Pop-Musik

Der Vater von Boney M. ist tot

Frank Farian starb mit 82 Jahren. Der Schlagersänger und Produzent schrieb Musik- und Skandalgeschichte

Von 
Petra Koruhn
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Frank Farian (2.v.l) mit dem Boney M.-Ensemble am Berliner Ostbahnhof anlässlich des Baubeginns des „Boney M. Theaterpalastes“. © Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa

Berlin. Die Älteren werden sich mit Wonne erinnern: „Ra-Ra-Rasputin“, das war der Gute-Laune-Song einer Gruppe, bei der Massen ins Tanzfieber verfielen. Die Band nannte sich Boney M., und dahinter steckte er: Frank Farian, einer der erfolgreichsten Musikproduzenten Deutschlands. Wie am Fließband schuf er tanzbare Welthits. Der Durchbruch erstaunte ihn selbst. „Der Erfolg war eine riesengroße Überraschung. Ich hatte immer gedacht, ich schaffe es nicht.“ Jetzt ist er im Alter von 82 Jahren in den USA gestorben. Er sei friedlich in seinem Apartment in Miami eingeschlafen, wie die Familie mitteilen ließ.

Farian hatte den Disco-Sound in Deutschland groß gemacht und ihm zugleich internationalen Anstrich verpasst. Die Zeit mit Boney M. war die erfolgreichste Zeit seiner Karriere. Mit der Truppe verkaufte er weltweit mehr als 150 Millionen Tonträger, darunter mehr als 60 Millionen Singles. Neben „Rasputin“ auch „Rivers of Babylon“, „Daddy Cool“ und „Ma Baker“ – Hymnen der späten 1970er-Jahre für Leute, die sich unter der Discokugel in Ekstase tanzten.

Doch Farian war ein Schlitzohr. Denn dass nicht Bobby Farrell, der die Fans mit wildem Tanz anheizte, selbst ins Mikro sang, war bald ein offenes Geheimnis. Er tanzte zu Playback. Die sonore Stimme, die aus den Lautsprechern drang, war Farian selbst. Egal: Farian schrieb mit Boney M. Pop-Geschichte.

„Moderne Performer“

Mehr Schein als Sein, dieses Rezept führte bald zu einem der größten Musikskandale überhaupt: Das von ihm künstlich gezüchtete Duo Milli Vanilli mit Robert „Rob“ Pilatus und Fabrice „Fab“ Morvan brachte ihn erst zum Erfolg, dann an den Abgrund. Der Discopop-Hit „Girl You Know It’s True“ verkaufte sich Ende der 1980er weltweit mehr als 30 Millionen Mal. Das erste Milli-Vanilli-Album wurde in den USA 1989 sechsmal mit Platin ausgezeichnet. Das Münchner Duo gewann einen Grammy für die besten neuen Künstler. Doch als später bekannt wurde, dass die beiden gar nicht selbst gesungen, sondern die Lippen zu den Stimmen professioneller Sänger bewegt hatten, war die Musikwelt erschüttert. Die umjubelten Jungs wurden zur Lachnummer. „Wir waren moderne Performer“, sagte Farian anlässlich seines 75. Geburtstags unserer Redaktion. „Wir hätten das nur besser ausweisen müssen.“

Der Fall gilt bis heute als einer der größten Betrugsskandale der Musikgeschichte. Ein Film von Regisseur Simon Verhoeven erzählt die Geschichte derzeit im Kino. Matthias Schweighöfer spielt die Rolle von Farian, der als Co-Produzent dabei war, aber nach eigenen Angaben keinen direkten Einfluss hatte nehmen können. Der Film entspreche zu „weniger als 80 Prozent“ der Wahrheit, so sein Urteil.

Geboren als Franz Reuther

Farians Name stand für Erfolg, wobei sein richtiger Name anders lautete: Franz Reuther. Am 18. Juli 1941 kam er in Kirn an der Nahe auf die Welt. Der Erfolg auch mit Bands wie Eruption und No Mercy war ihm nicht in die Wiege gelegt worden. „Meinen Vater habe ich nie kennengelernt, er fiel vor meiner Geburt im Krieg. Meine Mutter war meine persönliche Trümmerfrau. Sie hat alle Steine aus dem Weg geräumt und mir alles ermöglicht, obwohl wir kein Geld hatten“, sagte er in Interviews. Mit 14 zog er zu Verwandten ins Saarland und lernte Koch: „weil ich ständig Hunger hatte“.

Die musikalischen Anfänge waren bescheiden. Auf einem Familienabend steckte ihm der Pfarrer einen Groschen zu, weil er „Der Mond ist aufgegangen“ so schön gesungen hatte – „meine erste Gage“. Mit seiner Band Die Schatten nahm Farian 1963 in einem früheren Stall die erste Platte auf. „In der Mitte standen ein Mikrofon und ein Tonbandgerät.“

Seine Gesundheit galt in letzter Zeit als angeschlagen. Im vergangenen Jahr habe der Musiker laut Medienberichten am Herzen operiert werden müssen. Die Zeiten, als er sich noch fit fühlte, waren vorbei. Lange war das Rezept für seine Energie: „mindestens sieben Stunden Schlaf, wenig Alkohol, Drogen gar nicht“. Und Spaß an der Arbeit. Daraus zog er seine Kraft. Andere Wünsche, sagte er zu seinem 80. Geburtstag, habe er nicht. „Es ist mir ja fast alles gelungen. Ich lebe den amerikanischen Traum auf Deutsch.“

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