Trenton. In der Mode ist Grün eher unbeliebt, gilt sogar als Schockfarbe, weil es zu keinen anderen Farben richtig passt. Großbritanniens Queen Elizabeth allerdings trug im letzten Sommer zu einem hochrangigen Empfang ein sanftgrünes Kostüm samt Hut in derselben Farbe. Nun wissen wir, dass die 90-Jährige ein echter Trendsetter ist.
Denn Grün ist die Trendfarbe des nächsten Jahres. Im Englischen wird es als "Greenery" ausgegeben, was die Verbundenheit mit der Natur ausdrückt, wachsende Energie und Vitalität. Das im US-Bundesstaat New Jersey ansässige Farbinstitut Pantone beansprucht für sich die Definitionsmacht der Wahl. Jedes Jahr im Dezember wird eine andere Farbe für die kommenden zwölf Monate gekürt, manchmal ist das treffend, andermal geht es voll daneben. Für das neue Jahrtausend etwa hat die Expertin, die Psychologin und Innendesignerin Leatrice Eiseman, kurz vor dem Jahr 2000 die Farbe "Cerulean Blue", Pantone-Nummer 15-4020, gern als Mittagshimmelblau bezeichnet, auserkoren. Das kam gut an nach dem Ende des schwarzen 20. Jahrhunderts und des ganzen grauen Jahrtausends davor.
Peppt tristes Leben auf
Nach dem Schreckensjahr 2001 mit der Kriegserklärung des fundamentalistischen Islam, der zwei Flugzeuge in die Twin Tower von New York steuerte, wählte Eiseman für 2002 das knallrote "True Red", um die patriotische Stimmung zu unterstützen. Das war ebenfalls ein Volltreffer. 2004 kam Orange für Optimismus, 2006 Staubbeige wegen ökonomischer Krisen weltweit und 2011 Pink als Symbol für Aufbruchsenergie - gegen letztere Farbe hatten viele etwas. 2016 verhob sich die Farbkönigin, indem sie zwei Töne mischte: ein pastelliges Rosé und ein angenehm kühles Hellblau, das für Gelassenheit stehen sollte.
Nun also Grün. Eiseman behauptet, Scouts in aller Welt zu beschäftigen, um Trendfarben zu erfassen. Der Zeitgeist diktiere die Farbwahl, das, was Menschen bewege, umtreibe, fasziniere. Pantone glaubt, mit Hilfe der Meinungsforschung die vorherrschende Stimmung exakt ermitteln zu können. Greenery ist ganz sicher eine Trendfarbe, Pantone geht diesmal auf Nummer sicher. Der hellgrüne Farbton, das Apfelgrün, kann nur gefallen. Mit einem grünen Farbtupfer wird noch jedes triste Leben aufgepeppt, jede Party dynamisiert, jedes Picknick zum Erlebnis. Grün steht für Bio, Grünplanung in Städten, Dachgärten, urbane Landwirtschaft und den Frühling. Sport-Fans erwarten grünen Kunstrasen, in grünen Trikots stürmende Fußballmillionäre ziehen mehr Blicke auf sich. Ihre Model-Begleiterinnen auf den Tribünen werden mit grünen Handtaschen und Sonnenbrillen erscheinen.
Hipster haben das immer schon gewusst. Sie stehen voll auf Grün, deshalb essen sie Avocados auf Toast und beißen in saure grüne Äpfel, schlürfen schlammschmeckenden Matcha-Tee, zücken supergrün eingebundene Notizbücher aus der Tasche und stellen einen Kaktus neben ihren Laptop.
Ultimativer Kompromiss
Die Geschirrindustrie ist noch zögerlich bei neuen Services, hat aber schon Kaffeetassen und Suppenteller in die Geschäfte gebracht, mehr wird vermutlich bald folgen. Die Lebensmittelindustrie ist schneller, mit grünen Superfoods macht sie gute Umsätze. Die Smoothies auf Instagram sind grün, die PIN-Postboten sind grün, und Grün ist bald wieder der Lenz. Irgendwie ist das hoffnungsvoll.
Grün ist die ultimative Kompromissentscheidung. Grüner kann's gar nicht mehr werden. Auf die Greenery-Kultur können sich alle einigen. Da fragt sich der Eingegrünte, wenn alles doch so schön grün ist, weshalb braucht es dann noch so eine "Aufsteigerfarbe" (Eiseman), so einen Hype? Weil es vor allem um mehr Dollars geht? Leatrice Eiseman würde empört den Kopf schütteln, irgend etwas antworten, aber dabei wahrscheinlich milde-verkniffen lächeln.
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