Musik

Helene Fischers furioser Auftritt

Party-Stimmung und der Wunsch nach Frieden prägen das Münchner Mega-Konzert des Schlagerstars

Von 
Ute Wessels
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Vor 130 000 Fans feiert Helene Fischer ihre umjubelte Rückkehr auf die Bühne. © Angelika Warmuth/dpa

München. Monatelang kaum Regen. Und dann schüttet es über dem Münchner Messegelände wie aus Kübeln – ausgerechnet als Schlagerstar Helene Fischer am Samstagabend zum spektakulären Open-Air lädt. 130 000 Fans trotzen dem miesen Wetter und lassen sich die Laune nicht verderben. Als die Sängerin auf der riesigen Bühne auftaucht, ist der Jubel groß und sogar die Sonne zeigt sich noch für einige Augenblicke. „Ich hab’ gedacht mein Herz zerspringt in 1000 Teile“, sagte Helene Fischer angesichts der Menschenmasse. „Das ist das, was ich so lange vermisst habe.“

„Opulente Bühnenshows“

Wegen der Corona-Pandemie hatte das lange geplante Open Air verschoben werden müssen. Die aus der sibirischen Großstadt Krasnojarsk stammende Russlanddeutsche, die als Kleinkind mit ihren Eltern nach Rheinhessen kam, hat sich viel vorgenommen. Einen Auftritt der Superlative, für den sie eigens ihre ausgedehnte Schaffenspause unterbricht. Die Dimensionen sind riesig: eine 150 Meter lange Bühne, Dutzende Kameras und 5000 Helfer. Ein Verkehrskonzept soll Chaos verhindern. Gedränge und Wartezeiten an den U-Bahnen und Parkhäusern lassen sich bei der Menschenmenge trotzdem nicht vermeiden. Die Autokennzeichen zeigen: Aus der ganzen Republik sind Besucher angereist.

Von Beginn an ist klar, dass die ausgebildete Musicaldarstellerin nach dem Konzert erneut abtauchen wird. Ihre Tour mit insgesamt 70 Shows startet erst im nächsten Jahr. In der Schlagerbranche ist die Rede von einem geschickten Werbeschachzug, der einer medialen Übersättigung vorbeugt. So kanalisiert sie das Tamtam um sich auf wenige, perfekt choreographierte Großauftritte. Spontan und zufällig geschieht bei der kommerziell erfolgreichsten Sängerin der Nation nichts.

„Helene Fischers Erfolg wäre ohne Talent und harte Arbeit nicht denkbar“, sagt der als „Professor Schlager“ bekannt gewordene Musikexperte Ingo Grabowsky. Kritiker werfen ihr vor, ihre Lieder seien austauschbare Massenware, aber das ist in München allen egal. „Ihre Konzerte sind opulente Bühnenshows“, so Grabowsky. „Das darf man nicht unterschätzen.“

Silbereisen moderiert an

Und die Fans von Helene Fischer werden nicht enttäuscht. Nach der überraschenden Anmoderation durch ihren früheren Lebensgefährten und Schlager-Star Florian Silbereisen heizt die 38-Jährige kräftig ein. Der dauervergnügte Moderator kommt vor ihrer spektakulären Open-Air-Show unverhofft auf die Bühne und kündigte mit klatschnassen Haaren „die einmalige Helene Fischer“ an. Zwischen dem früheren Vorzeigepaar der Musikbranche, so lautet die Botschaft dieses Überraschungsauftritts, ist dreieinhalb Jahre nach der verkündeten Trennung wirklich alles gut.

Los geht es mit Songs wie „Genau dieses Gefühl“, „Liebe ist ein Tanz“ und „Fehlerfrei“ – obwohl sie „nichts mehr gewohnt“ ist, wie sie zwischendurch schwer schnaufend sagt. An Seilen schwebt sie in mehreren Metern Höhe über dem Publikum. Mehrmals wechselt sie ihr Outfit – vom geschnürten Fransenkleid zum schwarzen Body mit schwarzer Hose bis zum knallroten und hautengen Anzug.

Helene Fischer polarisiert wie wohl nur wenige Künstler hierzulande. Aber ganz gleich, ob man ihre Musik nun mag oder unerträglich findet: Ein Phänomen ist die Sängerin allemal und sie bringt zudem Menschen aus allen Altersgruppen zusammen. Familien, Senioren, Teenager sind da.

Der Regen lässt mit der Zeit nach. Die Fans sind aber ohnehin längst pitschnass. In den Schuhen steht das Wasser. Bei den Regenmassen helfen auch Regencapes kaum. Sie kleben an der Kleidung. Bei vielen Fans schimmern Shirts mit Helene-Schriftzug durch die dünnen Plastikponchos.

Ein paar ruhige Momente

Helene Fischer sagt, nach der langen Corona-Pause das Leben wieder feiern und ihr Album vorstellen zu wollen. Das sei für sie mit vielen Emotionen verbunden, auch angesichts ihrer „neuen Situation“. Denn: „Ich bin Mama geworden.“

Umso mehr mache sie sich Sorgen um die Zukunft, erzählt sie und beschert den Zuschauern ein paar ruhige Momente: Es wünschten sich doch alle nichts anderes als Gerechtigkeit, Liebe und Frieden, sagt sie mit Blick auf diesen „auch für mich unerklärlichen Krieg“ – obwohl sie sich ja eigentlich fast nie zu politischen Themen äußere. Das Lied „Wann wachen wir auf“ spiegele ihre Gedanken dazu: „Lass uns wieder mit unseren Herzen schau’n“ und „Lass uns aus all den Mauern Brücken bau’n“, heißt es da.

Aus ihrem neuen Album performt die Sängerin unter anderem auch den Titelsong „Rausch“ und „Vamos A Marte“, die ihrem „Seelenverwandten“ gewidmete Ballade „Hand in Hand“ und das Abschiedslied „Luftballon“. Als sie um kurz nach 22 Uhr ihren bekanntesten Hit „Atemlos durch die Nacht“ singt, strömen allerdings schon zahlreiche Zuschauer vom Messegelände in Richtung U-Bahn-Station und Parkhaus.

Als Rausschmeißer hat Helene Fischer den Feiersong „Null auf 100“ aufgehoben: Auf den Tribünen und in der Arena leuchten Tausende Handylichter. Textsicher singen die Fans mit: „Eines Tages werden wir sagen: Du und ich, wir war’n dabei (...) Und werden uns erinnern, denn das hier ist groß.“  (mit ZRB)

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