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So hoch ist das Erdbeben-Risiko

Die Naturkatastrophe in der Türkei und in Syrien besorgt auch Touristen in der Mittelmeerregion

Von 
Gerd Höhler
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Wunderschöne, aber erdbebengefährdete Fleckchen warten am Mittelmeer auf Touristen – wie hier am Lykischen Weg, der von Fethiye bis nach Antalya führt. © Ute Müller/dpa

Berlin. Die Zahl der Opfer des Erdbebens im türkisch-syrischen Grenzgebiet steigt immer weiter. Experten befürchten über 100 000 Tote. Feriengebiete sind von der jüngsten Erdbebenserie zwar nicht direkt betroffen. Aber auch der touristisch erschlossene Westen und Süden der Türkei wird häufig von Erdbeben erschüttert – wie viele Urlaubsländer am Mittelmeer.

Wie fast die ganze Türkei ist auch die Region um die Touristenhochburg Antalya erdbebengefährdet. Mehr noch gilt das besonders für die Feriengebiete an der türkischen Ägäisküste. Denn hier reibt sich die Anatolische Platte an der Ägäischen Mikroplatte. In Urlaubsorten wie Fethiye, Bodrum und Kusadasi bebt es häufig. Größere Katastrophen gab es dort aber in jüngsten Jahrzehnten nicht. Als mögliche Region für ein verheerendes Erdbeben gilt allerdings die Bosporusmetropole Istanbul.

Gefahr auch in Griechenland

Auch die griechischen Inseln der östlichen Ägäis – wie Lesbos, Samos, Kos und Rhodos – werden häufig von Erdstößen erschüttert, ebenso die Inseln im Ionischen Meer. Wie die Türkei, gehört auch Griechenland zu den seismisch aktivsten Ländern am Mittelmeer. Athen und Thessaloniki sind ebenfalls bebengefährdet. Im September 1999 starben bei einem Beben der Stärke 6,0 in Athen insgesamt 143 Menschen. Die Opferzahlen sind in Griechenland relativ niedrig, weil Anfang der 1980er-Jahre die Bauvorschriften verschärft wurden.

Kreta gilt als Hotspot

Als ein Erdbeben-Hotspot gilt die Insel Kreta. Sie liegt im Zentrum des seismisch besonders aktiven Ägäischen Inselbogens. In dieser Region ereignet sich alle 600 bis 800 Jahre ein Mega-Beben der Größenordnung von 8,5 Richter, erklärt der Katastrophenforscher Costas Synolakis. Das letzte große Beben im Jahre 1303 erreichte geschätzt 8,0 Grad auf der Richterskala. Synolakis sagt, dass sich Kreta bereits innerhalb des Zeitfensters für das nächste Mega-Beben befindet. Griechenland hat gegenüber der Türkei jedoch einen Vorteil: Viele Bruchzonen verlaufen unter dem Meer. „Dadurch wird ein Großteil der Bebenenergie vom Wasser absorbiert“, erklärt Akis Tselentis, der Direktor des Geodynamischen Instituts Athen.

Große Gebäudeschäden in Italien

Auch Italien liegt im Spannungsfeld der Afrikanischen und der Eurasischen Platte. Besonders groß ist die Erdbebengefahr in den Ostalpen, am Apennin, an der Stiefelspitze und auf der Insel Sizilien. 1908 starben bei einem Erdbeben der geschätzten Stärke 7,0 in Kalabrien fast 80 000 Menschen. In den Jahren 2009 und 2016 gab es bei zwei Beben in den Abruzzen und in Latium jeweils rund 300 Tote. Das Beben in Latium gehört zudem zu einer Erdbebenserie, die seit dem Jahr 2016 anhält. Beben in Italien sind oft folgenschwer. Der Hauptgrund ist die alte Bausubstanz. Rund 70 Prozent aller Gebäude sind nicht erdbebensicher.

Die Katastrophe von Agadir

Gefahr droht auch in Nordafrika. Denn hier schiebt sich die Afrikanische Platte mit etwa vier Zentimetern pro Jahr unter die Eurasische Platte. Diese Kollision findet an den Küsten Tunesiens, Algeriens und Marokkos statt. Die Folge sind schwere Erdbeben. Zu den Katastrophen in jüngerer Zeit gehört das Beben, das sich im Jahr 1960 bei Agadir an der marokkanischen Atlantikküste ereignete. Es zerstörte die damalige Stadt fast völlig. 15 000 Menschen kamen ums Leben, ein Drittel der Einwohner.

Hunderttausende Tote in Lissabon

Die iberische Halbinsel mit Spanien und Portugal liegt an der Bruchzone der Afrikanischen und Eurasischen Platte und gehört zu den seismisch aktivsten Gegenden Europas. Die schwersten Beben in Spanien liegen schon mehrere Jahrhunderte zurück. Das letzte heftige Beben ereignete sich 2011 bei Lorca und Murcia. Neun Menschen starben, insgesamt 300 wurden verletzt. Die verheerendste Katastrophe ereignete sich dagegen im Jahr 1755. Das Epizentrum des Bebens der Stärke 8,5 bis 9,0 lag im Meer vor Lissabon. Es verwüstete das Stadtzentrum und löste einen Tsunami aus. Etwa ein Drittel der damals 275 000 Einwohner des Großraums Lissabon kam ums Leben.

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