oder Macha-Tee, der auch alle Arten von Kuchen, Eis und sogar Reis würzt.

Die Autos ziehen fast immer an den Rand der Straße und lassen die Biker passieren

Auf der Pearl Road, dem Höhepunkt des Tages, verzaubern die versteckten Nebenstraßen in den dichten Wäldern die Biker. Dass die Geschwindigkeit in Wohngebieten auf 40 und sonst auf 80 km/h begrenzt ist, scheint die Japaner nicht so zu interessieren, die nach Erkenntnis der Besucher immer jeweils etwa 20 km/h schneller unterwegs seien. Die Gäste passen sich den lokalen Gepflogenheiten an. „Durch den gegenseitigen Respekt der Menschen zueinander ist das System sicher. Die Autos ziehen fast immer an den Rand der Straße und lassen uns Biker passieren – die Schwaben schweigen dazu!“, schreibt Siggi Baier.

Die bunt gemischte Bikergruppe bei einem Kaffeestopp auf der Strecke. © Siggi Baier

Die Gruppe macht Station in Koyasan, einem Dorf, das aus mehr als 100 Tempeln, Klöstern und Schreinen besteht. Obwohl einige der Tempel zum Weltkulturerbe gehören, gibt es nicht viele Touristen; es sind eher die Pilgerreisenden, die hierher kommen. Auf kurvenreicher Straße geht es nach Kyoto, Japans ehemaliger Hauptstadt von 794 bis 1868. Am folgenden Ruhetag werden die Motorräder geparkt und die Sehenswürdigkeiten besucht - der silberne Pavillon und die gigantische Buddha-Statue sind ein Muss.

Siggi Baier „backt“ in einem Workshop ein Fruchttörtchen in nur drei Minuten

Himeji ist die beste erhaltene Burg in Japan mit einem fortschrittlichen Befestigungssystem auf dem Höhepunkt der Holzbautechniken im 17. Jahrhundert. Die Besucher erleben das Burgfest mit. Tanzgruppen von Geisha-Schülerinnen im Kindesalter, Anime-Girls und auch Sumo-Ringer präsentieren sich. Im Eiheiji-Tempel nehmen die Motorradfahrer um 4.30 Uhr an einer Morgenzeremonie im Zen-Buddhismus teil. Das nächste Ziel heißt Shirakawa mit seinen 250 Jahre alten riedgedeckten Häusern. Die Fahrt nach Guya führt durch die japanischen Berge. Guya-Hashiman ist bekannt für die Herstellung von Plastiknahrungsmitteln. Siggi Baier „backt“ in einem Workshop ein Fruchttörtchen in nur drei Minuten. In einem kleinen Bergdorf mit Thermalquellen lernen die Besucher den Onsen, den Badespaß der Japane, kennen.

Optisch reizvoll, aber nicht genießbar: Das Fruchttörtchen ist aus Plastik, eine Spezialität im Ort Guya. © Siggi Baier

Am Mount Shirane liegt auf 2.777 Metern der höchste Punkt auf öffentlichen Straßen in Japan, die tollen Kurven und Natur gefallen den Fahrern. Weitere Stationen sind die Yubatake-Schwefelquellenterrasse und der Harunasee mit dem ruhenden Vulkan Akagi sowie Nikko mit Besichtigung der Tempelanlage. Ziel des folgenden Reisetags ist der berühmte Montegi Twin Circuit, 1997 von Honda gebaut. Siggi Baier berichtet: „Man konnte hier schon hören, dass man mit Respekt die Veränderungen des Hockenheimrings verfolgt, zumal ein Bild des Rings hier hängt.“ Auf der Autobahn wird die Metropolregion Tokio mit ihren 38 Millionen Einwohnern nach 3637 Kilometern erreicht, wo der erste Teil der Reise mit einen Abschiedsessen endet.

Auf Hokkaido gibt es nur Straßenschilder in Kanji, der japanischen Symbolschrift

Für Tim beginnt der zweite Teil der Reise mit Erholung durch Souvenirshopping. Siggi zeigt ihm die Ginza – die Einkaufsmeile für Nobelprodukte, dann die Spielzeugmeile für Männer, Ikibihara, mit Shops für Elektrik und Elektronik. Per Flugzeug geht es nach Sapporo auf Hokkaido. Dort sind die Mietmotorräder BMWs. Die Navis bringen Ärger: Tims Google Maps kennt keine Nebenstrecken, Siggis OSM-Karte ist detailliert, aber auf Chinesisch - also aufpassen und nach Straßennummern fahren. Auf Honshu trugen fast alle Streckenschilder auch lateinische Beschriftung, auf Hokkaido gibt es nur noch in Kanji, die japanische Symbolschrift, so auch im Hotel, die Rezeptionisten sprechen nur spärlich Englisch, da hilft die Übersetzungsapp des Smartphone trefflich aus.

Der Start zum zweiten Teil der Tour Auf Hokkaido: Siggi Baier (l.) und Tim Neumann. © Siggi Baier

Der Akan-Ko-Nationalpark ist das nächste Ziel, die Naumann-Elefanten betrachten sie an der Strecke. Naumann war der deutsche Entdecker der Skelette der Urzeit. Das Zimmer mit Futon auf Tatami-Matte und kompletter Ausstattung für die Teezeremonie. In Akaso gibt es Souvenirläden der Ainu, der indigenen Einwohner Japans. Erstaunlich finden die Deutschen, wie sauber die Straßen und Plätze sind, nicht mal Kippen - obwohl es keine Mülleimer gibt. Die Menschen nehmen ihren Müll mit nach Hause. Auf dem Weg dem Pazifik entgegen fällt die Temperatur von 23 auf 13 Grad ab, Thermounterwäsche ist angesagt. Der Pazifik bläst mit leichtem Wind einen Sprühnebel aufs Visier, Sicht höchstens 50 Meter.

Selbst in einer einfachen Ryokan-Unterkunft ist die Toilette fernbedienbar

In der Hafenstadt Kushiro klart das Wetter auf, dafür erleben die Besucher im Hotel die Auswirkungen eines Erdbebens vor der Küste. „Unsere Betten werden wie eine Wiege geschaukelt – also nichts Ernsthaftes“, berichtet Baier. Am südlichen Zipfel Erimo, dem „Kap der Winde“, sehen die Motorradtouristen Seehunde und erfahren im Windkanal, wie stark der Wind hier blasen kann. Zu einem Japanbesuch gehört auch, mal in einem einfachen Ryokan zu übernachten. Im Zimmer die Futonmatratze selbst ausrollen und auf Tatami richten. Das Bad ist eng, die einen halben Quadratmeter große Wanne ist gleich auch die Dusche, aber die Toilette wartet mit kompletten Komfortsitz auf, beheizt, alle Bidetfunktionen fernbedienbar.

Viel Fisch, wenig veggie: So sieht ein Frühstück in Japan aus. © Siggi Baier

Der letzte Fahrtag führt an der Küste entlang 120 Kilometer durchs Landesinnere auf schön geschwungenen Straßen, vorbei an Pferdefarmen teilweise mit Paddocks und Hippodrom. Japaner sind spielverliebt, so wird auf Pferde gewettet. Die Bikes werden nach 1400 Kilometern abgegeben. Von Sapporo fliegt das Duo nach Tokio, von wo es am nächsten Tag über Peking nach Frankfurt geht. Hinter der beiden Fahrern liegt eine unvergessliche Tour von 4.873 Kilometer auf Strecken, die man von Europa aus kaum erahnt. Im Land der aufgehenden Sonne haben sie wunderbare Menschen mit verschiedenen Charakteren getroffen, ein großartiges und interessantes Erlebnis. Motorradfahren als Hobby ist und bleibt für Siggi Baier die Leidenschaft, die Welt mit ihren unterschiedlichen Regionen auf zwei Rädern zu entdecken, lautet das Fazit des Hockenheimers.

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